Islamistischer Fundamentalismus und Terrorismus

Islamistischer Fundamentalismus und Terrorismus stellen die großen Bedrohungen des neuen Jahrtausends dar. Um den Schutz seiner Bürger zu gewährleisten, muss der Staat islamistische Strukturen frühzeitig untersuchen und aufdecken sowie Maßnahmen ergreifen, um terroristische Anschläge zu vereiteln. Die Anschläge in Madrid und London haben deutlich gemacht, dass Terroristen Anschläge in Europa durchführen.

Aktuell werden in Deutschland mehr als 170 Ermittlungsverfahren gegen Ausländerextremisten betrieben, zudem wurden bereits in fünf Fällen in Deutschland und im Ausland terroristische Anschläge verhindert.

Nach Erkenntnissen des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes steht fest, dass in Rheinland-Pfalz mindestens 1 300 Ausländer sich in Vereinigungen mit extremistischem Hintergrund organisiert haben, davon mindestens 700 in Organisationen mit islamistischem Hintergrund. Von den 100 Moscheevereinen und Gebetsstätten in Rheinland-Pfalz können bei 20 bis 25 Bezüge zum Islamismus festgestellt werden. Die Milli Görüs e. V. (IGMG) ist mit mehr als 600 Mitgliedern in Rheinland-Pfalz hierbei die bedeutendste Organisation. Im Widerspruch zu ihrer strategisch motivierten Zustimmung zur Integration und zur freiheitlich demokratischen Grundordnung Deutschlands unterstützt sie Bestrebungen, die mit unseren Grund- und Verfassungswerten unvereinbar sind. Über ihre religiösen, kulturellen und sozialen Tätigkeiten nimmt die IGMG Einfluss auf das Leben und die Einstellungen von Muslimen, über ihre Jugendarbeit dabei insbesondere auf Heranwachsende. Von den rheinlandpfälzischen Moscheen gelten 15 als IGMG-Moscheen mit islamistischen Bezügen. Der verbotene „Kalifatsstaat" hat in Rheinland-Pfalz rund 40 Anhänger. Von dem Verbot von Teilorganisationen des Kalifatsstaates waren in Rheinland-Pfalz drei Vereine betroffen. Die Moscheeräume in Bad Kreuznach und Ludwigshafen werden indessen weiterhin von Anhängern des Kalifatsstaates genutzt. Weiterhin gibt es in Rheinland Pfalz einzelne Mitglieder weiterer Organisationen des islamistischen Spektrums, nämlich der islamischen Befreiungspartei „Hizb ut-Tahrir", der Muslimbruderschaft, des islamischen Bundes Palästina (IPB) „Al Aqsa e. V.", der „Hizb Allah" und der Gemeinschaft der Verkündung „Tabligh i-Jamaat".

Als starke extremistische Organisation gilt der Volkskongress KONGRA GEL (früher PKK) mit rund 700 Mitgliedern in Rheinland-Pfalz. Dieser hat in den vergangenen Jahren wiederholt Veranstaltungen und Demonstrationen, insbesondere in der Gegend Ludwigshafen/Mannheim, durchgeführt. Auch nehmen in Rheinland-Pfalz lebende KONGRA GEL-Anhänger oftmals an überregionalen Veranstaltungen der KONGRA GEL teil.

Nach dem Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2004 existieren Anhaltspunkte dafür, „dass einzelne Personen dem militanten Bereich angehören oder zumindest Kontakte zum Mujahedin-Komplex im In- und Ausland unterhalten." Gerade im Hinblick auf die einzelnen Mitglieder islamistischer Organisationen artikuliert der Verfassungsschutz die Befürchtung, dass diese zu einer Radikalisierung der muslimischen Gemeinden beitragen könnten. Zudem kam es in Einzelfällen zu gezielten Rekrutierungen für den Einsatz im Djihad. Die Festnahme zweier mutmaßlicher Al QuaidaDrucksache 14/4899 Landtag Rheinland-Pfalz - 14.Wahlperiode Terroristen in Mainz bzw. Bonn im Januar 2005 macht deutlich, dass Rheinland-Pfalz bereits Vorbereitungs- und Organisationsgebiet terroristischer Aktivitäten ist. In Mainz hatte sich eine terroristische Zelle um den mittlerweile von Generalbundesanwalt angeklagten Hauptverdächtigen gebildet, die von dem in Mainz lebenden mutmaßlichen El-Kaida-Mitglied rekrutiert wurde.

Gerade auch im Hinblick auf die WM 2006 stellen sich hier gesteigerte Erwartungen hinsichtlich der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im Land.

B. Der Landtag stellt fest, dass die Voraussetzungen und Maßnahmen bei der Bekämpfung des islamischen Fundamentalismus und Terrorismus bislang nicht ausreichend sind und intensiviert werden müssen.

Das bestehende gemeinsame Lage- und Analysezentrum zur Terrorabwehr reicht nicht aus, um eine zufrieden stellende Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten und Polizei sicherzustellen. Die Verbindung der „Polizeilichen Informations- und Analysestelle des BKA" (PIAS) mit der „Nachrichtendienstlichen Informations- und Analysestelle des BfV" (NIAS) mittels so genannter Koordinationsforen zum „Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) begünstigt Strukturen, die Reibungsverluste, Kompetenzprobleme und einen erheblichen Koordinationsaufwand mit sich bringen.

Darüber hinaus ist die Erstellung einer bundesweiten Anti-Terror-Datei in Form einer Index-Datei unzureichend. Für einen erfolgreichen Informationsaustausch ist die Einrichtung einer Volltextdatei (ggf. mit indexierten Informationen) sinnvoll und notwendig.

Die Landesregierung muss Maßnahmen ergreifen, um die Bürger effektiv zu schützen.

Damit dem islamischen Terrorismus vorgebeugt werden kann, müssen mögliche Täter, Unterstützer und Strukturen frühzeitig erkannt werden. Zu diesem Zweck müssen extremistische Muslime frühzeitig identifiziert werden. Hierzu ist es notwendig, den Kontakt bzw. die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und muslimischen Gemeinden zu verbessern. Muslimen muss klar sein, dass sie den Integrationsgedanken nachhaltig schädigen, wenn sie Extremisten ermöglichen, unerkannt in unserer Mitte zu leben.

Dabei ist auch zu überprüfen, inwieweit rechtliche Regelungen, etwa des Datenschutzes, einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus und damit verbundener Schwerstkriminalität entgegenstehen.

Die für das Überwachen von Internetcafes und Telefonshops notwendigen Geräte wurden erst nach der Festnahme der beiden mutmaßlichen Terroristen in Mainz und Bonn im Januar 2005 angeschafft. Dies zeigt, dass nach den Anschlägen am 11. September 2001 in New York und in Madrid am 11. März 2004 vorhandene Defizite in der Ausstattung nicht behoben wurden. Zudem arbeiten lediglich zwei Mitarbeiter mit passenden Fremdsprachenkenntnissen beim rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, wobei ein Mitarbeiter über Türkisch-, ein anderer über Arabischkenntnisse verfügt.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass

­ die gemeinsame Datei von Polizei und Nachrichtendiensten zum islamischen Terrorismus und Extremismus mehr ist als eine Aktenfundstellendatei und auch offen verwertbare Erkenntnisse enthält ­ grundlegende Informationen sollten damit zugängig werden, ohne dass weitere individuelle Abfragen notwendig sind,

­ ein gemeinsames Anti-Terrorzentrum geschaffen wird, das in der Lage ist, bei der Zusammenarbeit der 40 eigenständigen Landes- und Bundesbehörden einen echten Beitrag zu leisten; ­ dabei muss die operativ vorteilhafte föderale Sicherheitsarchitektur jedoch gewahrt bleiben,

­ dass der Einsatz der Bundeswehr in begründeten Einsatzlagen auch im Inneren möglich ist. Der Schutzauftrag des Luftraums und ihre Einsatzmöglichkeiten sowie Ressourcen im Falle von Terroranschlägen können nicht bzw. nur unzureichend von Polizei und Feuerwehr erbracht werden,

­ eine Kronzeugenregelung geschaffen wird, die die Aufklärung terroristischer Aktivitäten nachhaltig fördert, jedoch zugleich die missbräuchliche Ausnutzung sanktioniert,

­ eine Beschleunigung des Rechtsmittelverfahrens sowie eine Regelausweisung auf der Grundlage des Ausländerrechts bei Terrorismusverdacht erreicht wird und

­ die Rasterkriterien bei Rasterfahndungen zwischen Bund und Ländern besser koordiniert werden.

D. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

­ die rechtlichen Möglichkeiten zur Ausweisung und Abschiebung von Gefährdern und Hasspredigern unter Einbeziehung der örtlichen Ausländerbehörde, des Landesamtes für Verfassungsschutz, der Polizei und, sofern dies nötig ist, weiterer Stellen systematisch zu prüfen und zu nutzen,

­ die im Inland tätigen einzelnen Anhänger verbotener Organisationen hinreichend zu überprüfen,

­ umgehend zu überprüfen, inwieweit rechtliche Regelungen, etwa des Datenschutzes, einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus und damit verbundener Schwerstkriminalität entgegenstehen,

­ den ausreichenden Einsatz von Dolmetschern und sprachkundigen Experten bei den Sicherheitsbehörden zu gewährleisten,

­ offene Planstellen im Verfassungsschutz und den Staatsschutzeinheiten der Polizei umgehend zu besetzen,

­ durch permanenten Fahndungsdruck die Möglichkeit zur Anschlagsplanung durch terroristische Netzwerke im Vorfeld zu verhindern,

­ Videoüberwachung an ausgewählten öffentlichen Plätzen verstärkt einzusetzen, auch um Terroranschläge zu verhindern bzw. deren Aufklärung zu verbessern,

­ die Bevölkerung über die Gefahr terroristischer Anschläge intensiv aufzuklären und darauf vorzubereiten ­ ein ehrlicher und offener Umgang mit den Gefahren kann Überreaktionen und Panik vorbeugen bzw. verhindern,

­ die Tätigkeit der IGMG im Bereich ihrer religiösen und kulturellen Aktivitäten, insbesondere im Hinblick auf ihre Jugendarbeit in Rheinland-Pfalz, intensiv zu observieren,

­ zu untersuchen, ob in Rheinland-Pfalz eine Verbindung zwischen islamischen Extremisten und kriminellen Organisationen existiert,

­ den Landtag zu unterrichten, warum die im Januar festgenommenen Verdächtigen zunächst durch die Rasterfahndung gefallen sind, und Kriterien für künftige Rastermaßnahmen zu erarbeiten, um diese effektiver zu machen und

­ zu überprüfen, welche technische und personelle Ausstattung zur Terrorismusbekämpfung in Rheinland-Pfalz fehlt und diese Defizite unverzüglich auszugleichen.