Zukunft des Polizeipräsidiums Trier

Nach Presseberichten im Trierischen Volksfreund vom 1. März 2006 bestehen Zweifel, ob ein Neubau des Polizeipräsidiums einer Sanierung des Gebäudes vorzuziehen ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche konkreten Ergebnisse haben die im Zusammenhang mit den gesundheitlichen Belastungen in der Vergangenheit erstellten Gutachten erbracht (bitte alle Gutachten mit allen Ergebnissen aufführen)?

2. Welche konkreten Sanierungsmaßnahmen müssten nach den Ergebnissen dieser Gutachten umgesetzt werden?

3. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Kosten für jede einzelne dieser Maßnahmen (bitte getrennt aufschlüsseln)?

4. Gibt es nach Auffassung der Landesregierung einen über die oben angesprochenen Maßnahmen hinausgehenden Sanierungsbedarf beispielsweise im Hinblick auf Gebäudeerhaltung, Modernisierung oder Kapazitätserweiterung?

5. Welche Sanierungsmaßnahmen sind im Laufe der letzten zehn Jahre durchgeführt worden und was haben sie jeweils gekostet?

6. Welche Gründe sieht die Landesregierung, die einen Neubau des Polizeipräsidiums Trier notwendig machen?

Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 24. März 2006 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Nach Mitteilung des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) sowie des Polizeipräsidiums Trier liegen die nachfolgenden Gutachten und Ergebnisse vor:

­ „Sachverständigengutachten über Abpuderungserscheinungen am Bodenbelag im Dienstgebäude Südallee 3",

­ öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Trier, vom 4. April 2005; (einschließlich Laboruntersuchungen durch Sachverständigenbüro für Fußbodentechnologie, im Auftrag des Polizeipräsidiums Trier und des LBB, Niederlassung [NL] Trier)

Der Sachverständige und der von ihm beauftragte Hilfsgutachter stellen fest, dass der Linoleumfußboden falsch grundgereinigt und eingepflegt wurde, was über chemische Reaktionen zu der Abpuderungserscheinung führt. Als Sanierungsempfehlung sollten die bisher eingebrachten Pflegeprodukte ausgeschwemmt werden und eine fach- und sachgerechte neue Einpflege und Versiegelung erfolgen.

­ „Technischer Bericht über Material- und Raumluftuntersuchungen im 2. OG des Polizeipräsidiums Trier, Südallee 3",

­ Ingenieurgesellschaft für Luft, Abgas-, Bodenanalytik und Umweltfragen, Heitersheim, vom 20. April 2005, im Auftrag des LBB, NL Trier Gegenstand des Gutachtens war die Untersuchung, ob von sichtbaren Staubpartikeln (weiße Abpuderungen auf Bodenbelag) oder gasförmigen Stoffen in der Raumluft eine Gesundheitsgefährdung der Mitarbeiter ausgeht. Es wurden Staubmischproben und Partikelder Bodenbeschichtung untersucht. Gefährdungen konnten nach den Ergebnissen, die auch die Staubkonzentration in der Raum, 5. April 2006 luft einschließen, nicht abgeleitet werden. Eine folgende Raumluftuntersuchung an zwei Messstellen im 2. OG zur Staubbelastung, zu Formaldehyd und zu TVOC (Total Volatile Organic Compounds ­ Gesamtheit der flüchtigen organischen Verbindungen) ergab durchweg Befunde „deutlich unter den aufgeführten Grenz-, Richt- und hygienischen Vorsorgewerten". Der bei der Messreihe aufgefangene Staub wurde einer näheren Untersuchung unterzogen, die eine auffällige Kupferkonzentration in Raum 215 ergab.

­ a) „Arbeitsmedizinische Dokumentation nach Erhebung von Gesundheitsbeschwerden der Beschäftigten in der Südallee 3",

b) „Dokumentation der Nacherhebung nach Auszug aus der Südallee 3", BAD-GmbH, vom 3. Mai und 10. August 2005

a) In vier angebotenen Untersuchungsterminen klagten 88 Personen, deren Arbeitsräume sich über den gesamten Hochhaustrakt in der Südallee 3 verteilen, gegenüber dem Betriebsarzt über Beschwerden.

Ursächlichkeiten konnte der Betriebsarzt nicht feststellen. Er hält fest, dass von den 88 Personen 27 Allergiker sind und bei 20 aufgrund von Eigenanamnese oder medizinischen Bewertungen Zweifel an der Verursachung ihrer Beschwerden durch Arbeitsbedingungen bestehen.

b) Nach Auszug der Mehrzahl der Betroffenen aus dem Dienstgebäude Südallee 3 wurden die im Ersatzgebäude (Güterstraße 37) untergebrachten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer freiwilligen Nachuntersuchung unterzogen, an der 35 Personen teilnahmen. In nahezu 100 % der Fälle konnte eine Besserung oder Heilung (Augen- und Hautreizungen) festgestellt werden.

­ „Bericht über die Innenraumbelastungen an Aldehyden und flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) im Gebäude der Kriminaldirektion Trier",

­ Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht (LUWG), vom 10. Juni 2005, im Auftrag der Unfallkasse Rheinland-Pfalz

Es wurde eine Querschnittsmessung im gesamten Gebäude durchgeführt (acht Messstellen). Zugleich wurden mit einer Emissionsprüfzelle (FLEC) an zwei Stellen Ausgasungen des Linoleum-Fußbodenbelags untersucht. Die Gutachter halten zusammenfassend fest: „Während sich die Aldehydkonzentrationen und die TVOC-Werte in allen Fällen als typisch für Büros erwiesen, zeigten sich in der Einzelbetrachtung in zwei Räumen im 2. OG untypische Konzentrationen für 2-Phenoxyethanol. Die gemessenen Konzentrationen sind im Hinblick auf eine in der Literatur beschriebene Richtwertempfehlung für die Innenraumluft auffällig. Für alle übrigen einbezogenen Räume ergaben sich bei der Untersuchung weder auffällige Werte noch Anhaltspunkte, die auf den Fußboden als Ursache für eine Innenraumbelastung hindeuten."

­ „Bericht über Emissionsmessungen an einer Wandfläche im Raum 702 der Kriminaldirektion in Trier, (Folgegutachten)",

­ Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht (LUWG), vom 29. Juni 2005, im Auftrag der Unfallkasse Rheinland-Pfalz

An zwei Stellen im Dienstgebäude wurden seitens der Gutachter Wandflächen auf Ausgasungen mittels FLEC und parallel am gleichen Messort die Raumluft auf Bestandteile von VOC und Aldehyden untersucht. Festgestellt wurden eine „schwierig zu bewertende" Konzentration von 2-Butoxyethanol, vermutlich aus der Wandbeschichtung, die bei der PCB-Sanierung zur Diffusionsverhinderung aufgebracht worden war, wie auch etwas oberhalb der Richtwerte liegende Konzentrationen von Aldehyden, vermutlich aus dem Bodenbelag und erhöhte TVOC-Werte. Zusammenfassend halten die Gutachter fest, dass die „Wandbeschichtung nicht Ursache für eine gesundheitlich unzuträgliche Innenraumbelastung ist" und dass die erhöhten TVOC-Werte sowie die teils geringfügig, teils deutlich erhöhten Aldehydkonzentrationen witterungsbedingt sein dürften.

­ Blutuntersuchungen einer Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Polizeipräsidiums Trier, Südallee 3, im Auftrag des Gesundheitsamts Trier vom 12. Juli 2005

Ein schriftliches Ergebnis der Blutuntersuchungen liegt nicht vor. Von Vertretern des Gesundheitsamts wurde diesbezüglich jedoch mitgeteilt, dass die Blutuntersuchungen keinerlei Auffälligkeiten erkennen ließen und dass die gemessenen Ergebnisse denen entsprächen, die bei einer Untersuchung der „Normalbevölkerung" zu erwarten gewesen wären.

­ Analysenbericht über Auswertungen von Messungen von VOC in der Raumluft des Dienstgebäudes Südallee 3 per Aktivkohlepassivsammlern, abschließende Bewertung im Auftrag des Gesundheitsamtes Trier, 15. August 2005

Für eine 14-tägige Langzeituntersuchung der Raumluft wurden an elf über das Gebäude verteilten Messstellen spezielle Aktivkohlefilterröhrchen eingesetzt. Untersucht wurden Verbindungen aus den Stoffgruppen Aliphate, Alkohole, Aromaten, CKW, Ester, Ketone und Terpene sowie die Einzelstoffe 2-Pentylfuran und Tetrahydrofuran. Der Amtsarzt teilte hierzu mit, dass die Messungen „keine auffälligen Werte ergeben" hätten.

­ „Gutachten des Instituts für Fußbodentechnik Koblenz zu Beschaffenheit und Zustand der Linoleum-Fußbodenausstattungen im Polizei-Dienstgebäude Südallee 3 einschließlich einer Untersuchung des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu Inhaltsstoffen und Emittenten von Ausbauproben aus dem Bodenaufbau einer Dienststelle in Trier mittels Erfassung der Emissionen an flüchtigen organischen Inhaltsstoffen (VOC) und Lösemitteln",

­ im Auftrag des Landgerichtes Trier (Az: 4 OH 12/05), 22. August 2005, Selbständiges Beweisverfahren auf Antrag des LBB

Der Gutachter, dem seitens des Gerichts eine Vielzahl einzelner Beweisfragen vorgelegt wurden, hält in seinem Gutachten fest, dass „auffällige Konzentrationen an Aldehyden sowie an Aceton vorhanden" sowie „auffällige Konzentrationen an Weichmachern" sowie eines Flammschutzmittels mit erheblichem Potential für Reizwirkungen und für die Auslösung von Befindlichkeitsstörungen vorhanden sind. Zudem sei nicht auszuschließen, dass wegen schwieriger Erfassbarkeit „bei Routineüberprüfungen der Raumluft keine auffälligen Belastungen (durch potentiell vorhandene raumluftbelastende VOC) nachgewiesen" werden könnten. Das Gutachten schließt ohne verbindliche Antwort auf Fragen nach medizinischer Bewertung unter Bezifferung der hierfür aufzuwendenden Kosten mit der Aussage, dass ein sicherer Ausschluss künftiger VOC-Belastungen nur durch Erneuerung des Fußbodenbelags erreicht werden könne.

­ „Bericht über Emissionsmessungen an Wandflächen im Raum 215 der Kriminaldirektion in Trier, (Folgemessung)",

­ Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht (LUWG) vom 5. Oktober 2005, im Auftrag der Unfallkasse Rheinland-Pfalz

Die Untersuchung eines Raumes (Nr. 215) auf schädliche Ausgasungen an zwei Stellen der Wand mittels FLEC und parallele Raumluftmessungen ergeben eine leichte Überschreitung der empfohlenen höchsten TVOC-Konzentration; gesundheitliche Auswirkungen seien nicht zu besorgen. Auffällig war allein die Konzentration von 2-Phenoxyethanol, allerdings auch diese der Bewertung zufolge nicht gesundheitsschädlich. Es wird zusammenfassend festgehalten, „dass die Wandbeschichtung nicht als Ursache für eine gesundheitlich unzuträgliche Innenraumbelastung anzusehen ist."

­ „Toxikologisches und umweltmedizinisches Gutachten zur Gebäudeproblematik im Polizeipräsidium Trier"

­ RWTH Aachen vom 15.11.2005, im Auftrag des LBB, NL Trier

Das Gutachten befasst sich mit der Frage, ob Expositionen im Polizeipräsidium Trier, Südallee 3 vorliegen, die in einem möglichen ursächlichen Zusammenhang mit den seitens der Belegschaft des Gebäudes beklagten Beschwerden stehen können. Es beruht auf der Auswertung aller bis dahin vorliegenden Erkenntnisse und Bewertungen und auf eigenen Erhebungen der Gutachter vor Ort, insbesondere einer umfangreichen arbeitsmedizinischen Befragung der im Gebäude verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Untersuchungen der in Ersatzgebäuden untergebrachten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgten in diesem Rahmen nicht.

Wissenschaftlich begründet wurde dies von den Gutachtern damit, dass es ausgeschlossen sei, retrospektiv entsprechende Untersuchungen anzustellen. Insofern bilden die im Rahmen dieser Untersuchung Befragten ein anderes Kollektiv als die weit überwiegende Mehrzahl der vom Betriebsarzt Untersuchten. Allerdings halten die Gutachter fest, das ihnen Geschilderte decke sich mit dem vom Betriebsarzt dokumentierten Beschwerdebild. Zusammenfassend werden Multikausalität für die Beschwerden angenommen und folgende Schlussfolgerungen gezogen:

1. Alle Prozesse, die seit der PCB-Sanierung zu Expositionen gegenüber Chemikalien geführt haben können, können heute aktuell nicht mehr in allen Einzelheiten zuverlässig ermittelt, beurteilt und bewertet werden, sodass nicht alle Fragen befriedigend und nachvollziehbar beantwortet werden können.

2. Der Linoleumfußbodenbelag setzt möglicherweise nicht nachweisbare Reizstoffe frei.

3. Die raumklimatischen Bedingungen im Gebäude sind unzuträglich.

4. Es wurden Reinigungsmittel eingesetzt, die möglicherweise Reizstoffe freisetzen.

5. Die Unterhaltsreinigung war höchstwahrscheinlich unzureichend; es sammelten sich mit Irritanzien belegte Staubpartikel an.

6. Passivrauchen ist eine Problemquelle.

7. Es gibt einen „overload" an elektronischen Geräten.

8. Allergene Pflanzen sind in den Räumen anzutreffen.

9. Verkehrslärm und Lärm durch Publikumsverkehr belastet.

10. Mitarbeiter sind prädisponiert durch Allergikerstatus.

Zu 2.: Soweit überhaupt konkrete Handlungsempfehlungen gegeben wurden, beschränken sie sich im Wesentlichen auf die Erneuerung des Fußbodenbelags.

Auf der Grundlage insbesondere der Erkenntnisse und Aussagen des umweltmedizinischen Instituts an der RWTH Aachen müsste unter Beteiligung bisheriger Gutachter und unter Heranziehung weiterer Experten eine umfassende Sanierung des Dienstgebäudes durchgeführt werden. Hierzu wäre zunächst ein Rückbau wesentlicher Teile des Innenausbaus erforderlich ­ bis hin zur Rückführung auf den Rohbau. Anschließend wäre ein behutsamer, von Umweltmedizinern begleiteter Wiederaufbau erforderlich.

Zu 3.: Die Landesregierung hat bezüglich der Sanierungskosten keine eigenen Erkenntnisse.

Nach Mitteilung des LBB müssen für eine Komplettsanierung des Innenausbaus nach vorherigem Rückbau bis auf die Tragkonstruktion sowie Neuaufbau ca. 8,4 Mio. veranschlagt werden.

Bei dieser Komplettsanierung würden auch die aus umweltmedizinischer Sicht sekundär-belastenden Anstrichsysteme mit einbezogenen und konsequent einschließlich Wandaufbauten erneuert. Auch der komplette Fußbodenaufbau (inklusive Oberbelag und Estrich) müsste neu hergestellt werden. Hierdurch wäre auch eine vollständige Erneuerung des ohnehin abgängigen Heizungssystems erforderlich. Darüber hinaus würde die gesamte Elektroinstallation zu erneuern sein.

Die o. g. Kosten der Sanierung wurden anhand von Bruttoflächenrichtwerten ermittelt und nicht aus Einzelkalkulationen der betreffenden Gewerke. Die Kosten hierfür beliefen sich auf ca. 5,4 Mio..

Zu 5.: Nach Mitteilung des LBB wurden in der Vergangenheit die nachfolgend aufgezählten Maßnahmen durchgeführt:

­ erforderliche Bauunterhaltungsmaßnahmen ca. 1,257 Mio.

­ größere Sanierungs-/Instandhaltungsmaßnahmen wie z. B. der Einbau eines neuen kriminaltechnischen Labors (Umsetzung der Biostoffverordnung)/neuer Einsatzleittisch/Grundrissveränderungen etc. ca. 1,239 Mio.

­ Schadstoffsanierungen (PCB/Asbest) ca. 1,629 Mio.

Zu 6.: Bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegen bzw. lagen ärztlich attestierte, teils gravierende Erkrankungen vor. Die arbeitsmedizinische Erhebung des Betriebsarztes vom 3. Mai 2005 ergab 88 akut über Beschwerden klagende, im Hochhaustrakt eingesetzte Bedienstete. Darüber hinaus gibt es einzelne Erkenntnisse über privatärztliche Feststellungen. Nach Umzug in ein Ausweichgebäude sind die Beschwerden der dort Untersuchten weitestgehend abgeklungen.

Die Begutachtungen insbesondere durch das Institut für Hygiene und Umweltmedizin der RWTH Aachen haben gezeigt, dass eine zuverlässige Ermittlung der konkreten Ursachen für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter letztlich nicht möglich ist, sondern vielmehr von multikausalen, nicht in allen Einzelheiten zuverlässig feststellbaren Faktoren auszugehen ist. Bereits dessen erste Schlussfolgerung führt zu der Feststellung, dass keine sichere Erfassung aller entscheidenden gesundheitsbeeinträchtigenden Faktoren möglich ist.

Insofern kann auch nicht sichergestellt werden, dass möglicherweise bislang nicht erkannte pathogene Faktoren selbst bei einer Komplettsanierung vollständig eliminiert würden.