Europäer ist man nicht von Geburt sondern wird es durch Bildung formulierte es Robert Schuman

Juni 2007 ­ Vorabdruck verteilt am 23. Mai 2007

I. Der Landtag stellt fest:

Die Vermittlung der europäischen Werte und von Informationen über europäische Themen ist Bestandteil der schulischen Bildung in Rheinland-Pfalz. Rheinland-Pfalz unterstützt diese europäische Wissensvermittlung und das vielfältige europäische Engagement von Schülerinnen, Schülern und den Schulen im Land. „Europäer ist man nicht von Geburt, sondern wird es durch Bildung", formulierte es Robert Schuman. In der „Schuman-Erklärung" vom 9. Mai 1950 wurde so unter anderem als Ziel formuliert: „Der Beitrag, den ein organisiertes und lebendiges Europa für die Zivilisation leisten kann, ist unerlässlich für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen." Heute ­ über 50 Jahre nach dieser Erklärung ­ nehmen wir das Thema Europa in den rheinland-pfälzischen Schulen sehr ernst. Rheinland-Pfalz ist europäische Grenzregion. Es ist Teil der Großregion Saar ­ Lor ­ Lux ­ Rheinland-Pfalz ­ Wallonie ­ Französische und Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, aber auch der Oberrheinregion mit der Nordschweiz, dem Elsass, Baden und der Südpfalz.

Europäische Werte gründen sich auf der Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Nichtdiskriminierung auszeichnet, und wurden in den Entwurf des Vertrages über eine Verfassung für Europa aufgenommen. Rheinland-Pfalz ist ein lebendiger, essentieller Teil Europas.

Aufgrund seiner Geschichte, seiner geographischen und auch seiner wirtschaftlichen Lage hat sich das Land immer wieder für die europäische Einigung eingesetzt und unterstützt auch künftig das Zusammenwachsen Europas. Ein positives Europabewusstsein ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, sondern muss immer wieder neu errungen und vermittelt werden. Die Schulen können zu diesem Ziel einen wertvollen Beitrag leisten.

Eine aktuelle Studie der Europäischen Akademie Berlin „Die Europäische Dimension in den Lehrplänen der deutschen Bundesländer" im Auftrag der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland hat die Rahmenlehrpläne der deutschen Länder vor dem Hintergrund der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz von 1978 und 1990 zur europäischen Dimension im Schulunterricht analysiert. Rheinland-Pfalz hat bei dieser Untersuchung sehr gut abgeschnitten, insbesondere im Hinblick auf die Vorgaben für die Realisierung der Lehrpläne zu europäischen Inhalten. Der gute Weg von Rheinland-Pfalz bei der Vermittlung von europäischen Inhalten in Schulen, bei der Vermittlung von Grundlagen des europäischen Zusammenlebens, bei der Förderung internationaler Begegnungen und bei der Stärkung der Fremdsprachenkompetenz soll weiter fortgesetzt und ausgebaut werden, denn Rheinland-Pfalz braucht viele Schulen, die sich um die Umsetzung der europäischen Ideen kümmern.

Eine einheitliche Definition des Titels „Europa-Schule" existiert nicht. In Rheinland-Pfalz ist nach dem Schulgesetz (§ 91 Abs. 4) geregelt, dass eine Bezeichnung der Schule Angelegenheit der Schulträger ist. In diese Bezeichnung kann ein Zusatz, insbesondere ein Name, aufgenommen werden. Nach diesem Verfahren ist auch das Europa-Gymnasium in Wörth benannt worden. Das PAMINA-Schulzentrum Herxheim nimmt ebenfalls durch den Schulnamen Bezug auf die europäische Region.

II. Der Landtag begrüßt:

­ die bestehenden vielfältigen Aktivitäten des europäischen Engagements von Schulen in Rheinland-Pfalz;

­ die besondere europäische Profilierung vieler Schulen, was u. a. in Projekttagen zu Europa, in Schulpartnerschaften, in bilingualen Unterrichtsangeboten und an der Beteiligung an Comenius-Projekten mit Schulen in anderen europäischen Staaten deutlich wird;

­ das Engagement von Schülerinnen, Schülern und Lehrerinnen und Lehrern in Rheinland-Pfalz, wodurch „Europa" durch praktische Erfahrung und Vermittlung von Europakenntnissen erfahrbar gemacht wird;

­ die bestehende gute Europavermittlung in Rheinland-Pfalz durch die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, etwa durch Veranstaltungen zum Thema Europa für Lehrerinnen und Lehrer und die Bereitstellung von Publikationen, beispielsweise das „Multiplikatorenpaket Europa";

­ die europäischen Wettbewerbe in den rheinland-pfälzischen Schulen mit Unterstützung der Landesregierung, beispielsweise „Europa in der Schule ­ Europäischer Wettbewerb" zusammen mit der Europa-Union Rheinland Pfalz e. V., der Wettbewerb „Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn auf dem Weg in ein vereintes Europa" sowie der Bundeswettbewerb Fremdsprachen;

­ die Unterstützung des Landes bei der integrierten Fremdsprachenarbeit seit dem Schuljahr 2005/2006 für alle Grundschulkinder in Rheinland-Pfalz bereits ab der ersten Klasse durch ein spezifisches Fremdsprachenangebot sowie die Fremdsprachenvermittlung von einzelnen Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz. Besonders zu nennen ist hierbei das Programm „Lerne die Sprache des Nachbarn" sowie auch der Deutsch-Französische Kindergarten Liederschiedt;

­ den „Europatag" in den rheinland-pfälzischen Schulen mit Unterstützung durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur und der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und der Europäischen Union;

­ die „Europawoche" in Rheinland-Pfalz mit Beteiligung der Schulen und des Parlaments;

­ den Landeswettbewerb „Europapreis" der Vertretung des Landes Rheinland Pfalz beim Bund und der Europäischen Union;

­ den diesjährigen bundesweiten „EU-Projekttag" anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft und den bereits zum vierten Mal veranstalteten deutsch-französischen Tag, der auf eine gemeinsame Erklärung Deutschlands und Frankreichs zum 40. Jahrestag des Elysee-Vertrags im Jahr 2003 zurückgeht;

­ die Teilnahme von Rheinland-Pfalz an den europäischen Fort- und Bildungsprogrammen „Lebenslanges Lernen" zur Förderung der Schulpartnerschaften und der Lehreraus- und -fortbildung sowie beim Programm „Leonardo da Vinci" zur Förderung der europäischen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung; insbesondere auch den Lehreraustausch mit Frankreich und Spanien, den deutsch-französischen Grundschullehreraustausch des Deutsch-Französischen Jugendwerks, den Tandem-Sprachkurs Deutsch-Polnisch oder die Lehreraus- und -fortbildung nach dem Programm „COMENIUS 2.2c";

­ die Teilnahme Jugendlicher aus Rheinland-Pfalz an Schüleraustausch, Auslandsaufenthalten, Praktika in Europa und europäischen Jugendprojekten, wie beispielsweise der Schüleraustausch Rheinland-Pfalz/Lothringen/Belgien, der Schüleraustausch Rheinland-Pfalz/Burgund, der Schüleraustausch mit dem Elsass, ein Austausch über das „Voltaire-Programm" in Zusammenarbeit mit dem Pädagogischen Austauschdienst (PAD) der Kultusministerkonferenz, die vom Deutsch-Französischen Jugendwerk organisierten Austauschprogramme, der deutsch-tschechische Jugendaustausch „TANDEM", der vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk DPJW geförderte Schüleraustausch und weitere Austauschmöglichkeiten, insbesondere in Partnerregionen von Rheinland-Pfalz, den angrenzenden europäischen Ländern oder über Städteund kommunale Partnerschaften;

­ die Förderung von Schülerbegegnungen mit europäischen Partnerschulen durch das Land;

­ die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion Saar­Lor ­Lux ­Rheinland-Pfalz ­Wallonie­ Französische und Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens und in der Deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinregion in Fragen der Bildung, insbesondere in Projekten der gemeinsamen Lehrerfortbildung oder durch grenzübergreifende Klassenprojekte;

­ das erfolgreiche europäische Pilotprojekt „Gemischte Schulklassen" der Großregion;

­ das gemeinsame Unterrichts-Modellprojekt „Leben am Oberrhein, Lehrwerk für ein Europa ohne Grenzen", das in digitaler Form im Internet zur Verfügung steht;

­ die Beteilung der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, am trinationalen Masterstudiengang „Mehrsprachigkeit/Plurilinguisme" für Lehramtsstudierende mit erstem Staatsexamen bzw. künftig entsprechendem Bachelorabschluss;

­ die Förderung von europäischen Austauschprojekten und Praktika von Auszubildenden und Berufsschülerinnen und Berufsschülern, etwa über das „Euregio-Zertifikat" für Schülerinnen und Schüler aus der Oberrheinregion und der grenzüberschreitenden Qualifizierung der betrieblichen Ausbilder und Ausbilderinnen und Akteure und Akteurinnen der Lernortkooperation in der beruflichen Bildung;

­ die Möglichkeit eines „Europäischen Berufsbildungsweges" über den „EUROPASS";

­ die Möglichkeiten von computergestützten Lehrgangssystem nach europaweit einheitlichen Standards, beispielsweise der neue europäische „ComputerPass Xpert";

­ die Förderung der Mehrsprachigkeit und Stärkung der Fremdsprachenkompetenzen in Rheinland-Pfalz sowie die Möglichkeiten der Förderung und Ausweitung des Erwerbs des deutsch-französischen Abiturs (AbiBac) an rheinland-pfälzischen Gymnasien und von international anerkannten Zertifikaten für Schülerinnen und Schüler im Bereich von Fremdsprachenkompetenzen und internationaler Handlungsfähigkeit (z. B. CertiLingua);

­ die Freiheit der Schulen in Rheinland-Pfalz, eigenständig europäische Schwerpunkte zu setzen. Im Rahmen der schulischen Selbstverantwortung können die Schulen in Rheinland-Pfalz zudem europäische Themen ­ über die vorgesehene Behandlung hinausgehend ­ noch stärker eigenverantwortlich behandeln.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

­ das europäische Engagement in den Schulen in Rheinland-Pfalz weiter zu unterstützen, zu fördern und auf hohem Niveau weiterzuentwickeln;

­ die Vermittlung von Fremdsprachenkompetenzen in rheinland-pfälzischen Schulen weiter auf hohem Niveau zu stärken;

­ die Fort- und Weiterbildung zu europäischen Themen der Lehrkräfte und den europäischen Austausch von Lehrkräften weiter zu unterstützen, europäische Hemmnisse abzubauen sowie europäische Themen in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern weiter auszubauen;

­ weiterhin das Ziel einer Stärkung des Austauschs von Lehrerinnen, Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern in der Großregion und am Oberrhein anzustreben, wie bereits vom Interregionalen Parlamentarier-Rat (IPR) und vom Oberrheinrat in der Vergangenheit gefordert;

­ ebenfalls in Anlehnung an den IPR eine Erarbeitung curricularer Bausteine in Form von Handreichungen zum Thema Großregion gemeinsam in der Großregion zu unterstützen, auch mit dem Ziel einer gemeinsamen Unterrichtseinheit am Europatag;

­ eine grenzüberschreitende Qualifizierung wie etwa beim „Euregio-Zertifikat" auch für andere Regionen anzustoßen;

­ für europäische Berufsbildungswege durch den „EUROPASS" bei Wirtschaft und Schulen weiter zu werben;

­ sich für Erleichterungen einzusetzen, damit verstärkt Teile der betrieblichen Ausbildung im Rahmen der dualen Berufsausbildung im europäischen Ausland abgeleistet werden können;

­ die gegenseitige europäische Anerkennung von Berufsabschlüssen im Rahmen ihrer Möglichkeiten voranzubringen und

­ sich dafür einzusetzen, dass die Möglichkeiten eines europäischen Austauschs auch im Bereich von Grundschulen durch gegenseitige Verabredungen oder Vereinbarungen der Nachbarregionen weiter ausgebaut werden.

Für die Fraktion: Barbara Schleicher-Rothmund