Überstellung ausländischer Strafgefangener in deren Heimatländer zur Strafverbüßung

Der Anteil ausländischer Strafgefangener an den Strafgefangenen in Justizvollzugsanstalten (JVA) des Landes beträgt über 21 %, am 31. August 2005 waren es 913. Die Kosten eines Strafgefangenen betragen jährlich ca. 30 000 Euro.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, um ausländische Strafgefangene zur Strafverbüßung in das jeweilige Heimatland zu überstellen, wo bestehen Probleme rechtlicher bzw. faktischer Art?

2. Wie viele ausländische Strafgefangene wurden in den letzten zehn Jahren in das jeweilige Heimatland überstellt (bitte auflisten nach Jahren und Nationalität)?

3. Werden den aufnehmenden Ländern Kostenerstattungen für die Übernahme geleistet, ggf. in welchem Umfang?

4. Welchen Inhalts sind die jeweils anzuwendenden „Umrechnungsfaktoren" zur Verbüßung von Restfreiheitsstrafe im jeweiligen Ausland, was sind die jeweiligen Rechtsgründe dafür?

5. Wie hat sich die Zahl bzw. der Anteil ausländischer Strafgefangener, die in rheinland-pfälzischen JVA inhaftiert sind, in den letzten zehn Jahren entwickelt, wie viele Strafgefangene besitzen neben der ausländischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit?

6. Wie viele Personen sind jeweils wegen Tötungsdelikten und Sexualdelikten inhaftiert (einschließlich der versuchten Tat)?

7. Wie hoch ist der Anteil der Strafgefangenen, die suchtgefährdet sind (bitte auflisten nach JVA)?

Das Ministerium der Justiz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. Dezember 2005 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1: Eine Überstellung ausländischer Gefangener zur weiteren Strafverbüßung in deren Heimatland ist auf der Grundlage des Übereinkommens über die Überstellung veruteilter Personen vom 21. März 1983 (BGBl. 1991 II S. 1006) ­ Überstellungsübereinkommen ­ sowie auf der Grundlage des Vertrages vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Strafurteilen (BGBl. 1995 II S. 1010) möglich.

Das Überstellungsübereinkommen ist für 44 der 46 Mitgliedstaaten des Europarats (Ausnahme Monaco und Russische Föderation) sowie für 16 Nichtmitgliedstaaten in Kraft, darunter die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Australien und Japan. Die nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) auch mögliche Vollstreckungshilfe auf vertragloser Grundlage hat daneben keine praktische Bedeutung.

Das Verfahren nach dem Überstellungsübereinkommen hat sich grundsätzlich bewährt, ist aber im Hinblick auf seine formalen Anforderungen regelmäßig zeit- und arbeitsaufwändig. Das gilt für die Erstellung und Beschaffung der einem Ersuchen beizufügenden Unterlagen, aber auch für das Prüfungs- und Anerkennungsverfahren im ersuchten Heimatstaat, das abhängig von der dortigen rechtlichen Ausgestaltung mehrere Monate in Anspruch nehmen kann.

In Einzelfällen kann daher infolge des Zeitablaufs der Zeitpunkt der vorzeitigen Haftentlassung des Verurteilten zur Bewährung oder aufgrund anderer Verfahrensnormen (beispielsweise nach § 456 a der Strafprozessordnung bei Ausweisung des Verurteilten aus dem Bundesgebiet) erreicht werden, bevor es zu einer Überstellung kommt.

Weitere Gründe, die einer Überstellung entgegenstehen können, sind:

­ Der ausländische Gefangene erteilt seine nach dem Übereinkommen zwingend erforderliche Zustimmung nicht. Tatsächlich äußert die Mehrzahl der ausländischen Gefangenen keinen Überstellungswunsch, etwa weil sie die Vollzugsbedingungen in Deutschland vorziehen, hier ihren Lebensmittelpunkt und nur noch geringen Bezug zu ihrem Heimatland haben.

­ Die Vollstreckungsbehörde gibt bei ihrer Einzelfallabwägung, ob ein Vollstreckungshilfeersuchen angeregt werden soll, den im öffentlichen Interesse liegenden generalpräventiven Strafzwecken den Vorrang vor dem mit dem Übereinkommen verfolgten Zweck der Förderung der Wiedereingliederung des Verurteilten in seinem Heimatstaat. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Strafzumessungs- und Strafvollstreckungspraxis in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist und teilweise deutlich von der deutschen Praxis abweicht, indem beispielsweise der Zeitpunkt einer vorzeitigen Entlassung wesentlich früher erreicht wird, was zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung des Verurteilten führen würde.

Zu Frage 2: In den Jahren 1995 bis 2005 wurden insgesamt 40 ausländische Staatsangehörige auf der Grundlage des Übereinkommens des Europarats vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen zur weiteren Strafvollstreckung in ihr Heimatland überstellt.

Zu Frage 4: Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe im Heimatstaat wird nach dem Übereinkommen entweder unmittelbar oder aufgrund einer Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung fortgesetzt oder die Entscheidung des Urteilsstaats wird durch Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung in eine Entscheidung des Vollstreckungsstaats umgewandelt. Im Fortsetzungsfall ist der Vollstreckungsstaat an die tatsächlichen Feststellungen des Urteilsstaats gebunden, das Strafmaß wird in der Regel übernommen, soweit dies mit dem Recht des Vollstreckungsstaats vereinbar ist. Im Umwandlungsfall kann der Vollstreckungsstaat auch ein abweichendes Strafmaß festsetzen. Beispielsweise kennen die Niederlande im Zusammenhang mit so genannten weichen Drogen nur eine Höchststrafe von vier Jahren und können deshalb darüber hinausgehende deutsche Urteile in diesem Bereich nicht vollstrecken.

Der im Urteilsstaat bereits verbüßte Teil der Freiheitsentziehung wird im tatsächlichen Umfang voll angerechnet, besondere „Umrechnungsfaktoren" sind nicht bestimmt.

Zu Frage 5: Hinsichtlich der Zahl der ausländischen Strafgefangenen in rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalten wird auf die als Anlage beigefügte Übersicht Bezug genommen. Angaben, wie viele Strafgefangene neben einer ausländischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, liegen hier nicht vor.