Übertragung der Verwaltung der Tierseuchenkasse auf die Landwirtschaftskammer

Die Tierseuchenkasse Rheinland-Pfalz ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie nimmt zu einem großen Teil Aufgaben im öffentlichen Interesse wahr, die mit Unterstützung aus Landesmitteln finanziert werden, beispielsweise Entschädigungsleistungen beim Verlust von landwirtschaftlichen Nutztieren aufgrund einer anzeigepflichtigen Tierseuche oder die finanzielle Unterstützung tierseuchenrechtlich vorgeschriebener Maßnahmen der Veterinärbehörden zur Bekämpfung von Tierseuchen. Aufgrund dieser hoheitlichen und veterinärfachlichen Ausrichtung der Aufgaben sowie der daraus folgenden engen Verzahnung mit den Aufgaben der Veterinärbehörden wird die Verwaltung der Tierseuchenkasse bisher sinnvollerweise unentgeltlich von der Veterinärabteilung im Ministerium für Umwelt und Forsten geleistet. Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz fordert, dass das Land die Verwaltung der Tierseuchenkasse auf sie übertragen und die Kosten voll erstatten soll. Die Landesregierung beabsichtigt, das Landestierseuchengesetz dahin gehend ändern zu lassen, dass die Übertragung der Verwaltung der Tierseuchenkasse auf die Landwirtschaftskammer erfolgen kann.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Vor- und Nachteile würden sich aus veterinärfachlicher Sicht der Landesregierung bei einer Übertragung der Verwaltung der Tierseuchenkasse auf die Landwirtschaftskammer ergeben?

2. Welche Auswirkungen hätte die Übertragung der Aufgaben auf die Landwirtschaftskammer auf die Effizienz der Verwaltungsund Kommunikationsabläufe zwischen den Veterinärbehörden (Ministerium für Umwelt und Forsten, Landesuntersuchungsamt, Kreisveterinärämter) und der Tierseuchenkasse bei einer Übertragung der Verwaltung der Tierseuchenkasse auf die Landwirtschaftskammer?

3. Welche organisatorischen und fachlichen Anforderungen an die Verwaltung der Tierseuchenkasse sind aus der Sicht der Landesregierung unabdingbar, damit eine rationelle und kompetente Aufgabenerledigung gewährleistet werden kann?

4. Auf welchen Betrag beziffert die Landesregierung ihren Aufwand für die Verwaltung der Tierseuchenkasse bezogen auf ein Jahr?

5. Welchen jährlichen Betrag zum Ausgleich des Verwaltungsaufwandes beabsichtigt die Landesregierung im Falle der Übertragung der Verwaltung der Tierseuchenkasse an die Landwirtschaftskammer zu gewähren?

6. Welche finanziellen oder sonstigen Vor- oder Nachteile würden sich für die beitragspflichtigen Tierhalter bei einer Übertragung der Verwaltung der Tierseuchenkasse auf die Landwirtschaftskammer ergeben?

7. Welche Haltung hat die Vertreterversammlung der Tierseuchenkasse bisher zur beabsichtigten Übertragung der Verwaltung der Tierseuchenkasse auf die Landwirtschaftskammer eingenommen?

Das Ministerium für Umwelt und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 30. Januar 2002 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung: § 71 des Tierseuchengesetzes (TierSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1995 (BGBl. I S. 2038, geändert durch Artikel 2 § 24 des Gesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) überlässt den Ländern die Regelung, wer die Entschädigung für Tierverluste gewährt. Bei der Organisation besteht für die Bundesländer ein weiter Gestaltungsspielraum. Die einzelnen Bundesländer haben dementsprechend von § 71 TierSG in unterschiedlicher Art und Weise Gebrauch gemacht. Die Tierseuchenkassen sind teils als nicht rechtsfähige Sondervermögen, teils als Anstalten des öffentlichen Rechts eingerichtet. Bei den nicht rechtsfähigen Sondervermögen liegt die Verwaltung bei den für das Veterinärwesen oder für die Landwirtschaft zuständigen Behörden. Mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz regeln in den Fällen, in denen die Tierseuchenkassen Anstalten des öffentlichen Rechts sind, diese ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung; die Verwaltung wird aber in einigen Bundesländern von den zuständigen Fachministern bestimmt. In Rheinland-Pfalz verwaltet das für das Veterinärwesen zuständige Ministerium die Tierseuchenkasse. Nennenswerte Unterschiede in der Effizienz der Verwaltung, die auf der Organisationsform beruhen, können nicht festgestellt werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Fragen 1 bis 3:

Der Entscheidung, die Verwaltung der Tierseuchenkasse Rheinland-Pfalz auf die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz zu übertragen, lag keine veterinärfachliche Motivation zu Grunde. Selbstverständlich muss die zukünftige Verwaltung unter Beachtung der veterinärfachlichen Belange durchgeführt werden. Dies ist durch folgende organisatorische und fachliche Anforderungen sicherzustellen:

­ Anstellung einer hauptamtlichen Tierärztin oder eines hauptamtlichen Tierarztes,

­ die Verwaltungsleitung muss in Händen der Tierärztin oder des Tierarztes liegen,

­ Anstellung einer Verwaltungsfachkraft mit der Laufbahnprüfung für den mittleren Verwaltungsdienst,

­ Weisungsfreiheit der Verwaltung der Tierseuchenkasse gegenüber der Landwirtschaftskammer,

­ Repräsentation der Fachkompetenz in der Vertreterversammlung,

­ Weisungsfreiheit der Vertreterinnen und Vertreter gegenüber der endsendenden bzw. vorschlagenden Stelle.

Inwieweit diese organisatorischen Anforderungen, die im Gesetz bzw. in einer mit der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz zu schließenden öffentlich-rechtlichen Vereinbarung festzulegen sind, einer Ergänzung bedürfen, wird nach den Erfahrungen der Praxis festzulegen sein.

Wie sich die Kommunikationsabläufe zwischen der Tierseuchenkasse und dem Ministerium für Umwelt und Forsten entwickeln werden, wird ebenfalls die Praxis zeigen. Auswirkungen der Übertragung der Verwaltung auf die Kommunikationsabläufe zwischen der Tierseuchenkasse und den unteren Veterinärbehörden bzw. dem Landesuntersuchungsamt können nicht erkannt werden.

Zu Frage 4: Der Aufwand des Landes für die Verwaltung der Tierseuchenkasse beläuft sich derzeit auf 81 807 (160 000 DM)/Jahr.

Zu Frage 5: Es ist beabsichtigt, dass die Landwirtschaftskammer in den ersten beiden Jahren nach Übertragung der Verwaltung vom Land je 97 145 (190 000 DM) erhält. Nach zwei Jahren wird die Erstattung mit dem Ziel einer degressiven Fortschreibung überprüft.

Zu Frage 6: Aussagen zu Auswirkungen finanzieller Art können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht getroffen werden. Sonstige Vor- und Nachteile sind ebenfalls nicht abschätzbar, da die Beurteilung ganz wesentlich von den Beschlüssen der Vertreterversammlung abhängt.

Zu Frage 7: Die Vertreterversammlung der Tierseuchenkasse Rheinland-Pfalz hat in ihrer Sitzung vom 4. Mai 2000 eine Resolution gefasst, in der sie sich für die Beibehaltung der Verwaltung der Tierseuchenkasse durch das Land ausspricht.

Die bäuerlichen Vertreter in der Vertreterversammlung der Tierseuchenkasse, die die Mehrheit in der Vertreterversammlung besitzen, beabsichtigen allerdings in ihrer nächsten Sitzung die Vorlage eines Beschlussantrages, in dem der Übertragung der Verwaltung der Tierseuchenkasse auf die Landwirtschaftskammer zugestimmt wird.