Entführung eines mutmaßlichen Terroristen aus Italien über Ramstein, den Hauptstützpunkt (MOB/Main Operating Base) der amerikanischen Luftstreitkräfte in Europa

Die Entführung des ägyptischen Imam A. O. bzw. Hassan Mustafa O. N. durch die CIA erfolgte über Ramstein, den Hauptstützpunkt der amerikanischen Luftstreitkräfte in Europa.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage konnte sich das von dem US-Geheimdienst CIA gecharterte Flugzeug mit dem Entführten im deutschen Luftraum bewegen und die US-Air Base Ramstein für den Weitertransport nutzen?

2. Legt die Landesregierung bei der Beantwortung der oben beschriebenen Vorgänge die Auffassung zugrunde, dass die Nutzung der Air Base Ramstein durch die US-Regierungsbehörde CIA für Gefangenentransporte unter das NATO-Truppenstatut fällt?

3. Ist der Landesregierung bekannt, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. Juni 2005 ­ 2 WD 12.04 ­ hinsichtlich der sich aus demNATO-Truppenstatut und dem Zusatzabkommen ergebenen Grenzen der Bewegungsfreiheit von Luftfahrzeugen der in Deutschland stationierten US-Streitkräfte entschieden hat: „Die Regelung des Art. 57 Abs. 1 Satz 1 ZA-NTS (Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut) ­ und zwar sowohl in ihrer Ursprungsfassung als auch in der Neufassung von 1994 ­ betrifft zudem, wie sich schon aus ihremWortlaut ergibt, nur die Bewegungen von Luftfahrzeugen einer „Truppe" (sowie eines „zivilen Gefolges" ihrer „Mitglieder und Angehörigen"), mithin also nicht jede „Einreise" von Militärluftfahrzeugen aus einem Vertragsstaat in die Bundesrepublik Deutschland. Was im Sinne dieser Vorschrift als „Truppe" zu verstehen ist, ist in Art. I Abs. 1 Buchst. a) des NATO-Truppenstatuts definiert: „Truppe" ist danach das zu den Land-, See- oder Luftstreitkräften gehörende Personal einer Partei (des NATO-Truppenstatuts), „wenn es sich im Zusammenhang mit seinen Dienstobliegenheiten in dem Hoheitsgebiet" einer Vertragspartei, hier also Deutschlands, „befindet". Es geht also bei der durch Art. 57 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZA-NTS unter bestimmten Voraussetzungen für Militärflugzeuge von Vertragsstaaten generell genhmigten „Einreise in die Bundesrepublik" und Bewegungsfreiheit „in und über dem Bundesgebiet" allein um die im NATO-Rahmen stationierten Truppenteile (Unterstr.die Fragestellerinnen) (vgl. S.91 des Urteils)?

4. Hat die Landesregierung geprüft, ob es sich bei den mutmaßlichen Flügen von „CIA-Flugzeugen" unter Nutzung der US-genutzten Liegenschaften der Air Base Ramstein oder sonst des deutschen Luftraums um Bewegungen einer Truppe (oder ihres „zivilen" Gefolges oder dessen „Mitglieder und Angehörigen") im Sinne von Art. I Abs. 1 Buchstabe a des NATO-Truppenstatuts handelt? Wenn ja: mit welchem Ergebnis?

5. Wann und von welcher Stelle wurde nach Kenntnis der Landesregierung der mutmaßliche CIA-Flug und seine Zwischenlandung genehmigt?

6. Welche Behörden (des Bundes, z. B. Bundesgrenzschutz und/oder des Landes) führen nach Kenntnis der Landesregierung auf der Air Base Ramstein die zur Wahrung deutscher Belange (hier insbesondere Einhaltung der deutschen Rechtsnormen und die allgemeinen Regeln des Völkerrechts) erforderlichen Maßnahmen durch?

Das Ministerium des Innern und für Sport hat, unter anderem auf der Gundlage von Informationen des Bundesministeriums der Verteidigung, die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 18. Januar 2006 wie folgt beantwortet:

Zu 1. und 5.: Dem Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) ist nicht bekannt, ob die angeblich von der CIA für vermeintliche Gefangenentransporte benutzten Flugzeuge gechartert waren. Zu den Rechtsgrundlagen derartiger Flüge vermochte das BMVg daher keine Auskunft zu geben.

Es stellt jedoch fest, dass Militärluftfahrzeuge fremder Nationen, die in die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel der Landung einfliegen oder sie überfliegen, eine Genehmigung (sogenannte Military Diplomatic Clearance) benötigen.

Für Militärluftfahrzeuge von NATO-Partnern, die in Deutschland oder anderen Orts stationiert sind, können Dauergenehmigungen erteilt werden, die u. a. Personen- und Materialtransport umfassen. Die USA sind im Besitz einer solchen Dauergenehmigung.

Die Dauergenehmigung zur Landung ist auf die sogenannten Alten Länder beschränkt und berechtigt nicht zum Einflug in den Luftraum der sogenannten Neuen Länder und Berlins.

In diesen Fällen ist immer eine Einzelgenehmigung zu beantragen. Lediglich bei einem Überflug dieser Bundesländer sowie für den Einflug nach Berlin zum Besuch von diplomatischen Vertretungen ist für Nationen mit gültiger Dauergenehmigung keine Einzelgenehmigung erforderlich.

Zu 2. und 4.: Nach den der Staatsanwaltschaft Zweibrücken bisher vorliegenden Erkentnissen, insbesondere nach der bisherigen Auswertung der von der Staatsanwaltschaft Mailand im Rechtshilfeweg überlassenen Unterlagen, waren an der Verbringung des Imams A. O. ausschließlich US-Staatsangehörige beteiligt, die mutmaßlich im Auftrag der CIA handelten, nicht jedoch US-Soldaten. CIA-Angehörige sind keine Mitglieder der Truppe im Sinne des NATO-Truppenstatus. Die Strafgerichtsbarkeit für die den fraglichen Flug ausführenden Personen unterliegt daher nicht den Regelungen des NATO-Truppenstatuts.

Ergänzend ist jedoch auf Folgendes hinzuweisen: Sollten die weiteren Ermittlungen ­ wofür es bisher keine Anzeichen gibt ­ den Verdacht begründen, dass an dem Vorgang auf dem US-Flugplatz Ramstein am 17. Februar 2003 auch US-Soldaten in Ausübung ihres Dienstes beteiligt waren, wird insoweit das Vorrecht des Entsendestaates nach Artikel VII Abs. 3 a (ii) NATO-Truppenstatut zu beachten sein.

Zu 3.: Der Landesregierung liegt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Juni 2005 ­ 2 WD 12.04 ­ vor.

Zu 6.: Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind in nationales Recht transformiert und gelten insoweit für alle staatlichen Stellen. Eine eigene behördliche Zuständigkeit hierfür besteht nicht.

Die Bundespolizei nimmt die grenzpolizeilichen Aufgaben nach § 2 Bundespolizeigesetz auf dem Flugplatz Ramstein wahr.

Daneben hat das Polizeipräsidium Westpfalz seit dem vergangenen Jahr auf dem Flugplatz Ramstein für die Wahrnehmung allgemeiner polizeilicher Aufgaben eine sogenannte Sicherheitswache eingerichtet.

Die Rechte und Pflichten der US-Streitkräfte auf deutschem Boden richten sich nach dem NATO-Truppenstatut und dem Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen. Nach Art. II des NATO-Truppenstatuts haben die Truppen und ihr ziviles Gefolge, ihre Mitglieder sowie deren Angehörige die Pflicht, das Recht des Aufnahmestaates zu achten.

Es ist außerdem die Pflicht des Entsendestaates, die hierfür erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Nach §§ 93, 97 und 98 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) kann die Erlaubnis zur Einreise eines ausländischen militärischen Luftfahrzeugs widerrufen werden, wenn u. a. dies im Interesse der Sicherheit und Ordnung sowie der Landesverteidigung der Bundesrepublik Deutschland notwendig ist. Sie ist zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht vorgelegen haben. Bei Flügen, die einer Erlaubnis zur Einreise nicht bedürfen, kann die Einreise untersagt werden, wenn u. a. der Verdacht einer Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung besteht (§ 96 a LuftVZO).