Aktuelle Situation in der Tagespflege in Rheinland-Pfalz

Die Vereinbarung der großen Koalition zum Ausbau der Betreuung von Kleinkindern sieht vor, das Platzangebot für die Betreuung von Kindern im Alter von einem Jahr bis drei Jahren in den nächsten Jahren bedarfsgerecht auszubauen. Die Förderung der Kinder soll dabei auch in Tagespflege vorgenommen werden können. Hierfür ist es wichtig, für die Tagespflege entsprechende Arbeitsbedingungen bereitzustellen, damit sie insbesondere auch im ländlichen Raum als Betreuungsalternative zum institutionellen Angebot fungieren kann. Die Tagespflege wird in Rheinland-Pfalz bislang nicht gleichberechtigt gefördert. Es liegen Informationen vor, wonach Tagespflegepersonen über unverhältnismäßige Anforderungen und wachsende Belastungen klagen.

Der Tageselternverein Rheinland-Pfalz tritt für mehr soziale und finanzielle Anerkennung ein.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie viele Tagespflegepersonen mit Pflegeerlaubnis nach § 43 SGB VIII sind aktuell in Rheinland-Pfalz tätig? Wie hoch schätzt die Landesregierung die Zahl der Pflegepersonen ohne Pflegeerlaubnis ein?

2. Wie verteilt sich diese Zahl auf die Jugendamtsbezirke?

3. Wie viele Kinder welcher Altersgruppe werden insoweit in Rheinland-Pfalz aktuell in Tagespflege betreut und gefördert?

4. Wie verteilt sich diese Zahl auf die Jugendamtsbezirke?

5. Wie viele Kinder werden durchschnittlich in den bestehenden Tagespflegestellen betreut?

Wie stellt sich die Betreuungsdauer dar? In welchem Umfang sind in Rheinland-Pfalz Tagespflegeverhältnisse bestehend, die auch eine Betreuung über Nacht beinhalten?

6. Welches Bild ergibt sich für die einzelnen Jugendamtsbezirke?

7. Inwieweit werden die Tagespflegeverhältnisse durch das Jugendamt vermittelt (absolute Zahlen und Anteile)? Inwieweit kommen die Tagespflegeverhältnisse ohne Hinzuziehung des Jugendamts zustande?

8. Wie verteilen sich die Zahlen auf die Jugendamtsbezirke (Differenzierung wie zuvor)?

9. Welche Voraussetzungen haben die Tagespflegepersonen in Rheinland-Pfalz aufgrund bundes- bzw. landesspezifischer Regelung oder Programmen zur Erteilung der Pflegeerlaubnis konkret nachzuweisen? Inwieweit sind die Voraussetzungen gegeben? Welche Kriterien müssen zur Erlangung einer Erlaubnis für Über-Nacht-Betreuung erfüllt werden?

10. Welche Anforderungen werden in Rheinland-Pfalz hinsichtlich der qualifizierten Lehrgänge gemäß § 43 Abs. 2 SGB VIII konkret gestellt?

11. Wie sollen die in § 43 Abs. 2 SGB VIII geforderten Kenntnisse in anderer Weise nachgewiesen werden, wie es die entsprechende Bestimmung vorsieht?

12. Inwieweit wird bei den zu stellenden Anforderungen nach der Zahl der betreuten Kinder oder der Art der Vermittlung differenziert? Inwieweit wäre dies sinnvoll?

13. Inwieweit will die Landesregierung von der in § 43 Abs. 4 SGB VIII vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch machen, eine Pflegeerlaubnis auch für weniger als fünf Kinder zuzulassen?

14. Inwieweit werden die Kosten der Tagespflegetätigkeit ganz oder teilweise vom Jugendamt getragen?

15. Welches Bild ergibt sich hierbei für die einzelnen Jugendamtsbezirke?

16. Welche Voraussetzungen müssen dafür jeweils erfüllt sein? Welche Folgen sind damit verbunden?

17. Welche Vergütungen erhalten Tagespflegekräfte in Rheinland-Pfalz durchschnittlich pro Stunde und Kind?

18. Wie stellt sich die Vergütungssituation in den einzelnen Jugendamtsbezirken dar?

19. Welche Aufwendungen haben die Tagespflegepersonen ggf. je nach Beschäftigungsstatus, Vermittlung und Kostenträgerschaft im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit zu tragen?

20. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen werden sie hierbei durch das Jugendamt unterstützt bzw. nicht unterstützt?

21. Welche Zahlungen haben sie ggf. davon noch zu leisten?

22. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen werden sie hierbei durch das Jugendamt unterstützt bzw. nicht unterstützt?

23. Inwieweit wäre eine originäre Landesunterstützung angebracht? Inwieweit wird sie geleistet oder ist sie geplant?

24. Warum ist im Gegensatz zur Praxis anderer Bundesländer Kindertagespflege in Rheinland Pfalz in angemieteten Räumen nicht zulässig? Wie wird diese Einschränkung von der Praxis beurteilt?

25. Welche Regelungen existieren zur Kontrolle der Tagespflegepersonen? Wie werden diese vor Ort umgesetzt?

26. Wie beurteilt die Landesregierung die Angemessenheit und die Auswirkungen der geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Attraktivität der Tagespflegetätigkeit?

27. Wie bewertet sie sie unter besonderer Berücksichtigung der Belange des ländlichen Raums?

28. Wie bewertet sie sie hinsichtlich der Wahrnehmung durch das Jugendamt vermittelter oder privat vereinbarter Tagespflege?

29. Wie bewertet sie sie hinsichtlich der Wahrnehmung der Tätigkeit durch professionelle und nicht professionelle Kräfte mit und ohne Tagespflegeerlaubnis?

30. Inwieweit gibt es aus den Jugendamtsbezirken im Land Hinweise auf einen zu beobachtenden Rückzug aus der über das Jugendamt vermittelten Tagespflegetätigkeit mit Pflegeerlaubnis und was sind die Gründe dafür?

31. Welche Folgen sind damit verbunden? Welcher Handlungsbedarf ergibt sich hieraus?

32. Inwieweit sieht das Land die Kindertagespflege als gleichberechtigtes Angebot im Rahmen der Kinderbetreuung dadurch benachteiligt, dass eine Regel-Mitfinanzierung durch Landesmittel im Gegensatz zur institutionellen Kinderbetreuung nicht erfolgt, so dass Eltern mithin höhere Kosten zu tragen haben?

Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur hat die Große Anfrage namens der Landesregierung ­ Zuleitungsschreiben des Chefs der Staatskanzlei vom 8. August 2007 ­ wie folgt beantwortet:

Die Kindertagespflege ist als familiennahe und flexible Betreuungsform ein Bestandteil der Gesamtkonzeption des Landes zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zum Ausbau der frühen Förderung. Ein Ziel im Rahmen des Landesprogramms „Zukunftschance Kinder ­ Bildung von Anfang an" ist es daher, die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in deren originärer Zuständigkeit die Kindertagespflege liegt, bei der qualitativen Weiterentwicklung des Angebots in der Kindertagespflege als Ergänzung zur institutionellen Betreuung zu unterstützen. Eltern, die sich entscheiden ihr Kind einer Tagespflegeperson anzuvertrauen, sollen die Gewissheit haben, dass ihr Kind auch unter pädagogischen Gesichtspunkten gut aufgehoben ist. Darum hat das Land im Juli 2005 ein Förderprogramm gestartet, um Tagesmütter und -väter auf ihre Aufgaben gut vorzubereiten. Landesweit werden Qualifizierungsmaßnahmen für Tagespflegepersonen gefördert, die sich an dem vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) entwickelten Curriculum zur Fortbildung von Tagespflegepersonen als Qualitätsmaßstab orientieren. Mit diesem Angebot ermöglicht die Landesregierung, die Qualität in der Kindertagespflege landesweit nachhaltig zu stärken.

Für die Beantwortung der Großen Anfrage war es notwendig, eine Abfrage bei den Jugendämtern durchzuführen. Ein Jugendamt konnte aufgrund personeller Engpässe keine Stellungnahme abgeben.

Die nachfolgend dargelegten Daten beziehen sich auf die Rückmeldungen der Jugendämter.

1. Wie viele Tagespflegepersonen mit Pflegeerlaubnis nach § 43 SGB VIII sind aktuell in Rheinland-Pfalz tätig? Wie hoch schätzt die Landesregierung die Zahl der Pflegepersonen ohne Pflegeerlaubnis ein?

2. Wie verteilt sich diese Zahl auf die Jugendamtsbezirke?

Nach den Angaben der rückmeldenden Jugendämter sind derzeit in Rheinland-Pfalz 1 423 Tagespflegepersonen mit Pflegeerlaubnis tätig bzw. registriert. Die Anzahl der ohne Pflegeerlaubnis tätigen Personen kann nicht genau angegeben werden, da den Jugend

ämtern in Rheinland-Pfalz keine genauen Zahlen vorliegen. Auf Grundlage der erfolgten Rückmeldungen sind 1 152 Personen ohne Pflegeerlaubnis tätig. Gründe hierfür sind unter anderem, dass die Tätigkeit unter 15 Stunden in der Woche und weniger als drei Monate, im Haushalt der Eltern, von Großeltern oder im Rahmen einer flexiblen Nachbarschaftshilfe ausgeübt wird oder die Erteilung der Pflegeerlaubnis noch nicht abgeschlossen ist. Zu den Personen ohne Pflegeerlaubnis sind auch registrierte Pflegepersonen, die aber zurzeit nicht tätig sind, zu zählen. Bei der vorgenannten Zahl handelt es sich um einen geschätzten Wert, da Personen, die keine Pflegeerlaubnis benötigen, den Jugendämtern in der Regel nicht bekannt sind. Insofern konnten auch 19 Jugendämter keine Angaben machen. Die Verteilung auf die Jugendamtsbezirke ist aus Anlage 1 ersichtlich.

3. Wie viele Kinder welcher Altersgruppe werden insoweit in Rheinland-Pfalz aktuell in Tagespflege betreut und gefördert?

4. Wie verteilt sich diese Zahl auf die Jugendamtsbezirke?

Nach den Angaben der rückmeldenden Jugendämter ergeben sich folgende Zahlen: Derzeit werden in Rheinland-Pfalz 811 Kinder unter drei Jahren in Tagespflege betreut. 607 davon werden von Personen mit Pflegeerlaubnis, 204 Kinder von Personen ohne Pflegeerlaubnis betreut. 360 der Kinder zwischen drei und sechs Jahren werden von Personen mit Pflegeerlaubnis, 196 von Personen ohne Pflegeerlaubnis betreut (insgesamt 556 Kinder). Die Betreuung der Schulkinder in Tagespflege (insgesamt 821 Kinder) verteilt sich auf 492 Kinder, die von Personen mit Pflegeerlaubnis und 329 Kinder, die von Personen ohne Pflegeerlaubnis betreut und gefördert werden. Bezüglich der Daten über die Betreuung durch Personen ohne Pflegeerlaubnis gilt das zu den Fragen 1 und 2 Ausgeführte entsprechend.

Die Verteilung auf die einzelnen Jugendamtsbezirke ergibt sich aus der Anlage 1.

5. Wie viele Kinder werden durchschnittlich in den bestehenden Tagespflegestellen betreut? Wie stellt sich die Betreuungsdauer dar? In welchem Umfang sind in Rheinland-Pfalz Tagespflegeverhältnisse bestehend, die auch eine Betreuung über Nacht beinhalten?

6. Welches Bild ergibt sich für die einzelnen Jugendamtsbezirke?

Durchschnittlich werden derzeit in den rheinland-pfälzischen Tagesspflegestellen 1,93 Kinder für 4,89 Stunden pro Tag betreut. Zugrunde gelegt werden die Rückmeldungen aus 39 Jugendämtern. Zwei Jugendämter konnten hierzu keine Angaben machen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass nicht alle registrierten Tagespflegepersonen derzeit ihre Tätigkeit ausüben.

Es bestehen 133 Tagespflegeverhältnisse, die auch eine Betreuung über Nacht beinhalten.

Die Verteilung auf die einzelnen Jugendamtsbezirke kann ebenfalls der Anlage 1 entnommen werden.

7. Inwieweit werden die Tagespflegeverhältnisse durch das Jugendamt vermittelt (absolute Zahlen und Anteile)? Inwieweit kommen die Tagespflegeverhältnisse ohne Hinzuziehung des Jugendamts zustande?

8. Wie verteilen sich die Zahlen auf die Jugendamtsbezirke (Differenzierung wie zuvor)?

Nach den Angaben der rückmeldenden Jugendämter werden 2 161 Tagespflegeverhältnisse durchschnittlich pro Jahr durch die Jugendämter vermittelt. Die Anzahl der Tagespflegeverhältnisse, die ohne Hinzuziehung des Jugendamts zustande kommen, können von den Jugendämtern nur geschätzt werden, da sie von diesen Tagespflegeverhältnissen nicht grundsätzlich Kenntnis erlangen.

Nach den Rückmeldungen der Jugendämter kommen durchschnittlich pro Jahr etwa 389 Tagespflegeverhältnisse ohne Hinzuziehung des Jugendamts zustande. Eine aussagekräftige Relation zwischen den Pflegeverhältnissen, die ohne Jugendamt zustande kommen und solchen, die mit Hinzuziehung des Jugendamts zustande kommen, ist aufgrund der Tatsache, dass von vielen Jugendämtern keine Angaben bzw. nur geschätzte Angaben zu den erstgenannten Tagespflegeverhältnissen gemacht werden können, nicht möglich. Die Rückmeldungen der Jugendämter und die Verteilung auf die Jugendamtsbezirke sind in der Anlage 2 dargestellt.

9. Welche Voraussetzungen haben die Tagespflegepersonen in Rheinland-Pfalz aufgrund bundes- bzw. landesspezifischer Regelung oder Programmen zur Erteilung der Pflegeerlaubnis konkret nachzuweisen? Inwieweit sind die Voraussetzungen gegeben? Welche Kriterien müssen zur Erlangung einer Erlaubnis für Über-Nacht-Betreuung erfüllt werden?

Bundesrechtlich ist in § 43 Abs. 2 SGB VIII die Erteilung der Erlaubnis zur Kindertagespflege wie folgt geregelt: „Die Erlaubnis wird erteilt, wenn die Person für die Kindertagespflege geeignet ist. Geeignet im Sinne des Satz 1 sind Personen, die

1. sich durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit Erziehungsberechtigten und anderen Tagespflegepersonen auszeichnen und

2. über kindgerechte Räume verfügen.

Sie sollen über vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Anforderungen der Kindertagespflege verfügen, die sie in qualifizierten Lehrgängen erworben oder in anderer Weise nachgewiesen haben."

Die Erteilung der Pflegeerlaubnis ist ein Verwaltungsakt, der nur vom örtlich zuständigen Jugendamt erlassen werden kann. Entsprechend obliegt die Prüfung und Entscheidung über die Voraussetzungen bzw. Geeignetheit der Tagespflegeperson dem örtlich zuständigen Jugendamt.

Im Auftrag des Landesjugendhilfeausschusses wurden für die Praxis Empfehlungen zur Kindertagespflege entwickelt. Eine Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Jugendämter hat diese unter der Federführung des Landesjugendamtes erarbeitet.