Viertel der nicht tarifgebundenen Betriebe in Westdeutschland und ein Drittel in Ostdeutschland an den entsprechenden

Die Tarifparteien sollten in ihren Tarifverträgen genügend Spielraum für innovative Formen der Arbeitszeitflexibilisierung auf betrieblicher Ebene vereinbaren. Außerdem müsse der tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeitkorridor erweitert werden, vor allem in vielen großen Industriebetrieben. Der Gesetzgeber sollte einerseits Abweichungen vom Tarifvertrag rechtlich absichern, die beispielsweise über eine Verlängerung der Arbeitszeiten und zusätzliche Investitionen Beschäftigung sichern oder schaffen und die in den Betrieben einvernehmlich vereinbart werden.574) Gratifikationsregelungen sollten leistungsorientiert ausgerichtet werden.

Zum gegenwärtigen Stand des Tarifsystems berichtete der DGB Rheinland-Pfalz:

Noch immer herrschten regionale und bundesweite Verbandstarifverträge (Flächentarifverträge) vor. Firmentarifverträge erfassten lediglich eine kleine Minderheit von Betrieben und Beschäftigten.

Trotz des Rückgangs der Tarifbindung von Betrieben und Beschäftigten erfassten die Tarifverträge noch immer den größten Teil der Beschäftigten in Westdeutschland (70 %) und in Ostdeutschland (55 %). Knapp die Hälfte der Betriebe (46 %) im Westen und 24 % im Osten seien tarifgebunden.

Überdies orientierten sich rund ein Viertel der nicht tarifgebundenen Betriebe in Westdeutschland und ein Drittel in Ostdeutschland an den entsprechenden Branchentarifverträgen.

Das Tarifregister des Landes Rheinland-Pfalz habe zum Jahresende 2004 158 geltende Tarifverträge erfasst. Auch in Rheinland-Pfalz gehörten 48 % der Betriebe einem Branchentarifvertrag und 3 % der Betriebe einem Firmentarifvertrag an. Von den 49 % der Betriebe ohne Tarifbindung orientierten sich 43 % an einem Branchentarifvertrag. Für die Mehrheit der Beschäftigten (65 %) gelte ein Branchentarifvertrag, für 8 % gilt ein Haustarif- bzw. Firmentarifvertrag. Bei 13 % der Beschäftigten orientierten sich die Bedingungen an einem Branchentarifvertrag, für 14 % der Beschäftigten in Rheinland-Pfalz gälten Tarifverträge weder direkt noch indirekt. Tarifverträge erfüllten, so der DGB, folgende Funktionen:

­ für den Staat eine Entlastungs- und Legitimationsfunktion, da die unmittelbare Verantwortung für die Festlegung von Löhnen und Arbeitsbedingungen den Tarifvertragsparteien übertragen ist,

­ für die Arbeitnehmer eine Schutzfunktion, Verteilungsfunktion, Partizipationsfunktion und Solidaritätsfunktion,

­ für die Arbeitgeber eine Koordinierungsfunktion (Schaffung relativ einheitlicher Wettbewerbsbedingungen, Reduzierung der Transaktionskosten zur Regelung der Arbeitsbedingungen), eine Ordnungs- und Befriedungsfunktion (stabile Arbeitsbeziehungen, störungsfreier Arbeitsablauf, Gewerkschaftspräsenz im Betrieb wird „neutralisiert"; Delegierung der Tarifpolitik an die Verbände, Entlastung der betrieblichen Ebene) sowie eine Produktivitätsfunktion (Begrenzung von Niedriglohnstrategien, Förderung von Innovations- statt Kostenwettbewerb, Sicherung eines kooperativen Arbeitsklimas). Tarifverträge sicherten einerseits einheitliche Mindeststandards. Andererseits ermöglichten sie eine Fülle von Differenzierungen und Flexibilisierungen durch tarifliche Öffnungs- und Härtefallklauseln. Die Verknüpfung von branchenweiten verbindlichen tariflichen Vorgaben mit betrieblichem Handlungsspielraum sei heute ein typisches Charakteristikum des Tarifsystems.

Der DGB wendete sich vor dem Hintergrund dieser praktischen Erfahrungen gegen den Versuch, Tarifverhandlungen in die Betriebe zu verlagern. Gesetzliche Regelungen, die den Vorrang des Tarifvertrags gegenüber betrieblichen Vereinbarungen beseitigen wollten, verstießen gegen die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie.

Der DBG wies auf zahlreiche Fälle hin, in denen gesetzliche und tarifliche Regulierung oft untrennbar miteinander verbunden seien, etwa bei der Leiharbeit, der Altersteilzeit oder der Altersversorgung. So seien bei der „Riester-Rente" tarifvertragliche Regelungen zur Entgeltumwandlung zwingende Voraussetzung, wenn Tarifeinkommen zur Altersvorsorge genutzt und dafür die gesetzlich garantierten Förderleistungen in Anspruch genommen werden sollen. Auch Firmentarifverträge mit unternehmensbezogenen Altersversorgungssystemen (Betriebsrenten) nähmen zu.581) Das Arbeitnehmerentsendegesetz von 1996 regele Arbeitsbedingungen im Baugewerbe, ausländische Firmen müssen tarifliche Mindeststandards einhalten.

Der DGB hielt deshalb nicht den Abbau tariflicher Standards, sondern vielmehr eine Stabilisierung des Flächentarifvertrages für einen positiven Wettbewerbsfaktor. Dies wäre zugleich ein positiver Bestandteil einer staatlichen Reformpolitik. Als einen Schritt in diese Richtung sprach er sich für ein Tariftreuegesetz in Rheinland-Pfalz aus, nach dem Beispiel von Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Bayern.

Mitbestimmung

Die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern Rheinland-Pfalz vertrat die Auffassung, zu weit reichende Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte wirkten sich nachteilig auf die vorhandenen betrieblichen Flexibilitätspotenziale aus. Sie forderte

­ ebenso wie die Landesvereinigung der Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) ­ die jüngste Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes zurückzunehmen. 583) Die Herabsetzung der Schwellenwerte für die Wahl von Betriebsräten und Jugendvertretern sowie für die Freistellung von Betriebsräten veranlassten viele Arbeitgeber, gerade im Grenzbereich der Schwellenwerte von einem weiteren Beschäftigungsaufbau abzusehen.

Der DGB vertrat die Auffassung, die betriebliche Mitbestimmung unterstütze die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, weil durch sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den betrieblichen Strukturwandel verantwortlich mitgestalten könnten. Sie sichere sozialen Frieden und Demokratie, weil soziale Ziele bei Managemententscheidungen systematisch berücksichtigt würden. Moderne Unternehmenspolitik sei partizipativ ausgerichtet und deshalb könne Mitbestimmung kein Nachteil sein. 585) Mitbestimmung sei kein nationales Auslaufmodell des Industriezeitalters, sondern fördere Innovation und Unternehmenserfolg. So seien die Erfahrungen mit den europäischen Betriebsräten durchweg positiv; Probleme bereiteten allerdings das Sprachproblem sowie die unterschiedlichen nationalen Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung.

Der DBG wies darauf hin, dass auch die großen organisatorischen Veränderungen innerhalb der rheinland-pfälzischen Landesverwaltung ohne die aktive Unterstützung der Gewerkschaften und ohne die aktive und kompetente Gestaltung der Beschäftigten in dieser Form nicht möglich gewesen wären.

Die Vertreter der SCHOTT AG konnten aus ihrer betrieblichen Erfahrung nicht bestätigen, dass die deutsche Mitbestimmung ein Standortnachteil sei. Sie berichteten, dass selbst schwierige unternehmerische Entscheidungen wie die Stilllegung von Betriebsteilen durch einen raschen und tragfähigen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat möglich gemacht wurden. 587) SCHOTT binde den Betriebsrat offensiv und aktiv ein, gerade bei Umstrukturierungen. Auch würden beispielsweise in einer Arbeitszeitkommission mit dem Betriebsrat Fragen von Überstunden und flexibler Arbeitszeit in der Regel einvernehmlich gelöst. Diese Kommission tage wöchentlich ca. 20 Minuten.

Nach Ansicht von Professor Mitschke sei die Mitbestimmung, außer in Kleinbetrieben, für das Angebot an Arbeitsplätzen von nachrangiger Bedeutung.

Kündigungsschutz

Die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern Rheinland-Pfalz meinte, der im internationalen Vergleich sehr restriktive deutsche Kündigungsschutz wirke einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes entgegen. Die Kündigungsschutzvorschriften führten dazu, dass Unternehmen steigende Auftragseingänge zunächst durch Überstunden mit Hilfe des bestehenden Personalpools abarbeiteten, wegen der Befürchtung, nach der Einstellung neuer Mitarbeiter und zurückgehender wirtschaftlicher Aktivität sich von diesen Mitarbeitern nur noch schwer bzw. zu hohen Kosten trennen zu können. Kündigungsschutz sichere nicht den aktuellen Beschäftigungsstand, sondern sei beschäftigungsfeindlich, da die Unternehmen die durch den Kündigungsschutz verursachte Inflexibilität antizipierten und nur sehr zurückhaltend Personal einstellten. Internationale Studien belegten zudem eine deutliche Korrelation zwischen Arbeitsmarktinflexibilitäten und Arbeitslosenzahlen. Deutlich positive Beschäftigungseffekte durch einen libera lisierten Kündigungsschutz würden sich voraussichtlich erst nach einer gewissen „Gewöhnungsphase" einstellen. Eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes würde den Faktor Arbeit von einem zurzeit eher fixen zu einem variablen Faktor und damit dessen Einsatz aus Unternehmenssicht wirtschaftlicher machen. Insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen sei die Liberalisierung des Kündigungsschutzes wichtig, da hier die Einstellung einer weiteren Person größere wirtschaftliche Effekte mit sich bringe als dies in Großunternehmen der Fall wäre. Andererseits sei nicht zu verkennen, dass die arbeitsrechtlichen Bestimmungen auch einen befriedenden Charakter hätten, die, maßvoll angewendet, das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer positiv ausgestalten könnten. Problematisch sei, dass die allgemeinen Regelungen in Einzelfällen Besonderheiten des Sachverhaltes nicht mehr berücksichtigen könnten.

Die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern Rheinland-Pfalz verwies auf ein Papier des DIHK, in dem konstatiert wird, der Kündigungsschutz sei sehr kompliziert geregelt und im Ergebnis wenig kalkulierbar. In der Regel entstünden erhebliche Kosten durch Abfindungen. Kleine und mittlere Betriebe benötigten faktisch schon bei der Einstellung juristischen Beistand, um Fehler zu vermeiden. Kündigungsschutz verleite zu überzogenen Forderungen seitens der Arbeitnehmer und zu weniger Leistungsorientierung. Die Sozialauswahl im Kündigungsrecht erschwere es den Betrieben, im Kündigungsfall die „richtigen" Mitarbeiter weiterzubeschäftigen. Deshalb seien Öffnungsklauseln für Betriebe und Arbeitnehmer nötig, die flexiblere Lösungen der Arbeitsvertragsgestaltung zuließen. Der gesetzliche Kündigungsschutz solle erst in Unternehmen ab 20 Mitarbeitern gelten und bei Arbeitnehmern erst ab einer Betriebszugehörigkeit von drei Jahren.

Die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz machte deutlich, dass der arbeitsrechtliche Schutz der Mitarbeiter vielfach nur schwer vereinbar sei mit dem unternehmerischen Ziel, Gewinne zu erzielen. Sie begrüßte ­ wie auch die LVU 592)­, dass der Schwellenwert für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes wieder von fünf Mitarbeitern auf zehn Mitarbeiter erhöht wurde. Hinderlich seien die gesetzlichen Kündigungsfristen bei langer Beschäftigungszeit nach Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres. Für Kleinbetriebe sollte die Darlegungspflicht für betriebsbedingte Kündigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz erleichtert werden. Die starke arbeitsrechtliche Position der Lehrlinge nach Ablauf der Probezeit belaste oft die Betriebsinhaber und fördere die Bereitschaft zur Ausbildung nicht.

Die Vertreter der SCHOTT AG und der SHD Holding GmbH sprachen sich in der Anhörung ebenfalls für entsprechende Änderungen im Kündigungsschutzrecht aus. Im Rahmen einer Sozialauswahl bei Beschäftigungsabbau sei es für den Arbeitgeber kaum möglich, auf Leistungsträger Rücksicht zu nehmen. Die Schwierigkeiten und Prozessrisiken einer Kündigung 594) erschwerten es, in einer unsicheren Lage Mitarbeiter einzustellen. Nach dem Beispiel von Italien sollte das Gesetz eine Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer definierten Abfindung ermöglichen. Professor Mitschke sprach dem Kündigungsschutz keine wesentliche Bedeutung für die Arbeitsplätze zu, außer im Bereich der Kleinbetriebe.

Sonstiges Individualarbeitsrecht

Die Landesvereinigung der Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) beklagte die Unübersichtlichkeit des Individualarbeitsrechts, auch aufgrund einer ausufernden Kasuistik der Rechtsprechung. Übereinstimmend forderte die Unternehmensseite, die Befristung von Arbeitsverträgen zu erleichtern. 598)

Die Arbeitsgemeinschaft der IHK sprach sich dafür aus, im Arbeitszeitgesetz den Bezugszeitraum, innerhalb dessen die wöchentliche Höchstarbeitszeit berechnet wird, generell von sechs auf zwölf Monate auszuweiten. 599)

Von den Kammern und der LVU wurde gefordert, den Rechtsanspruch auf Teilzeit abzuschaffen.