Überfall auf Bahnreisende am Mainzer Südbahnhof

Die Mainzer Allgemeine Zeitung berichtete am Donnerstag, den 3. Mai 2007, dass es am Abend des 1. Mai gegen 20.00 Uhr auf einem Bahnsteig des Mainzer Südbahnhofs zu einem gewalttätigen Überfall von circa 30 mutmaßlich rechtsradikalen Tätern auf wartende Bahnreisende gekommen ist. Die Männer sind, dem Bericht zufolge, kurz zuvor mit einem Zug aus Richtung Rüsselsheim am Bahnhof angekommen.

Bei dem Überfall wurde eine 18-jährige junge Frau auf die Bahngleise geworfen und zudem durch Schläge und Tritte an Kopf und Körper verletzt. Die Angreifer bestiegen, dem Zeitungsbericht zufolge, nach der Tat einen Zug in Richtung Ludwigshafen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich des Tatherganges und der in diesem Zusammenhang ergriffenen polizeilichen Maßnahmen vor?

2. Wurde seitens der Polizei versucht, zur Ergreifung der Täter einen späteren Haltepunkt des Zuges zu nutzen? Falls nein, warum nicht?

3. Treffen die in der Presse veröffentlichten Mutmaßungen zu, dass die Tat in Zusammenhang mit einer in Rüsselsheim stattgefundenen NPD-Veranstaltung stand?

4. Hatte die Landesregierung Vorabinformationen über geplante Veranstaltungen und Demonstrationen am 1. Mai 2007 in der Umgebung von Mainz, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen waren?

5. Gab es nach Erkenntnissen der Landesregierung im Vorfeld der unter 4. erfragten Veranstaltungen und Demonstrationen einen Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden von Hessen und Rheinland-Pfalz sowie der Deutschen Bahn zum Zwecke der Ergreifung von Präventivmaßnahmen?

6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung, mit Blick auf die Geschehnisse, für den künftigen, auch länderübergreifenden Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden untereinander und den Anbietern des öffentlichen Personennahverkehrs?

Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 25. Mai 2007 wie folgt beantwortet: Vorbemerkungen:

Am 20. Januar 2007 meldete der Landesvorsitzende der NPD Hessen bei den Ordnungsämtern in Raunheim (HE) und Rüsselsheim (HE) zwei Demonstrationen mit dem Thema „Zukunft statt Globalisierung ­ Heraus zum 1. Mai" an. Die Veranstaltung in Raunheim war für 12:00 bis 15:00 Uhr angekündigt; im Anschluss an diese sollte zwischen 15:30 und 18:00 Uhr ein Demonstrationszug in Rüsselsheim durchgeführt werden. Erwartet wurden 200 bis 400 Teilnehmer.

Zeitgleich wurden sowohl für Raunheim als auch für Rüsselsheim Veranstaltungen des DGB mit einer Teilnehmerzahl von 1 000 bis 1 500 angemeldet.

Das linke und das linksautonome Spektrum rief massiv zu Gegenveranstaltungen auf.

Zum Schutz der Versammlungen und zur Verhinderung von Störungen führte das Polizeipräsidium Südhessen einen entsprechenden Polizeieinsatz durch.

Da bekannt war, dass Versammlungsteilnehmer mit der Bahn anreisen würden, hatte die Bundespolizei in diesem Zusammenhang für ihren Zuständigkeitsbereich (in Hessen und Rheinland-Pfalz) ebenfalls eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) für den Gesamteinsatz eingerichtet, wobei die Begleitung potenzieller Störer und der Schutz unbeteiligter Dritter auf den Bahnstrecken und den Bahnhöfen im Bereich des Stadtgebietes Mainz dem Einsatzabschnitt (EA) „Rüsselsheim" zugeordnet waren.

Das Polizeipräsidium (PP) Mainz führte gleichfalls einen Polizeieinsatz durch, um mögliche Störungen mit Wirkung auf das Stadtgebiet Mainz zu verhindern.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Am 1. Mai 2007, gegen 20:09 Uhr, wurde der Führungszentrale (FZ) des PP Mainz über Notruf mitgeteilt, dass im Bahnhof „Römisches Theater" (ehemals Südbahnhof) angeblich „Rechte" Flaschen auf Passanten geworfen hätten. Da die Bundespolizei, die im Einsatzbefehl des Bundespolizeiamtes Frankfurt/Main vom 23. April 2007 u. a. diesen Bahnhof für die relevante Zeit als „Gefährdetes Objekt" eingestuft hatte, entgegen ihrer Festlegung in dem vorgenannten Einsatzbefehl dort weder eine stationäre Überwachung durchführte, noch Begleitkräfte im Zug hatte, wurden daraufhin in Absprache mit der Bundespolizei Einsatzkräfte des PP Mainz nach dort entsandt.

Gegen 20:13 Uhr wurde durch diese Kräfte gemeldet, dass es sich bei den Geschädigten um Personen aus dem Raum Landau handelt und dass die Täter zwischenzeitlich mit dem Zug in Richtung Ludwigshafen weitergefahren seien. Eine Täterbeschreibung oder sonstige Hinweise, die zu diesem Zeitpunkt zu einer Identifizierung der Täter hätten beitragen können, lagen nicht vor.

Nach heutigem Ermittlungsstand ergibt sich folgender Tathergang:

Während des planmäßigen Aufenthaltes des Zuges im Bahnhof „Römisches Theater" verließen 15 bis 20 rückreisende Angehörige der rechten Szene den Zug und liefen auf sieben Personen zu, die sich auf dem Bahnsteig aufhielten und von den Aggressoren offensichtlich der linken Szene zugeordnet wurden. Während sechs Personen fliehen konnten, wurde eine 18-jährige Frau aus Lampertheim ­ ihren eigenen Angaben zufolge ­ durch einen „Schubser" auf dem Bahnsteig zu Fall gebracht und auf dem Boden liegend getreten und geschlagen. Nachdem es ihr gelang aufzustehen, konnte sie ebenfalls weglaufen. Die Gruppe der Angreifer stieg wieder in den Zug, der fahrplanmäßig in Richtung Ludwigshafen weiterfuhr. Der Vorfall selbst dauerte nicht länger als eine Minute.

Nach Feststellung der Personalien der Geschädigten und Erheben weiterer Informationen vor Ort wurden der Polizeiführer vom Dienst der FZ des PP Mainz und die Bundespolizei um 20:24 Uhr über den Sachstand in Kenntnis gesetzt.

Zu Frage 2: Die Polizeidienststellen in Worms und Ludwigshafen überwachten die von ihnen als grundsätzlich problemlos beurteilte Ankunft des Zuges mit den 100 Personen des rechten Spektrums mit einem dieser Lageeinschätzung angepassten Kräfteansatz.

In Worms, wo ca. 20 Szenenangehörige um 20:38 Uhr den Zug verließen, war dabei auch der Umstand berücksichtigt, dass sich dort zeitgleich 50 bis 60 zum Teil stark alkoholisierte Fußballfans von Wormatia Worms aufhielten, die von einer Fußballbegegnung aus Ludwigshafen zurückkamen.

Der Schwerpunkt des polizeilichen Auftrages lag dort in der Verhinderung des Aufeinandertreffens der beiden Gruppierungen. Auch aufgrund des geringen Zeitvorlaufes hätten dort weder Unterstützungskräfte zusammengezogen noch weitergehende Maßnahmen durchgeführt werden können.

In Ludwigshafen wurde die Ankunft der noch im Zug verbliebenen ca. 70 bis 80 Angehörigen des rechten Spektrums um 21:12 Uhr von Beamten des PP Rheinpfalz (Ludwighafen) und der Bundespolizei überwacht. Es kam zu keinerlei Vorkommnissen.

Wäre die Information über das Ereignis auf dem Mainzer Bahnhof „Römisches Theater" unmittelbar nach bekannt werden vom PP Mainz an das PP Rheinpfalz übermittelt worden, hätten aufgrund des Zeitvorlaufes von ca. 45 Minuten dort Verstärkungskräfte zusammengezogen werden können, um die Feststellung der Personalien des für die Tat in Frage kommenden Klientels zu gewährleisten.

Noch anzumerken ist, dass der Polizei bekannt war, dass auf dem Bahnhof „Römisches Theater" eine Videoüberwachungsanlage installiert ist und sie daher davon ausgehen konnte, dass über die Auswertung der Aufzeichnungen Täterhinweise erlangt werden konnten. Erst am nächsten Tag stellte sich heraus, dass die Anlage außer Betrieb gesetzt war.

Zu Frage 3: Hierzu wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Zu Frage 4: Neben den in den Vorbemerkungen dargestellten Erkenntnissen zu den Veranstaltungen bzw. Demonstrationen in Raunheim und Rüsselsheim (Hessen) gab es keine Hinweise auf einschlägige Veranstaltungen im Bereich Mainz oder Rheinland-Pfalz.

Zu Frage 5: Hierzu wird auf die Frage 4 verwiesen.

Anlässlich der Einsatzlage in Hessen wurden im Vorfeld die Einsatzbefehle und Kommunikationspläne der beteiligten Dienststellen (Polizeipräsidium Südhessen, Bundespolizeiamt Frankfurt/M. und Polizeipräsidium Mainz) ausgetauscht.

Während des Einsatzablaufes bestand regelmäßiger Kontakt zwischen der Befehlsstelle des PP Mainz und der Abschnittsbefehlsstelle der Bundespolizei in Mainz sowie telefonischer Kontakt mit den Befehlsstellen des Polizeipräsidiums Südhessen in Wiesbaden und des Bundespolizeiamtes in Frankfurt/Main.

Zu Frage 6: Bei Einsatzanlässen, wie sie der Kleinen Anfrage zugrunde liegen, ist der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Polizeidienststellen untereinander und mit anderen tangierten öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen obligatorisch.

Bei der unter Frage 2 angeführten unterlassenen Informationsweitergabe handelt es sich um ein individuelles Defizit.