Nutzung der Wasserkraft in Rheinland-Pfalz

Ausweislich der Koalitionsvereinbarung für die 14. Wahlperiode des rheinland-pfälzischen Landtags sehen die Koalitionspartner im Bereich der regenerativen Energien, insbesondere auch in der Wasserkraft, beachtliche Energiepotentiale, die verstärkt genutzt werden sollen. Im Energiebericht der Landesregierung vom 15. Mai 2001 wird festgestellt, dass es sich bei den rheinland-pfälzischen Wasserkraftwerken um wirtschaftlich arbeitende und wettbewerbsfähige Anlagen handele, zusätzliche Standorte für große Wasserkraftanlagen in Rheinland-Pfalz aber nicht mehr vorhanden seien. Ziel der Landesregierung bleibe es daher, dass die bestehenden Wasserkraftstandorte durch Modernisierungen und Erweiterungen optimal ausgenutzt werden.

Zweifellos stelle die Nutzung von Wasserkraft einen Eingriff in Natur und Landschaft dar. Andererseits ermögliche sie aber eine ressourcenschonende und abgasfreie Energieerzeugung. In diesem Zusammenhang erwähnt der Energiebericht insbesondere die Reaktivierung von Wasserrechten zur energetischen Nutzung von Klein-Wasserkraftanlagen. Der Ausbau dieser Wasserkraftnutzung komme, obwohl in Rheinland-Pfalz bislang nur ein Teil des technisch nutzbaren Potentials ausgeschöpft sei, in den letzten Jahren nicht entscheidend voran. Im Ministerium für Umwelt und Forsten werde derzeit die mittlerweile abgeschlossene Bestandsaufnahme bei 850 bestehenden, aber ungenutzten Wasserrechten im Hinblick auf ein reaktivierbares Wasserkraft-Potential ausgewertet (Drucksache 13/7024).

Die nach § 29 Bundesnaturschutzgesetz anerkannten rheinland-pfälzischen Landespflegeverbände haben bereits im Oktober 1999 eine kritische Position zum Ausbau von Wasserkraftanlagen bezogen und auf erhebliche Beeinrächtigungen für die Gewässerökologie hingewiesen. Insofern sind sie den Zielen und dem Vorgehen der Landesregierung entgegengetreten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. WieschätztdieLandesregierungenergiepolitisch,ökonomischundökologischdenStellenwert der Wasserkraftnutzung in Rheinland-Pfalz ein?

2. Worin sieht sie die Grenzen, Risiken und Beeinträchtigungspotentiale der Wasserkraftnutzung in Rheinland-Pfalz?

3. Wie viele Wasserkraftwerke (differenziert nach Leistungsklassen bzw. Größenordnungen und insgesamt) befinden sich derzeit in Rheinland-Pfalz?

4. Wie haben sich Anlagenzahl (Differenzierung wie vor) und die installierte Gesamtleistung in den letzten zehn Jahren entwickelt?

5. An welchen Standorten (Gewässern) finden sich die rheinland-pfälzischen Wasserkraftanlagen (Differenzierung wie vor)?

6. Wie hat sich der Beitrag der Wasserkraftnutzung zur Stromerzeugung durch erneuerbare Energien in den letzten zehn Jahren bis heute absolut und anteilig entwickelt? Welche Ziele hat sich die Landesregierung für die Zukunft gesetzt, welchen Beitrag hält sie für erreichbar?

7. Welche Möglichkeiten und Potentiale der Nutzungsgraderweiterung sieht die Landesregierung im Sinne der Aussage des Energieberichtes, die bestehenden Wasserkraftstandorte durch Modernisierung und Erweiterungen optimal auszunutzen?

8. Welche Ziele hat sich die Landesregierung insoweit gesetzt, welchen Zeitplan verfolgt sie dabei? Welche Maßnahmen sind hierzu mit welchen Ergebnissen bisher ergriffen worden?

9. Wo und in welchem Umfang wurden in den letzten zehn Jahren und werden zurzeit Errichtungen, Erweiterungen oder Modernisierungen von Wasserkraftwerken in Rheinland-Pfalz (Differenzierung wie vor) vorgenommen bzw. sind für die nächste Zukunft geplant?

10. In welcher Größenordnung liegen der Landesregierung entsprechende Förderanträge vor?

11. In welcher Höhe wurden hierfür in wie vielen Fällen jeweils und insgesamt Fördermittel gegenüber dem beantragten Fördervolumen bewilligt?

12. An welchen Gewässern befinden sich derzeit an welchen Standorten und in welchem Umfang ungenutzte Wasserrechte, die reaktivierbar wären (Differenzierung wie vor)? Welche Ergebnisse hat die Bestandsaufnahme des Umweltministeriums hierzu erbracht?

13. In welchem Umfang wurden diese Wasserrechte in den letzten zehn Jahren zur energetischen Nutzung durch Wasserkraftanlagen reaktiviert und sind derartige Reaktivierungen für die nächste Zukunft geplant (Differenzierung wie vor)?

14. Wie beurteilt die Landesregierung das Reaktivierungspotential bisher ungenutzter Wasserrechte, welche Ziele verfolgt sie, und wie stellt sie sich das weitere Vorgehen vor?

15. Inwieweit, mit welchen Perspektiven und in welchen Grenzen hält die Landesregierung den Ausbau und die Wiederinbetriebnahme kleiner Wasserkraftwerke für sinnvoll bzw. ökologisch verträglich? Inwieweit und nach welchen Kriterien ist in der Abwägung von Nutzen und Schaden die Sinnhaftigkeit und Verträglichkeit zu bejahen oder zu verneinen?

16. Inwieweit, mit welchen Perspektiven und in welchen Grenzen hält die Landesregierung die Reaktivierung ungenutzter Wasserrechte für sinnvoll bzw. ökologisch verträglich?

17. Wie ist der Interessenkonflikt zwischen der im Energiebericht positiv beurteilten Nutzung von Wasserkraft und den vom Umweltministerium unterstützten Maßnahmen zur Erhaltung naturnaher Bach- und Flussläufe zu beurteilen?

18. Welche Konsequenzen hat dies für die praktischen politischen Entscheidungen?

19. Ist der Landesregierung eine Studie des Umweltbundesamtes über die Umweltverträglichkeit insbesondere von kleinen Wasserkraftwerken bekannt?

20. Wie bewertet die Landesregierung die entsprechenden Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Umweltverträglichkeit von kleinen Wasserkraftwerken?

21. Welche Konsequenzen hat dies für die praktische Politik in Rheinland-Pfalz?

22. In welchem Umfang und mit welchen Ergebnissen hat die Landesregierung Maßnahmen zur Feststellung der von Wasserkraftanlagen verursachten ökologischen Beeinträchtigungen ergriffen?

23. Welche Erkenntnisse liegen ihr im Einzelnen hinsichtlich möglicher und tatsächlicher Beeinträchtigungen für Fließgewässer und ihr Lebensumfeld vor?

24. Inwieweit liegen der Landesregierung in diesem Zusammenhang insbesondere Erkenntnisse bezüglich der Beeinträchtigung von Fließgewässern durch den Einsatz von Turbinenantrieben vor?

25. Ist es richtig, dass seitens des Wirtschaftsministeriums Fördermittel für Wasserkraftanlagen vor und vorbehaltlich einer noch zu erteilenden wasserrechtlichen Genehmigung und einer damit verbundenen Umweltverträglichkeitsprüfung vergeben werden?

26. In welcher Höhe und in wie vielen Fällen wurden derartige Förderzusagen ggf. erteilt?

27. Würde die Landesregierung der Ansicht zustimmen, dass man in einem solchen Verfahren eine Präjudizierung des weiteren Verfahrens sehen kann und damit eine Druckausübung auf die Genehmigungsbehörden ermöglicht wird?

28. Wenn nein, warum wird dann ggf. so verfahren?

29. Wenn ja, sind derartige Wirkungen so gewollt?

30. Sind ihr entsprechende Fälle bekannt oder vorgetragen worden?

31. Wie reagiert die Landesregierung auf die gemeinsame Position der anerkannten Umweltverbände gegenüber dem Ausbau von Wasserkraftanlagen vom Oktober 1999?

32. Inwieweit werden diese Positionen und Forderungen berücksichtigt, inwieweit und aus welchen Gründen nicht?

33. In welcher Form und inwieweit werden Bedenken hinsichtlich der ökologischen Verträglichkeit von Wasserkraftanlagen in die entsprechenden Genehmigungsverfahren einbezogen?

34. In welchem Umfang und in welchen und wie vielen Fällen und aus welchen Gründen wurde und wird auf Planfeststellungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfung im Zusammenhang mit der Genehmigung von Wasserkraftanlagen verzichtet?

35. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Reaktivierung alter, ungenutzter Wasserrechte zur Errichtung neuer Wasserkraftanlagen die Gewässerstruktur erheblich verändert?

36. Ist in solchen Fällen ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich?

37. Wie beurteilt die Landesregierung das Verhältnis von ökologischem Nutzen und Schaden durch Wasserkraftanlagen in Relation zur Größenordnung bzw. Leistungskraft der Anlage?

38. Welche Vorgaben oder Empfehlungen gibt es seitens der Landes im Zusammenhang mit der Genehmigung von Wasserkraftanlagen?

39. Welchen Inhalts sind diese, und wie reagiert die Landesregierung auf die vorgetragene Kritik an einem sog. Leitfaden hierzu?

Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau hat die Große Anfrage namens der Landesregierung

­ Zuleitungsschreiben des Chefs der Staatskanzlei vom 1. Februar 2002 ­ wie folgt beantwortet:

Die Energiepolitik der Landesregierung geht davon aus, dass die langfristige Sicherung der Energieversorgung eine der wesentlichen Aufgaben zur Gestaltung unserer Zukunft ist. Wesentliche Kriterien sind dabei die Wirtschaftlichkeit sowie die notwendige Umweltverträglichkeit bei der Erzeugung und beim Einsatz von Energie.

Bei dieser Zielrichtung und in der Verantwortung auch für zukünftige Generationen müssen die vorhandenen Energieträger sparsam eingesetzt werden. Darüber hinaus ist es notwendig, durch den verstärkten Einsatz schadstoffarmer Energieträger sowie erneuerbarer Energien die Umweltauswirkungen zu reduzieren. Da die fossilen Energieträger nicht unendlich verfügbar sind, kommt der Nutzung erneuerbarer Energien eine besondere Bedeutung zu.

Der dominierende regenerative Energieträger ist die Wasserkraft. Diese ist eine der ältesten Energiequellen; seit mehr als zwei Jahrtausenden wird die Kraft des Wassers genutzt, um zunächst Mühlen und Schmieden zu betreiben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die direkte Umwandlung in mechanische Energie mehr und mehr durch die Elektrizitätserzeugung abgelöst.

Der Anteil der Wasserkraft an der Nettostromerzeugung der öffentlichen Versorgung liegt in Rheinland-Pfalz bei rund 18 %; dies ist weit mehr als mit Sonnenenergie, Windkraft oder anderen regenerativen Energien erzeugt wird. Bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft entstehen keinerlei Schadstoffe. Allein im Jahr 2000 wurden in Rheinland-Pfalz durch den Einsatz der Wasserkraft anstelle fossiler Energieträger wie Steinkohle 1,2 Mio. Tonnen CO2 vermieden.

Demgegenüber steht die Tatsache, dass mit dem Bau von Wasserkraftwerken ein Eingriff in Natur und Landschaft verbunden ist.

Daher liegen die Potentiale zur Ausweitung der Nutzung der Wasserkraft vor allem in der Erweiterung und Modernisierung, aber auch in der Reaktivierung noch bestehender Anlagen. Hierbei kommt es darauf an, in jedem Einzelfall die unterschiedlichen Interessen der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien und des Schutzes naturnaher Gewässerstrecken gegeneinander abzuwägen.

1. Wie schätzt die Landesregierung energiepolitisch, ökonomisch und ökologisch den Stellenwert der Wasserkraftnutzung in Rheinland Pfalz ein?

2. Worin sieht sie die Grenzen, Risiken und Beeinträchtigungspotentiale der Wasserkraftnutzung in Rheinland-Pfalz?

Die erneuerbaren Energien werden nur dann einen wirksamen Beitrag zur Energieversorgung leisten können, wenn alle Systeme zur Nutzung erneuerbarer Energien im Rahmen der Möglichkeiten in Abwägung mit anderen Umweltzielen ausgebaut und genutzt werden.

Die Wasserkraft dominiert bislang die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Im Jahr 2000 wurden in Rheinland-Pfalz 1 705

Gigawattstunden (GWh) Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt. Der Beitrag der Wasserkraft entsprach dabei einem Anteil von 71,6 %. Dementsprechend misst die Landesregierung der Wasserkraftnutzung bei der Energiegewinnung aus regenerativen Energieträgern einen hohen Stellenwert bei. Der Vorteil der Wasserkraftnutzung liegt darin, dass Emissionen, wie sie bei Wärmekraftwerken üblich sind, nicht vorkommen. Entsorgungsprobleme für Filterstäube und Verbrennungsrückstände existieren ebenfalls nicht. Die Wasserkraft liefert eine je nach Flussgebiet und jahreszeitlichem Wasserangebot mehr oder weniger konstante Grundlast und trägt dadurch zur Leistungsabsicherung der Energiegewinnung bei.

Im Gegensatz zu anderen regenerativen Energien wie z. B. Fotovoltaik oder Windenergie mit ihren teilweise erheblichen Leistungsund Verfügbarkeitsschwankungen ist dies ein bedeutender Vorteil der Wasserkraftgewinnung. Die Wasserkraftnutzung findet jedoch dort ihre Grenzen, wo ihre negativen ökologischen Auswirkungen in keinem Verhältnis mehr zu dem wirtschaftlichen Interesse des Betreibers und den Vorteilen für den Klimaschutz sowie der Schonung fossiler Energievorräte stehen.