Zuständigkeit nach dem Versammlungsrecht in Rheinland-Pfalz

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Position nimmt die Landesregierung zu der Frage ein, die Zuständigkeiten insbesondere nach § 5, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 17 a Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 sowie § 18 Abs. 2 Versammlungsgesetz auf die Polizei zu übertragen?

2. Wie sind diese Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz in den anderen Bundesländern geregelt?

3. Wie werden die Verwaltungsbeamten in Rheinland-Pfalz für dieses Rechtsgebiet geschult bzw. aus- und fortgebildet?

4. Wie gewinnen die Ordnungsbehörden bislang die für eine Verbotsverfügung erforderlichen Erkenntnisse?

5. In welchem Umfang wird den Ordnungsbehörden bislang der Zugriff auf polizeiliche Daten ­ Erkenntnisse im Zusammenhang mit früheren Demonstrationen oder mit begangenen Straftaten bzw. mit Strafverfahren ­ ermöglicht und aufgrund welcher Rechtsgrundlage geschieht dies?

6. Sind bei den Ordnungsbehörden Möglichkeiten zur Durchsetzung der eigenen Verbotsverfügung vorhanden?

Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 26. März 2002 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Zuständige Behörden für Maßnahmen nach § 5, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 17 a Abs. 3 Satz 2 und § 17 a Abs. 4 sowie § 18 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes sind in Rheinland-Pfalz die örtlichen Ordnungsbehörden (§ 90 Abs. 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes ­ POG ­ in Verbindung mit § 1 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der allgemeinen Ordnungsbehörden). Örtliche Ordnungsbehörden sind die Gemeindeverwaltungen der verbandsfreien Gemeinden, die Verbandsgemeindeverwaltungen sowie die Stadtverwaltungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte (§ 89 Abs. 1 POG).

Die heutigen Zuständigkeitsregelungen gehen maßgeblich auf Änderungen des Polizeiverwaltungsgesetzes im Jahre 1986 zurück.

Im Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 1. August 1981 (PVG 1981) war in Abschnitt B Nr. 10 der Anlage zu § 80 des Polizeiverwaltungsgesetzes den staatlichen Polizeiverwaltungen das Versammlungswesen ausdrücklich als polizeiliche Aufgabe übertragen. Soweit in Gemeinden keine staatliche Polizeiverwaltung bestand, wurde das Versammlungswesen von den Stadt-, Gemeinde- und Verbandsgemeindeverwaltungen wahrgenommen. Seit dem In-Kraft-Treten des Fünften Landesgesetzes zur Änderung des Polizeiverwaltungsgesetzes von Rheinland-Pfalz vom 28. November 1986 (GVBl. S. 353) wird das Versammlungsgesetz ­ soweit es nicht ausdrücklich die Polizei oder eine andere Stelle für zuständig erklärt ­ ausschließlich von kommunalen Verwaltungen vollzogen. An dem Rechtscharakter des Versammlungswesens als verwaltungspolizeilicher Aufgabe hat sich hierdurch jedoch nichts geändert.

Die Polizei leistet den örtlichen Ordnungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen Vollzugshilfe (§ 1 Abs. 4, §§ 96 bis 98 POG). Im Übrigen wird die Polizei tätig, soweit die Gefahrenabwehr durch die Versammlungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint (§ 1 Abs. 6 POG).

Darüber hinaus hat das Versammlungsgesetz ausdrücklich der Polizei bestimmte Zuständigkeiten übertragen (vgl. §§ 9 Abs. 2, 12, 12 a Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1, 18 Abs. 3, 19 Abs. 4, 19 a des Versammlungsgesetzes). In diesen Fällen sind die örtlichen Ordnungsbehörden nicht zuständig.

Die vorbeschriebenen landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen haben sich unter Berücksichtigung der im Versammlungsgesetz enthaltenen Zuständigkeitsregelungen bewährt. Die Landesregierung beabsichtigt deshalb nicht, der Polizei Zuständigkeiten zu übertragen, die bisher den örtlichen Ordnungsbehörden obliegen.

Zu 2.: Die Zuständigkeiten nach § 5, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 17 a Abs. 3 Satz 2 und § 17 a Abs. 4 sowie § 18 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes in den anderen Bundesländern sind in der beigefügten Anlage dargestellt.

Zu 3.: Zur fachwissenschaftlichen Ausbildung der Anwärterinnen und Anwärter des gehobenen nichttechnischen Dienstes gehört auch die Vermittlung von Kenntnissen über Befugnisnormen, die für die Ordnungsbehörden und die Polizei von Bedeutung sind. Die Kommunalakademie Rheinland-Pfalz e. V. und die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz bieten im Rahmen ihrer gemeinsamen Fortbildungsprogramme auch Seminare aus dem Themengebiet „Öffentliche Sicherheit und Ordnung" an. Im Fortbildungsprogramm 2002 ist ein Seminar vorgesehen, das sich ausschließlich mit ausgewählten Rechtsfragen aus dem allgemeinen Gefahrenabwehr- und Versammlungsrecht befasst.

Die Kreisverwaltungen, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion sowie das Ministerium des Innern und für Sport stehen den örtlichen Ordnungsbehörden bei etwaigen versammlungsrechtlichen Fragen als Ansprechpartner zur Verfügung. Das Ministerium des Innern und für Sport hat Anfang des Jahres 2001 einen Leitfaden zum Versammlungsrecht erarbeitet, der den örtlichen Ordnungsbehörden und ihren Aufsichtsbehörden übersandt worden ist. Der Leitfaden bietet einen Überblick zum Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dessen Ausgestaltung für öffentliche Versammlungen. Er befasst sich in Ansätzen mit zahlreichen praxisrelevanten Einzelproblemen des Versammlungsrechts. In dem Anschreiben, mit dem der Leitfaden übersandt worden ist, wurde angeregt, dem Ministerium des Innern und für Sport für Aktualisierungen des Leitfadens und für weiter gehende Erörterungen grundsätzliche versammlungsrechtliche Themen vorzuschlagen.

Zu 4.: Eine Versammlung oder ein Aufzug kann nur dann verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist (§ 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes). Die für eine Gefahrenprognose erforderlichen Erkenntnisse kann die örtliche Ordnungsbehörde auf unterschiedliche Art und Weise erlangen. Insbesondere können sich Erkenntnisse aus der Anmeldung der Versammlung und den ihr beigefügten Unterlagen sowie aus Gesprächen mit dem Veranstalter ergeben. Fehlt es an einer entsprechenden Kooperationsbereitschaft des Veranstalters, ist die Versammlungsbehörde auf eigene Informationen über den Veranstalter, eingeladene Gruppierungen, Redner, zu erwartende Teilnehmer oder andere relevante Gesichtspunkte angewiesen. Diese Informationen kann die Versammlungsbehörde beispielsweise aus Publikationen des Veranstalters oder aus Presseberichten, durch den Austausch von Verbotsverfügungen oder gerichtlichen Entscheidungen oder durch Hinweise der Polizei oder aus Verfassungsschutzberichten gewinnen.

Zu 5.: Sobald der örtlichen Ordnungsbehörde eine Anmeldung für eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zugegangen ist oder sonstige Anhaltspunkte für eine öffentliche Versammlung bekannt geworden sind, hat sie unverzüglich hierüber die Polizei zu informieren. Auf Ersuchen übermittelt die Polizei auf der Grundlage des § 25 a Abs. 1 Nr. 1 POG die bei ihr vorhandenen Erkenntnisse, soweit diese im Einzelfall für die Wahrnehmung der versammlungsrechtlichen Aufgaben und Zuständigkeiten der örtlichen Ordnungsbehörde erforderlich sind. Dies gilt insbesondere für Erkenntnisse, die für ein Verbot einer Versammlung oder eines Aufzugs oder für die Erteilung von Auflagen von Bedeutung sein können. Zu diesem Zweck kann die Polizei auch Abfragen in den polizeilichen Informationssystemen durchführen. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft können gemäß § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Strafprozessordnung in Verbindung mit § 17 Nr. 3 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz auch Auskünfte aus laufenden Strafverfahren erteilt werden.

Zu 6.: Die örtliche Ordnungsbehörde ist grundsätzlich auch für die Durchsetzung der von ihr erlassenen Verbotsverfügung zuständig (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes). Sie ist dabei jedoch regelmäßig auf die Vollzugshilfe der Polizei angewiesen. Nach § 96 Abs. 1 POG hat die Polizei auf Ersuchen Vollzugshilfe zu leisten, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die anderen Behörden nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügen oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise selbst durchsetzen können.