Umsetzung der Rahmenkonzeption für den Zivil- und Katastrophenschutz

Bund und Länder einigten sich auf eine neue Rahmenkonzeption für den Zivil- und Katastrophenschutz; sie wurde auf der Innenministerkonferenz Anfang 2002 unter der Überschrift „Neue Strategien zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland" verabschiedet.

Zur effizienten Vorbereitung und effektiven Abwehr von außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen ist die Vereinbarung und Festlegung von Schutzzielen, an denen ein mehrstufiges Planungs-, Schutz- und Versorgungskonzept auszurichten ist, erforderlich.

Vor diesem Hintergrund und der anstehenden landesübergreifenden Katastrophenschutzübung frage ich die Landesregierung:

1. Inwieweit sind diese „Neuen Strategien" umgesetzt?

2. Sind konkrete Schutz- und Interventionsziele festgelegt worden und wie sieht das Konzept aus?

3. In Publikationen auf Bundesebene wird im Hinblick auf den Schutz „Kritischer Infrastrukturen" der Energiesicherstellung (Elektrizität/Gas/Mineralöl) erste Priorität eingeräumt. Wie sollen diese einzelnen Energiesicherstellungen in Rheinland-Pfalz gewährleistet werden?

4. Wie sieht das Konzept der von der Energieversorgung abhängigen Ernährungsnotfallvorsorge aus?

Das Ministerium des Innern und für Sporthat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 27. November 2007 wie folgt beantwortet:

Der Zivil- und Katastrophenschutz hat sich nach einer Serie von Terroranschlägen, die am 11. September 2001 begann, einer neuen Dimension der Bedrohung gestellt. Ziel der „Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland" ist die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern für außergewöhnliche Schadenslagen von nationaler Bedeutung. Hierzu sollen vorhandene Hilfspotenziale des Bundes und der Länder, der Kommunen und der privaten Hilfsorganisationen noch besser als bisher miteinander verzahnt und neue Koordinierungsinstrumente für eine verbesserte Zusammenarbeit geschaffen werden.

Im Einzelnen ergeben sich insbesondere folgende Kernpunkte, die im Rahmen der „Neuen Strategie" gemeinsam von Bund und Ländern verfolgt werden müssen:

­ Verbesserung und Intensivierung der Zusammenarbeit der Behörden von Bund und Ländern

­ verbesserte Information und Kommunikation

­ neues Warnsystem für die Bevölkerung

­ effizientes neues Krisenmanagement

­ Modernisierung der Ausstattung

­ Stärkung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1. und 2.: Bund und Länder haben nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 den Bevölkerungsschutz in Deutschland erheblich verbessert. Die erzielten Fortschritte stellen sich schwerpunktmäßig wie folgt dar: Einheitliches Führungssystem

In Rheinland-Pfalz wurde für die Feuerwehren und den Katastrophenschutz auf der Grundlage der bundeseinheitlichen Führungsdienstvorschrift, die maßgeblich vom Land Rheinland-Pfalz mitgestaltet wurde, eine landesweit einheitliche Führungsstruktur ­ für die kleinste bis zur größten denkbaren Gefahrenlage ­ festgelegt.

Zentrale Koordination auf Landesebene

Neben einer rund um die Uhr erreichbaren zentralen Ansprech- und Koordinierungsstelle zur Unterstützung der kommunalen Aufgabenträger bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier als oberer Katastrophenschutzbehörde hat die Landesregierung im Ministerium des Innern und für Sport einen Koordinierungsstab für das Krisenmanagement eingerichtet, in dem wesentliche Maßnahmen Ressort übergreifend abgestimmt werden. Dieser Koordinierungsstab hat sich bei der Übung LÜKEX 2007 bestens bewährt.

Einrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)

Der Bund hält mit der Einrichtung des BBK Dienstleistungs- und Serviceangebote ­ vor allem auch für die Länder ­ zentral vor.

Die Bund-Länder-Zusammenarbeit bei der Bewältigung großflächiger Gefahrenlagen von nationaler Bedeutung wurde durch den Ausbau der vom Bund vorgehaltenen Informations- und Koordinierungsinstrumente verbessert, was sich auch bei der jüngsten Krisenmanagementübung LÜKEX 2007 positiv bemerkbar gemacht hat. Hierzu zählen vor allem das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder (GMLZ), das Satelliten gestützte Warnsystem, die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) als Ausbildungszentrum sowie die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV), die sehr eng mit der Beratungs- und Koordinierungsstelle bei der Feuerwehr- und Katastrophenschutzschule Rheinland-Pfalz in Koblenz zusammenarbeitet.

Warnsystem für die Bevölkerung

Bereits kurz nach dem 11. September 2001 konnte der Bund das Satelliten gestützte Warnsystem ­ SatWaS ­ in Betrieb nehmen.

Dieses System ermöglicht die Warnung der Bevölkerung durch Gefahrendurchsagen über Rundfunk, Fernsehen und andere Medien.

Der weitere Ausbau sieht die Mitbenutzung des Systems auch für Katastrophen- und Gefahrensituationen sowie Extrem-Unwetterwarnungen durch die Länder vor. Hierzu bedarf es allerdings noch einer „Weckfunktion" des Systems für den Fall, dass gerade kein Fernsehgerät oder Radio eingeschaltet ist. Zurzeit wird eine ganze Reihe von technischen Lösungsmöglichkeiten getestet.

Pocken- und Pandemiepläne

Die Länder haben auf der Grundlage des Rahmenplans des Bundes zum Schutz vor hochkontagiösen Erkrankungen einen landesspezifischen Pockenalarm- und Einsatzplan erstellt und für den Einsatz auf örtlicher Ebene einen entsprechenden Musterplan „Pocken" vorbereitet. Die Konzeption für die Lagerung und Verteilung der Impfstoffe ist erstellt.

Vom Robert Koch-Institut (RKI) ist unter Beteiligung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung ein mit den Ländern abgestimmter „Nationaler Pandemieplan" veröffentlicht worden, der die Grundlage für weitere Aktivitäten bei Bund, Ländern und Kommunen bildet.

In Rheinland-Pfalz hat das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen zum Schutz vor hochkontagiösen Erkrankungen die „Empfehlungen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten" (Rahmen-, Alarm- und Einsatzplan Seuchen ­ Stand:

3. Mai 2005) und die „Empfehlungen zur Umsetzung des Nationalen Pandemieplanes in Rheinland-Pfalz" (Stand: 6. März 2006) herausgegeben. Damit wurden die entsprechenden Planungen erstellt, die vor Ort von den Gesundheitsämtern umgesetzt werden.

Die Angehörigen des öffentlichen Gesundheitsdienstes werden in regelmäßigen Zeitabständen aus-, fort- und weitergebildet. Das geschieht zum einen im Rahmen der regelmäßigen Amtsärztedienstkonferenzen und zum anderen durch den Besuch von Seminaren und Lehrgängen, zum Beispiel an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Ahrweiler. Auch führen die Landkreise und kreisfreien Städte Übungen durch, an denen die Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes teilnehmen.

Verstärkung der Notfallplanung der Krankenhausträger

Die Krankenhäuser sind nach dem Brand- und Katastrophenschutzgesetz (LBKG) verpflichtet, Alarm- und Einsatzpläne aufzustellen. Dazu hat das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen entsprechende Empfehlungen herausgegeben. Zur Sicherstellung ausreichender stationärer Kapazitäten hat das Land im Jahr 2005 ein Kataster über die Klinikressourcen bei Großschadenslagen erstellt. Rheinland-Pfalz verfügt gemeinsam mit dem Saarland im Internet über das System „Zentrale landesweite Behandlungskapazitäten (ZLB)". Bei diesem Informationssystem steht nicht nur die Suche nach einem Krankenhaus im Vordergrund, sondern vor allem qualitative Auskünfte über Behandlungskapazitäten. Das Informationssystem bietet nicht nur die Möglichkeit, bei der täglichen Arbeit zu helfen, sondern kann auch bei einer Großschadenslage wertvolle Dienste leisten.

Bevorratung von Arzneimitteln und Medizinprodukten

Durch eine gemeinsame Beschaffung durch Bund und Länder ist die Vollversorgung der Bevölkerung mit Pockenimpfstoff sichergestellt worden. Überdies hat Rheinland-Pfalz für 20 % der Bevölkerung antivirale Medikamente beschafft. Die letzten Lieferungen sind im Januar dieses Jahres erfolgt und die gesamte Menge ist zurzeit noch zentral gelagert. Die Größenordnung von 20 % wurde gewählt, weil eine groß angelegte Studie ergeben hat, dass es in den letzten drei Pandemien ausgereicht hätte, wenn für 20 % der Bevölkerung Medikamente vorhanden gewesen wären, um alle Erkrankten zu behandeln und damit die Todesraten erheblich zu senken und die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen vergleichsweise gering zu halten.

Das Land Rheinland-Pfalz hat darüber hinaus die flächendeckende Ergänzung der Arzneimittelbevorratung im Bereich des Rettungsdienstes, des Katastrophenschutzes und der Krankenhäuser mit einem Spezialdepot für Antidote und acht Depots für Arzneimittel und Medizinprodukte auf die Versorgung von 5 000 Betroffenen erweitert. Als Kriterium wurde festgelegt: zehn Prozent schwer verletzte, 30 Prozent mittelgradig verletzte und 60 Prozent leicht verletzte Personen. Zur Behandlung von Kindern jeder Altersstufe werden spezielle Kindernotfallkoffer angeschafft sowie Zelte und Anhänger für die Versorgung von dekontaminierten Personen.

Zentrale Einrichtungen und Einheiten des Landes

Im Sanitäts- und Betreuungsdienst hat das Land Rheinland-Pfalz in Kooperation mit den Hilfsorganisationen zentrale Einrichtungen und Einheiten aufgestellt.

Sonderalarm Rettungsdienst

Auch der Rettungsdienst ist in die „Neue Strategie" eingebunden. Der neue Sonderalarmplan Rettungsdienst dient dazu, im Ernstfall Rettungsdiensteinheiten aus dem ganzen Land zusammenzuziehen, um die örtlichen Kräfte zu unterstützen.

Anpassung von Bundesrecht Inwieweit zur Anpassung an die „Neue Strategie" Rechtsänderungen erforderlich sind (Grundgesetz und Zivilschutzgesetz), wird derzeit zwischen Bund und Ländern erörtert.

Ergänzende Ausstattung des Bundes Bund und Länder haben sich auf Fachebene auf ein „Konzept des Bundes zur Ausstattung des ergänzenden Katastrophenschutzes" geeinigt, das noch von der Innenministerkonferenz beschlossen werden muss. Nach dem derzeitigen Konzept wird sich die Anzahl der Bundesfahrzeuge um ca. ein Drittel verringern.

Neues Förderprogramm der Landesregierung

Die Landesregierung hat ein neues Programm zur Förderung kommunaler Fahrzeugbeschaffungen im Bereich des Sanitäts-, Betreuungs- und Verpflegungsdienstes mit einem jährlichen Volumen von ca. 500 000 aufgelegt.

Förderung der Selbsthilfe der Bevölkerung Bezüglich der Aufnahme der Ausbildung zur Selbsthilfe in die schulische Ausbildung hat der 354. Schulausschuss der Kultusministerkonferenz am 22. Oktober 2004 festgestellt, dass die Behandlung von Themen der medizinischen Erstversorgung mit Selbsthilfeinhalten in der Schule dazu beitragen soll, dass Schülerinnen und Schüler altersgerecht auf Notfälle vorbereitet werden. Kursangebote zur Selbsthilfe sind im Rahmen der Gesundheitserziehung als praxisnahes Lernangebot im Sekundarbereich möglich. Sie werden meist in Zusammenarbeit mit freien Trägern angeboten.

Zu 3.: Der Schutz so genannter kritischer Infrastrukturen ­ also von Einrichtungen und Organisationen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden ­ hat hohe Priorität.

Bei einer Gefährdung der Energieversorgung sind die Maßnahmen nach dem Energiesicherungsgesetz und den nach dieser Vorschrift ergangenen Rechtsverordnungen ­ wie die Elektrizitätssicherungsverordnung, Gassicherungsverordnung, Kraftstoff-Lieferbeschränkungs-Verordnung, Heizöl-Lieferbeschränkungs-Verordnung ­ zu ergreifen. Letztere stehen unter dem Anwendungsvorbehalt der Bundesregierung.

Das Bundesministerium des Innern, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und das Bundeskriminalamt haben ergänzend hierzu ein Basisschutzkonzept erarbeitet, das von Beginn an durch Sachverstand aus der Wirtschaft begleitet und vorangebracht wurde.

Auch die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft die Vorsorgemaßnahmen verbessert.

So wurden in Kooperation mit den Energieversorgern die Meldewege angepasst und die Zusammenarbeit bei flächendeckenden Stromausfällen intensiviert. Mit einer Checkliste wurden alle kommunalen Aufgabenträger des Brand- und Katastrophenschutzes auf die erforderlichen Maßnahmen hingewiesen.

Der Arbeitskreis V „Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung" der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hat in seiner Herbstsitzung eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Bundes beauftragt, Empfehlungen zur Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund zum Schutz kritischer Infrastrukturen zu erarbeiten.

Zu 4: Die Ernährungsnotfallvorsorge in Rheinland-Pfalz orientiert sich bei einer Energiekrise in den Bereichen Erdöl, Erdölerzeugnisse und Erdgas an den Regularien des Energiesicherungsgesetzes und an den hierzu erlassenen Rechtsverordnungen. Für die Bereiche Elektrizitäts- und Gasversorgung sind die entsprechenden Instrumentarien nach dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz) anzuwenden.