Schule

Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Auffassung, dass Jugendliche nach jugendgerechten Informationen über Politik (Jugendnachrichten auf VIVA oder RTL und/oder eine gute politische Jugendzeitschrift) suchen. Die CDU-Fraktion weist ergänzend darauf hin, dass es bei dem Begriff „jugendgerecht" Klärungsbedarf gebe, da deutlich wurde, dass bei den Jugendlichen selbst Unklarheit darüber herrsche, wie dieser Begriff gefüllt werden solle und was sich dahinter verberge. Die Fraktionen der SPD und FDP und CDU sind der Auffassung, die Vermittlung von Politik solle von Kindern und Jugendlichen für Kinder und Jugendliche gemacht werden. Dies gelte für alle Ebenen (Schule, Lokal/-Zeitung, Rundfunk, Fernsehen, usw.). Die CDU-Fraktion weist darüber hinaus auf die Wichtigkeit des Multiplikatoren- und Solidaritätseffekts hin, wenn die Vermittlung von Politik durch Jugendliche für Jugendliche erfolge. Die Möglichkeit der Nutzung der Offenen Kanäle durch Kinder und Jugendliche ­ so die Fraktionen der SPD und FDP ­ müsse besser kommuniziert werden. Häufig werde ein politisches Fernsehformat gefordert, das direkt auf die Gruppe der Jugendlichen zugeschnitten sei. Gerade die privaten Rundfunkanstalten müssten sich ihrer besonderen Verantwortung bei der Prägung des Informationsverhaltens von Kindern und Jugendlichen bewusster werden. Hier sollte gemeinsam an einer besseren Vermittlung von politischer Bildung/Kultur gearbeitet werden.

Ferner sollte in der Vermittlung von politischer Bildung/Kultur an Kinder und Jugendliche auf allen Ebenen über neue pädagogische Konzepte nachgedacht werden. Vorgeschlagen wird z. B. der Einsatz von Filmen wie „Bowling for Columbine" mit anschließender Diskussion und die Einführung einer „Projektwoche Politik" zeitgleich an allen Schulen mit einem zentralen Thema. Darüber sollte im Anschluss eine breite Information in den Medien erfolgen, die Vorschläge und Forderungen von Kindern zu dem zentral gestellten Thema ernsthaft darstellen und diskutieren. Anschließend könnte eine gemeinsame Diskussion darüber an vielen Orten mit den politischen Institutionen stattfinden. So würden Kinder und Jugendliche erfahren, dass ihre Diskussionsbeiträge/Lösungsvorschläge/Forderungen auch ernst genommen werden.

Die CDU-Fraktion wies darauf hin, dass es gelte, die Kinder- und Jugendarbeit deutlicher zu verstärken mit dem Ziel, Kindern und Jugendlichen mittels unterschiedlicher (altersgemäßer) Methoden Zugänge zur Politik zu ermöglichen. Die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen müsse an deren Bedürfnissen ansetzen, und die Bereitschaft zu Mitbestimmung und Teilhabe solle erreicht werden.

III. Gespräch mit den Vertretern der politischen Jugendorganisationen am 3. Dezember 2004

1. Vorbereitung des Gesprächs mit den Vertretern der politischen Jugendorganisationen

Die Kommission hatte die politischen Jugendorganisationen zunächst darum gebeten, für die Expertenanhörung einen Vertreter bzw. eine Vertreterin zu benennen und diese zur Expertenanhörung am 2. September 2004 zu entsenden. Dieser Bitte konnten sich die politischen Jugendorganisationen nicht anschließen. Aufgrund der unterschiedlichen Mitgliederstärke, Organisationsstrukturen und den daraus resultierenden unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Arbeitsweisen bestanden sie darauf, ihre jeweiligen Belange in einem gemeinsamen Gespräch einbringen zu können. 202) Die Enquete-Kommission griff diesen Vorschlag auf und führte mit den politischen Jugendorganisationen am 3. Dezember 2004 ein separates Gespräch. Die Moderation übernahm die EnqueteVorsitzende Frau Abg. Ursula Brede-Hoffmann.

2. Teilnehmer des Gesprächs mit den politischen Jugendorganisationen Angehört wurden:

­ Jungsozialisten (Jusos), vertreten durch Christian Schmitz

­ Junge Union (JU), vertreten durch Martin Binder

­ Junge Liberale (Julis), vertreten durch David Dietz

­ Grüne Jugend (GJ), vertreten durch Daniel Köbler

­ Jungdemokratinnen/Jungdemokraten, Junge Linke (JL), vertreten durch Dominik Rheinheimer

3. Themen des Gesprächs mit den Jugendlichen

Aktuelle Rahmenbedingungen Christian Schmitz betonte, die Aufgaben der politischen Jugendorganisationen würden didaktisch und methodisch immer anspruchsvoller werden. Es bestehe die Notwendigkeit, die eigene Arbeit immer weiter zu professionalisieren. Die Möglichkeiten, diesem Professionalisierungsanspruch gerecht zu werden, würden jedoch nicht adäquat ausgebaut. 202) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 5 und 11 und schriftliche Stellungnahme der Jungen Union, Vorlage EK 14/3-9, S. 1.

203) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 4.

Dominik Rheinheimer beklagte, dass die unzureichende finanzielle Ausstattung der Jugendarbeit seine Organisation (JL) in besonderem Maße träfe, da sie momentan gegenüber den Jugendverbänden mit Mutterpartei im Landtag deutlich schlechter gestellt sei.

Die politischen Jugendverbände litten unter der späten Anmeldepraxis ihrer Zielgruppe. Dies führe dazu, dass es für Veranstaltungen oftmals keinerlei Planungssicherheit gäbe. Viele junge Menschen würden sich nur zwei Tage vor der Durchführung anmelden oder erschienen gänzlich unerwartet zu einer Veranstaltung. Christian Schmitz vertrat die Meinung, dass alle politischen Jugendverbände unter einer erhöhten Karriereorientierung litten. Die Menschen fragten vor ihrem Eintritt in die Jugendorganisation oder Partei immer stärker danach, was ihr Engagement für sie persönlich einbringen werde.

Wenn den Jugendlichen gesagt wird, dass alles alternativlos sei und in der Politik nichts mehr gestaltet werden könne, dann werden sich nicht nur junge Menschen fragen, warum sie sich in der Politik überhaupt engagieren sollten. Hinzu komme, dass heute bei vielen Jugendlichen kein solidarisches Grundverständnis von Zukunftsgestaltung mehr zu finden sei. Weder im Sinne von christlicher Solidarität, noch im Sinne von staatlich organisierter Solidarität. David Dietz machte darauf aufmerksam, dass sich speziell Wahlkampfzeiten dazu eigneten, für das Thema der Politik zu sensibilisieren. Viele aus seinem Bekanntenkreis, die sich ansonsten politisch desinteressiert zeigten, würden sich plötzlich für politische Themen zu interessieren beginnen.

Zugang zur Schule

Die Vertreter der politischen Jugendorganisationen waren sich darin einig, dass ihre Arbeit erheblich dadurch erschwert werde, dass ihnen der Zugang zu Schulen verweigert werde.

Als Konsequenz aus dieser Kritik formulierte der Ring Politischer Jugend Rheinland-Pfalz einen Brief an Schulleiterinnen und Schulleiter der rheinland-pfälzischen Schulen, in dem sie politische Bildungsveranstaltungen für Schulen anbieten. Staatssekretär Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig unterstützte diesen Brief durch ein Schreiben.

Darüber hinaus problematisierte Martin Binder, dass Schulen Politik heute häufig zu abgehoben vermitteln würden. „Alle Schüler wissen bestimmt irgendwann einmal, was ein Bundestag und was ein Bundesrat ist und wie ein parlamentarisches System aussieht.

Das Problem ist aber, sie wissen nicht, dass der Fahrradweg vor ihrer Tür von ihrem Gemeinderat bestimmt worden ist." 208) Für Herrn Binder stelle es daher eine Notwendigkeit dar, in die Schulen hineinzugehen und dort die jungen Menschen dafür zu sensibilisieren, dass Politik auch etwas ganz Konkretes und Greifbares sein kann: Politik ist der Fahrradweg vor der Tür, die Skateranlage, die der Gemeinderat baut oder nicht baut. Immer dann, wenn es gelänge, den jungen Leuten klar zu machen, dass Politik sie direkt betreffe, zeige sich, dass sie nicht apolitisch seien, sondern durchaus bereit, sich zu beteiligen. Diese Einschätzung ergänzte David Dietz noch, indem er anführte, dass die heute selten vorkommende dauerhafte Parteibindung der jungen Menschen nicht mit einer allgemeinen unpolitischen Haltung gleichgesetzt werden dürfe.

Umgang mit „Politikverdrossenheit" Daniel Köbler und Martin Binder betonten, dass eine niedrige Wahlbeteiligung oder auch eine Distanz zur Politik nicht ausschließlich bei jungen Leuten zu finden sei. Deshalb greife es zu kurz, lediglich Jugendliche und junge Erwachsene als politikverdrossen zu beschreiben. Daniel Köbler erlebt junge Leute nicht als unpolitisch. Das Problem liege seiner Meinung nach eher in der Tatsache, dass die Menschen vieles nicht mit Politik in Verbindung brächten. Wenn sie von Politik reden oder an Politik denken würden, sei damit immer Parteienpolitik gemeint. Wenn man in der Kneipe mit jungen Menschen darüber diskutiere, dass eine Schachtel Zigaretten wieder um 30 Cent teurer werde, dann sei dies auch eine politische Diskussion. Daniel Köbler stellte fest, dass dies die jungen Leute schon interessiere. Man müsse ihnen nur klarmachen, dass Politik nicht irgend etwas Abstraktes sei, an dem man nichts ändern könne.

Für Dominik Rheinheimer ist das konkrete Problem die starke Organisationsungebundenheit junger Menschen. Damit müssten sich heute alle Organisationen auseinander setzen. Die JL in Rheinland-Pfalz versuche, diesem Phänomen dadurch entgegenzuwirken, dass sie Politik als die Sache aller darstelle. Letztes Jahr habe sie im Rahmen einer Organisationskampagne darauf auf204) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 14.

205) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 16.

206) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 31 f.

207) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 25.

208) Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 27.

209) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 27 f.

210) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 26 und 28.

211) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 26. merksam gemacht, dass es nicht ausreiche, das Richtige zu denken, zu meinen oder zu wissen, sondern dass man sich organisieren müsse, um die Interessen durchzusetzen.

Alle politischen Jugendvertreter sehen in der direkten Ansprache einen guten Weg, der „Politikverdrossenheit" entgegenzuwirken.

Man müsse sich Zeit nehmen, mit den Leuten zu sprechen, auf sie einzugehen und ihre Argumente dann auch ernst nehmen. Wichtig sei hierbei, Politik verständlich und in einer angemessenen Sprache darzustellen. Man solle das Ganze in eine möglichst einfache Form bringen. Daniel Köbler betonte in diesem Zusammenhang, dass junge Menschen sich nicht von halbstündigen Reden und Gegenreden angezogen fühlten. Gleichzeitig bedauerte er, dass auch die politischen Jugendvertreter sich immer mehr dieser abgehobenen Sprache anpassten. Martin Binder betonte, dass es für politische Jugendorganisationen ganz wichtig sei, sich ein eigenes Profil zu bewahren. Oft sei es unabdingbar, andere Meinungen als die Mutterpartei zu vertreten, damit man wirklich die Interessen der Jugendlichen vertrete.

Darüber hinaus betonte Daniel Köbler die Notwendigkeit, jungen Leuten zu zeigen, dass sie mitmachen sollen und dadurch etwas erreichen können. Auch wenn dies seiner Meinung nach zunächst einmal nur einen symbolischen Wert besitze, weil junge Leute sich von Menschen ihres Alters häufig besser angesprochen und vertreten fühlten. 215) Darüber hinaus müsse man Möglichkeiten schaffen, direkt vor Ort mit zu entscheiden.

Die Menschen müssten ausreichend informiert werden, so dass sie wissen, worum es gehe und partizipieren könnten. Bei einer Beteiligung müsse es Erfolgserlebnisse geben. Es nütze nichts, wenn junge Leute vorsprechen, ihre Interessen vortragen und die Politik vor Ort lächelt und sagt, das sei aber schön, das unterstützen wir und dann geschähe nichts. Das frustriere. Dominik Rheinheimer forderte mehr Mitbestimmung statt bloßer Mitwirkung. Es gäbe sehr viele Kampagnen in der Bundesrepublik, die Partizipation dadurch stärken wollten, dass Leute zum Mitmachen animiert würden. Dies gelte insbesondere für den Sport.

Für Herrn Rheinheimer darf Mitmachen aber nicht das Ende der Beteiligungsmöglichkeiten sein. Beteiligung müsse weiter gehen, so dass tatsächlich Mitbestimmung stattfinden könne.

Der Vertreter der Julis kritisierte die Tendenz mancher Politiker, Diskotheken oder Rockkonzerte aufzusuchen und dort den Berufsjugendlichen „zu mimen". Seiner Meinung nach komme dies bei jungen Menschen nicht gut an. Martin Binder forderte von sich und seinen Kolleginnen und Kollegen mehr Ehrlichkeit. Es müsse vieles deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Es sei wichtig, ehrlich zu sagen, unter welchen Bedingungen man sich in einer Partei oder politischen Jugendorganisation engagieren könne. Was das konkrete Angebot sei. „Man muss konkrete Vorschläge machen und nicht nur hohle Phrasen, so nach dem Motto: Mehr Bildung ist gut für alle. Man muss schon auch sagen, wir wollen in der Bildung ein bestimmtes System, und wir wollen für die Bildung mehr Geld, oder wir wollen weniger Geld." 219) Herr Binder ist sich darüber bewusst, dass es schwierig sei, so deutliche Aussagen zu machen. Wenn Politikerinnen und Politiker jenseits des Tisches wider besseres Wissen solche Aussagen machten, müssten sie sich daran halten. Wenn nicht, käme ein deutlicher Rückschlag. Er betonte, dass die Jugendlichen durchaus verständen, wenn man ihnen sagt: „Es ist kein Geld da." Aber wenn man ihnen verspricht, etwas zu tun und dies dann nicht umsetzt, dann reagierten sie mit Unverständnis und Enttäuschung und fühlten sich nicht mehr ernst genommen. Christian Schmitz betonte, dass es manchmal durchaus ausreiche, positive Assoziationen zu wecken. Das heißt, die Jusos organisieren eine Disko, hängen Plakate auf und verteilen Aufkleber. Dies führe dazu, dass das eigene Logo bekannter und mit etwas Positivem in Verbindung gebracht werde. Dies sei seiner Meinung nach für eine erste Ansprache oft schon ausreichend. 212) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 30.

213) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 25 f.

214) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 17.

215) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 26.

216) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 26.

217) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 29.

218) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 25.

219) Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 28.

220) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 28 f.

221) Vgl. Protokoll der 8. Sitzung der Enquete-Kommission 14/3 „Jugend und Politik" am 3. Dezember 2004, Teil II, S. 31.