Welche störungsspezifischen Behandlungsangebote gibt es?

In der Klinik für forensische Psychiatrie des Pfalzklinikums gibt es für die minderbegabten Personen ein spezielles heilpädagogisches Konzept, für schizophren erkrankte Patientinnen und Patienten besondere therapeutische und psychoedukative Gruppen.

Für Personen, die Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen haben, gibt es eigene psycho- und soziotherapeutische Angebote. Die suchtkranken Personen werden auf zwei Stationen, deren Behandlungskonzept aufeinander aufbaut, mit einem spezifischen suchttherapeutischen Konzept behandelt.

Ergänzt werden die therapeutischen Angebote je nach Bedarf um Aggressions-Konfliktbewältigungsgruppen, in denen die Erlangung sozialer Fähigkeiten geübt wird. Daneben gibt es freizeitpädagogische Angebote und Gruppen zur Einübung lebenspraktischer Fertigkeiten. Die Wiedereingliederung in die Gesellschaft wird bei günstiger Prognose in der offenen Wohngruppe erprobt und durch Beurlaubungen nach Hause oder in andere psychiatrische Einrichtungen überprüft.

Die forensische Abteilung „Nette-Gut" der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach hat ein spezifisches Behandlungsangebot für drogenabhängige Personen entwickelt. Dieses Behandlungskonzept berücksichtigt die lange, häufig kriminelle Karriere der untergebrachten Personen und die sich in diesem Milieu entwickelnden Verhaltensauffälligkeiten.

Die Behandlungsangebote für die nach § 63 Strafgesetzbuch untergebrachten Personen sind mit denen des Pfalzklinikums vergleichbar. Die Behandlungsmaßnahmen bestehen aus einem komplexen Angebot von medizinisch-medikamentöser Therapie, psychotherapeutischer Einzeltherapie, gruppentherapeutischen Behandlungen sowie störungsspezifischen Trainingsgruppen, Informations- und organisationsorientierten Gruppen sowie heilpädagogischer Förderung und Entspannungsverfahren. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch die Angebote der Arbeitstherapie, der Sport- und Bewegungstherapie, der schulischen Förderung, der Sozialpädagogik und Sozialarbeit.

Das Nette-Gut ist insgesamt in drei Organisationseinheiten untergliedert, die jeweils einen eigenen Schwerpunkt setzen und ein spezifisches Behandlungsangebot entwickeln.

Da in der forensischen Abteilung der Rheinhessen-Fachklinik Alzey ausschließlich Personen, die nach § 63 StGB untergebracht sind, behandelt werden, sind die hier entwickelten Behandlungskonzepte mit denen des Pfalzklinikums und des Nette-Gutes vergleichbar.

8. Welche Studien gibt es zur Überprüfung des Behandlungserfolges? Welche Unterschiede gibt es für die einzelnen Störungsbilder?

Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus diesen Ergebnissen?

Der Erfolg und der Misserfolg der Behandlung im Maßregelvollzug wird in aller Regel daran gemessen, ob die entlassene Person aufgrund ihrer psychischen Erkrankung oder ihrer Suchterkrankung wieder straffällig wird oder ob sie ein straffreies Leben führt.

Katamnestische Studien zeigen, dass die Behandlung von Menschen mit schizophrenen oder affektiven Psychosen in aller Regel erfolgreich verläuft, während die Behandlung von narzisstischen oder dissozialen Persönlichkeitsstörungen sowie die von Menschen mit sexuellen Devianzen weniger erfolgreich ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Personen, von denen aufgrund ihrer Erkrankung weitere schwerwiegende Straftaten erwartet werden, langfristig im Maßregelvollzug untergebracht werden.

Eine erste Katamnesestudie, die das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit 1998 für die Untersuchung der in den Jahren 1996, 1991 und 1992 aus dem Maßregelvollzug entlassenen Personen in Auftrag gab, bestätigt die bundesweiten Befunde auch für Rheinland-Pfalz. In der Studie wurden Personen untersucht, die nach § 63 StGB in den Maßregelvollzug eingewiesen waren.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Personen, die im Maßregelvollzug waren, nach ihrer Entlassung signifikant weniger neue Straftaten verübten als entlassene Strafgefangene. Von den insgesamt 38 untersuchten Personen verübten

­ 16 Personen = 42,0 Prozent keine weitere Straftaten,

­ 10 Personen = 26,0 Prozent leichte Straftaten,

­ 2 Personen = 7,5 Prozent gewaltlose Eigentumsdelikte und

­ 10 Personen = 26,0 Prozent wurden einschlägig rückfällig.

Personen, die an einer schizophrenen Psychose erkrankt waren, wurden nicht einschlägig rückfällig, rückfällig wurden eher Personen mit einer Persönlichkeitsstörung. Kaum Rückfälle hatten Personen, die in eine verbindliche Sozialstruktur entlassen wurden.

Dies ist ein Hinweis dafür, dass auf die Entlassungsvorbereitung und die Vorbereitung der Nachsorge großer Wert gelegt werden muss.

Die mittlere Unterbringungsdauer der entlassenen Personen betrug rund 93 Monate (= sieben Jahre und neun Monate); der Median (Zeitpunkt, zu dem 50 % der Personen entlassen worden waren) lag bei 73 Monaten (= sechs Jahre und ein Monat). Personen, die wegen eines Sexualdeliktes untergebracht waren, waren durchschnittlich 113 Monate (= neun Jahre und fünf Monate; Median = 93 Monate = sieben Jahre und neun Monate) im Maßregelvollzug.

Bei einer gleichzeitig verhängten Freiheitsstrafe war die Unterbringung im Maßregelvollzug bei allen Personen, die ein Sexualdelikt begangen haben, länger als die verhängte Freiheitsstrafe. Die durchschnittliche Verweildauer betrug 14 Jahre, während die mittlere Dauer der verhängten Freiheitsstrafe zwei Jahre und neun Monate betrug.

Die katamnestischen Untersuchungen geben auch Rückschluss auf die Kriterien, die genutzt werden, um eine möglichst sichere Prognose zu erstellen. Sie zeigen auf, wann und unter welchen Bedingungen Personen eher rückfällig werden. Aufgrund dieser Ergebnisse beabsichtigt das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit, mit den Einrichtungen regelmäßige katamnestische Untersuchungen durchzuführen, um den Behandlungserfolg der drei forensischen Kliniken regelmäßig zu überprüfen.

9. Wie sieht die Entwicklung für die jugendlichen Maßregelvollzugspatientinnen und -patienten aus und welche Erkenntnisse gibt es über die generelle Prognose für jugendliche Maßregelvollzugspatientinnen und -patienten?

Jugendliche Maßregelvollzugspatienten werden derzeit ausschließlich im Pfalzinstitut für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Pfalzklinikum in Klingenmünster behandelt.

Die Behandlungszahlen sehen wie folgt aus: 1991: 3 1995: 2 1999: 3

1992: 3 1996: 2 2000: 3

1993: 2 1997: 2 2001: 8

1994: 1 1998: 2 2002: 11

Ob die seit dem Jahr 2000 steigende Zahl von jugendlichen Maßregelvollzugspatienten Zufall ist oder einen Trend darstellt, kann bis jetzt noch nicht abschließend beurteilt werden. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit führt derzeit Gespräche mit dem Pfalzklinikum über einen möglichen Ausbau des Maßregelvollzugs für Jugendliche.

Aussagen über die Prognose der Behandlung von jugendlichen Maßregelvollzugspatienten können aufgrund der bisher geringen Fallzahlen nach Auskunft des Ärztlichen Leiters des Pfalzinstitutes für Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht gemacht werden. Das Spektrum der bisherigen Fälle reicht von der Entlassung nach erfolgreicher Durchführung einer Behandlung im Maßregelvollzug bis hin zur Verlegung in die Klinik für forensische Psychiatrie.

10. Gibt es wissenschaftlich überprüfte Prognosekriterien als Entscheidungsgrundlage für Vollzugslockerungen einschließlich der Beurlaubung?

Gefährlichkeitsprognosen gehören zu den schwierigsten und verantwortungsvollsten Aufgaben der forensischen Psychiatrie. Im Bereich des psychiatrischen Maßregelvollzugs müssen Prognosen über die Notwendigkeit einer weiteren Unterbringung nach den §§ 63, 64 StGB gestellt werden. Eine Prognose muss auch abgegeben werden, wenn über eine Lockerungsmaßnahme entschieden werden soll. Vor diesem Hintergrund ist es eine Schwerpunktaufgabe der forensischen Institute an den Universitäten, wissenschaftlich überprüfbare und operationalisierbare Prognosekriterien zu entwickeln. Lange Zeit war es in der Psychiatrie üblich, jeden Einzelfall gesondert zu betrachten und vor dem Hintergrund des psychodynamischen Geschehens in jedem Einzelfall nach unterschiedlichen Gesichtspunkten eine Prognose abzugeben.

Dieses kasuistische Vorgehen bleibt jedoch unbefriedigend, da die Kriterien letztlich nicht überprüfbar, sondern in starkem Maße abhängig sind von der klinischen Erfahrung der Gutachterin oder des Gutachters. In den letzten zehn Jahren wurden deshalb zunehmend statistisch gesicherte Prognosekriterien entwickelt. Spezifische, persönlichkeitsrelevante Faktoren werden genutzt, um Prognosewahrscheinlichkeiten zu errechnen. Dieses Vorgehen erhöht die Treffsicherheit deutlich, wie internationale Studien belegen.

Wie sehen diese Prognosekriterien aus?

Wissenschaftlich überprüfbare Prognosekriterien wurden entwickelt von den Professoren Rasch, Freie Universität Berlin, Leygraf, Universität Essen, Nedopil, Universität München und Dittmann, Universität Basel. Diesen Prognoseinstrumenten gemeinsam ist, dass sie mit unterschiedlicher Gewichtung folgende Faktoren berücksichtigen: Biographische Entwicklung Art der begangenen Straftat

Drucksache 14/960 Landtag Rheinland-Pfalz ­ 14. Volker Dittmann, Universität Basel, entwickelte Prognoseinstrumentarium verbindlich anzuwenden. Das ärztliche und psychologische Personal sowie die leitenden Pflegepersonen wurden im Jahre 2000 und 2001 in jeweils zweitägigen Workshops von Professor Dittmann in der Anwendung dieses Prognoseinstrumentariums geschult. Eine weitere zweitägige Fortbildungstagung ist für das Jahr 2002 vorgesehen.

Es zeigt sich, dass das systematische Anwenden eines Prognoseinstrumentariums auch die Sicherheit des Personals im Umfang mit den untergebrachten Personen erhöht. Die Entscheidung über Lockerungsmaßnahmen erscheint nicht mehr zufällig, sondern ist jederzeit von allen Beteiligten überprüfbar, der Entscheidungsprozess ist transparent und nachvollziehbar. Die Ablehnung von Lockerungsmaßnahmen kann jetzt auch eindeutig und klar gegenüber der untergebrachten Person begründet werden. Die systematische Anwendung des Prognoseinstrumentariums hat somit zu einer erhöhten Sicherheit der Maßregelvollzugseinrichtung geführt und gleichzeitig die Qualität der Behandlung verbessert. Das Prognoseinstrumentarium hilft auch mit, die Prozess- und Strukturqualität der Maßregelvollzugseinrichtungen überprüfbar zu machen.

VII. Aus-, Fort- und Weiterbildung

1. Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es für das in der Psychiatrie tätige ärztliche und pflegerische Personal sowie für die anderen in der Personalverordnung Psychiatrie (PsychPV) genannten Berufsgruppen (Psychologie, Ergo- und Bewegungstherapie sowie Sozialarbeit/Sozialpädagogik)?

Im Rahmen der Weiterbildung können folgende Arztbezeichnungen erworben werden:

­ Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

­ Facharzt für Psychotherapeutische Medizin

­ Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.

Alle psychiatrischen Fachkliniken und psychiatrischen Hauptfachabteilungen haben eine Ermächtigung von der Landesärztekammer zur Weiterbildung der Assistenzärztinnen und -ärzte zu Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie erhalten.

Alle psychiatrischen Fachkliniken und die überwiegende Zahl der psychiatrischen Fachabteilungen bilden auch Krankenpflegepersonen aus. Die Krankenpflegeschüler und -schülerinnen sind in ihrer dreijährigen Ausbildung zeitweise in den psychiatrischen Krankenhäusern oder psychiatrischen Fachabteilungen eingesetzt.

Krankenpflegepersonen können gemäß den Vorschriften des Landesgesetzes für die Weiterbildung in den Gesundheitsfachberufen vom 17. November 1995 sowie der dazu erlassenen Landesverordnung vom 13. Fabruar 1998 folgende Weiterbildungseinrichtungen belegen und einen staatlich anerkannten Abschluss erwerben:

­ Weiterbildung zur Fachkrankenschwester oder zum Fachkrankenpfleger für psychiatrische Pflege

­ Weiterbildung zur Fachkrankenschwester, zum Fachkrankenpfleger, zur Fachkinderkrankenschwester oder zum Fachkinderkrankenpfleger für ambulante Pflege