Erbschaftssteuer

95 Nr. 14 Erbschaft- und Schenkungsteuer

Für die Bearbeitung von Erbschaftsteuerangelegenheiten wurden den Finanzämtern notwendige Daten nicht elektronisch zur Verfügung gestellt. Sie mussten erneut erfasst werden.

Lange Bearbeitungszeiten führten für das Land zu finanziellen Nachteilen von mehr als 2,5 Mio..

Die Arbeitsgebiete der Finanzämter waren ungleichmäßig ausgelastet. Die Bearbeitung von Einsprüchen gegen Steuerfestsetzungen war nicht zweckmäßig organisiert.

Bei einer bundesrechtlich nicht vorgesehenen Vollverzinsung von Erbschaft- und Schenkungsteuerforderungen hätten Einnahmen von 6 Mio. erzielt werden können.

1. Allgemeines:

Das Aufkommen der Erbschaft- und Schenkungsteuer steht den Ländern zu. Aus diesen Steuern erzielte das Land Rheinland-Pfalz nach den Haushaltsrechnungen 2000 bis 2004 Einnahmen von durchschnittlich 169 Mio. jährlich.

Die Erbschaft- und Schenkungsteuerfälle werden in Rheinland-Pfalz von den Finanzämtern Koblenz und KuselLandstuhl bearbeitet. Die Aufgaben werden in jeweils zwei Sachgebieten mit zehn Arbeitsgebieten erledigt. Jedes Arbeitsgebiet hat einen Personalbestand von durchschnittlich 2,5 Vollzeitkräften.

Der Rechnungshof hat in den Jahren 2004 und 2005 mehr als 6.200 Steuerfestsetzungen in seine Prüfung einbezogen und dabei schwerpunktmäßig die Verfahrensabläufe bei der Steuerveranlagung untersucht.

2. Wesentliches Ergebnis der Prüfung

Datenaustausch

Die Standesämter unterrichteten die zuständigen Finanzämter über die Sterbefälle. In den Jahren 1999 bis 2004 wurden durchschnittlich 45.800 Sterbefälle jährlich mitgeteilt. Obwohl nahezu alle Standesämter die Sterbedaten elektronisch erfassten, zeigten sie diese den Finanzämtern in Papierform an.

Bei einer elektronischen Übermittlung, die technisch 4) und rechtlich 5) möglich ist, müssten die Sterbedaten von den Finanzämtern nicht erneut erfasst werden. Dadurch könnten rechnerisch bis zu drei Stellen für andere Aufgaben genutzt werden.

Das Ministerium der Finanzen hat erklärt, der landesweite Einsatz der elektronischen Datenübermittlung werde für das zweite Quartal 2006 angestrebt. Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2863). Die Steuerertragshoheit der Länder umfasst auch die Schenkungsteuer, vgl. Maunz-Dürig, GG, Rdnr. 30 zu Art. 106. Einzelplan 20 Allgemeine Finanzen, Kapitel 20 01 Landessteuern, Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen, Titel 052 01 Erbschaftsteuer (Entstehung ab dem 1. Januar 1996) und Titel 052 02 Erbschaftsteuer (Entstehung vor dem 1. Januar 1996). 3) § 34 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl. I S. 378), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076, 3086) in Verbindung mit § 4 ErbschaftsteuerDurchführungsverordnung (ErbStDV) vom 8. September 1998 (BGBl. I S. 2658), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. November 2005 (BGBl. I S. 3126). 4)

Das Rechenzentrum der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen hat sogar eine bundeseinheitliche Schnittstelle zur Übermittlung der Sterbedaten entwickelt. Vgl. § 11 ErbStDV.

2.2 Bearbeitungszeiten

In mehr als einem Fünftel der rund 29.700 Erbschaftsteuerveranlagungen aus den Jahren 1999 bis 2002 wurde die Steuer erst mehr als 15 Monate 6) nach dem Tode des Erblassers festgesetzt. Dadurch wurden Steuern von mehr als 56 Mio. nicht zeitnah vereinnahmt. Dies führte für das Land zu finanziellen Nachteilen von mehr als 2,5 Mio..

Der Rechnungshof untersuchte bei 400 nicht zeitnah bearbeiteten Steuerveranlagungen mit hohem Steueraufkommen die Ursachen für diese Fehlentwicklung. Die langen Bearbeitungszeiten waren vor allem darauf zurückzuführen, dass die Finanzämter die Erben zum Teil erst sechs Monate nach dem Erbfall zur Abgabe von Steuererklärungen aufgefordert und deren fristgerechten Eingang nicht ausreichend überwacht hatten. Außerdem waren Maßnahmen, die das Mahnverfahren bei Fristüberschreitungen vorsieht, wie z. B. die Festsetzung von Zwangsgeldern oder die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, nicht konsequent genutzt worden.

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Erbschaftsteuerveranlagungen kann erheblich verkürzt werden, wenn die Finanzämter unmittelbar nach einer Pietätsfrist von drei Monaten nach Ablauf des Sterbemonats die erforderlichen Steuererklärungen anfordern und auf deren fristgerechte Vorlage durch die Steuerpflichtigen hinwirken.

Die Oberfinanzdirektion hat erklärt, sie werde die elektronische Überwachung des zeitnahen Erklärungseingangs regeln und Maßnahmen zur Verbesserung des Mahnverfahrens ergreifen.

Arbeitsverteilung

Die Zahl der angeforderten Steuererklärungen und Festsetzungen entwickelte sich in den Jahren 2000 bis 2004 in den einzelnen im Wesentlichen gleichbesetzten Arbeitsgebieten beider Finanzämter sehr unterschiedlich. Dieser orientiere sich an den örtlichen Gegebenheiten. In Ballungsräumen fielen mehr Erbschaften als in anderen Regionen an.

Darüber hinaus hat sie erklärt, sie strebe die Erstellung eines Katalogs mit Kriterien für die Anforderung von Steuererklärungen an. Die Anregung des Rechnungshofs, den Zuschnitt der Arbeitsgebiete durch die Übertragung von Zuständigkeiten für größere Bezirke zu ändern, um eine flexiblere Arbeitsverteilung zu ermöglichen, werde sie zunächst nicht aufgreifen. Schwankungen bei der Arbeitsmenge könnte durch personelle Verschiebungen im Mitarbeiterbereich, insbesondere durch arbeitsgebietsübergreifend tätige Mitarbeiter, Rechnung getragen werden.

Hierzu ist anzumerken, dass die Zuordnung von Mitarbeitern zu mehreren Arbeitsgebieten einen höheren Abstimmungsaufwand erfordert und die Wahrnehmung von Führungsaufgaben erschwert.

Zentrale Vorlaufstelle

Um den Zeitraum bis zur Festsetzung der Erbschaftsteuer zu verkürzen und eine gleichmäßige Auslastung der Arbeitsgebiete sicherzustellen, sollte eine zentrale Vorlaufstelle eingerichtet werden. Sie sollte diejenigen Fälle ermitteln, in denen voraussichtlich Steuern anfallen, die Steuererklärungen nach einheitlichen Vorgaben anfordern und deren fristgerechten Eingang überwachen. Anschließend könnte die zentrale Vorlaufstelle die Steuererklärungen den Arbeitsgebieten zur weiteren Bearbeitung zuweisen. Die Änderung der Organisation ließe sich ohne zusätzliches Personal verwirklichen.

Die Oberfinanzdirektion hat erklärt, sie wolle in jedem Erbschaftsteuerfinanzamt eine zentrale Vorlaufstelle einrichten, die aber keine materiell-rechtlichen Prüfungen vornehmen solle. Insbesondere die Entscheidung, ob eine Steuererklärung anzufordern sei, müsse weiterhin von den Arbeitsgebieten getroffen werden, da sie Erfahrung und eine fundierte steuerliche Ausbildung voraussetze.

Zur Erledigung der vorgeschlagenen Arbeiten könnten der zentralen Vorlaufstelle erfahrene und steuerlich gut ausgebildete Mitarbeiter zugeordnet werden.

Bearbeitung von Einsprüchen

Die Arbeitsgebiete erledigten die Einsprüche gegen Steuerfestsetzungen in eigener Zuständigkeit. Die Zahl der nicht abgeschlossenen Verfahren nahm von Anfang 2000 bis Ende 2004 um mehr als 25 % zu.

Die Aufgaben könnten durch eine zentrale Rechtsbehelfsstelle wirtschaftlicher erledigt werden.

Die Oberfinanzdirektion hat erklärt, dem Vorschlag, Einsprüche zentral zu bearbeiten, werde gefolgt.

Vollverzinsung

Als Folge einer nicht zeitnahen Festsetzung der gesetzlich geschuldeten Steuern erlangen Steuerpflichtige Zins- und Liquiditätsvorteile, die nicht vom Land abgeschöpft werden können. Denn Erbschaft- und Schenkungsteuerforderungen werden anders als Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuerforderungen 7) nicht vollverzinst. In der Begründung zum Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1990 wurde darauf hingewiesen, dass die Erbschaftsteuer Besonderheiten aufweise, die eine Vollverzinsung der Steuerforderungen ungeeignet erscheinen lassen. So könnten durch die Ermittlung der Erben oder des Nachlassvermögens oder durch langwierige Erbschaftsprozesse Verzögerungen eintreten.

Der Rechnungshof hat bei mehr als 6.200 Steuerfestsetzungen die Auswirkungen der fehlenden Vollverzinsung untersucht. Diese beliefen sich allein in einer geringen Anzahl von Fällen mit nicht unerheblichen Vermögenswerten, die der Betriebsprüfung unterlagen, auf 3,5 Mio.. Insgesamt erzielten die Steuerpflichtigen Zins- und Liquiditätsvorteile von mehr als 6 Mio.. 7) Vgl. § 233a Abgabenordnung (AO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866, ber. 2003 I S. 61), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2809). 8)

Die allgemeine Verzinsung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern, die zum gleichen Zeitraum entstehen, bei den einzelnen Steuerpflichtigen, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Die Verzinsung sowohl von Steuernachforderungen als auch von Steuererstattungen wird steuerrechtlich als Vollverzinsung bezeichnet. Bundestags-Drucksache 11/2157 S. 195.