Gefahren für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch zu schwere Schulranzen

Obwohl über eine Verordnung das zulässige Gewicht der „Schulranzen" im Verhältnis zum Körpergewicht geregelt ist, berichten Eltern aus allen Landesteilen, dass sich in der Praxis des Schulalltags kaum eine Schule oder ein Lehrer um die Gesundheitsgefahren kümmert, die von zu schweren Schulranzen ausgehen.

Bereits an den Grundschulen müssen die Kleinen, die selbst bei der Einschulung oft nur 15 bis 20 kg wiegen, bereits Ranzen schleppen, die zwar ohne Füllung sehr leicht, aber mit der Zuladung einer Vielzahl an Heften, Büchern und Arbeitsmaterialien mit Füllung mehr als 3 kg wiegen, also über 15 % des eigenen Körpergewichts. Oft werden Bücher und Hefte zwischen Schule und Elternhaus unnötig hin- und hergeschleppt, weil es an Fächern oder Spinden in den Schulsälen/Schulen fehlt und/oder weil Lehrer keine klaren Anweisungen an die Kleinen geben.

An weiterführenden Schulen, insbesondere den Gymnasien, an denen jede Lehrkraft nur die Lehrmittel für das eigene Fach sieht, wird erwartet, dass die Schüler ihre Arbeitmittel zu Hause und in der Schule vollumfänglich zur Verfügung halten. Eine Koordination fehlt völlig. Treffen dann an einem sechsstündigen Schultag die „Schwergewichte" unter den Schulbüchern (Atlas) zusammen, müssen Schüler der 5. und 6. Klassen bei einem eigenen Körpergewicht von 25 bis 30 kg bis zu 8 kg schwere Tornister schleppen ­ z. T. mehr als 30 % des eigenen Körpergewichts und mehr als das Doppelte dessen, was Krankenkassen als gesundheitsverträgliches Schulranzengewicht beziffern.

Ich frage die Landesregierung:

1. Finden bei Schülern regelmäßig Untersuchungen über angehende Haltungsschäden oder Schäden an der Wirbelsäule statt ­ und falls ja, wann und wie?

2. Wie sollen sich Eltern verhalten, die die Gesundheit ihrer Kinder durch regelmäßig zu schwere Schulranzen gefährdet sehen?

3. Wer ist an einer Schule für die Einhaltung der Gewichtsvorschrift zuständig ­ der einzelne Fachlehrer, der Klassenlehrer, die Schulleitung?

4. Wer haftet demnach, wenn durch zu schwere Schulranzen Haltungsschäden oder Schäden an der Wirbelsäule entstehen?

5. Wer ist „beweispflichtig", falls nach jahrelangem Übergewicht der Schulranzen Gesundheitsschäden eingetreten sind (die Eltern oder die Schule), und wie kann ein solcher Nachweis dokumentiert werden?

Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kulturhat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 27. Dezember 2007 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Die Gesundheitsförderung ist eine wichtige Aufgabe der Landesregierung. Besondere Verantwortung trägt sie dort, wo sich Kinder und Jugendliche in staatlicher Obhut befinden, vor allem also, wenn sie in die Schule gehen. Zahlreiche Projekte, die das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur mit Partnerorganisationen durchführt, unterstreichen dies. Stellvertretend nenne ich an dieser Stelle:

Das Programm „Klasse 2000" zur Gesundheitsförderung und Suchtvorbeugung an Grundschulen, das Programm „Ich-Du-Wir" zur Primärprävention an Grundschulen, das Projekt „Gesund leben lernen" zum Aufbau eines Netzwerks gesundheitsfördernder Schulen, das Projekt „Gesunder Kinderrücken ­ Bewegung macht stark" in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft für Hal, 24. Januar 2008 tungs- und Bewegungsförderung (BAG) sowie der Unfallkasse Rheinland-Pfalz. Auch das Projekt „Bewegte Kinder ­ Schlaue Köpfe" wird mit diesen Partnern an Grund- und Förderschulen durchgeführt.

Die Vermeidung gesundheitlicher Schäden ist heute eine permanente Gemeinschaftsaufgabe aller am Schulleben Beteiligten. Nicht nur die Wahl des richtigen Ranzens, sondern auch die regelmäßige Kontrolle seines Inhalts verringern die gesundheitlichen Gefahren.

Das Thema „Gewicht von Schulranzen" wird in der Bekanntmachung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom 30. April 2001 (Gemeinsames Amtsblatt 1/2001, Seite 8) angesprochen. Darin werden Schulleitung und Lehrkräfte aufgefordert, alles zu tun, um Gesundheitsschäden durch zu schwere Ranzen entgegenzuwirken.

Lehrerinnen und Lehrer erinnern die Eltern an die erhöhte Sorgfalt bei der möglichst täglichen Inhaltskontrolle, sie weisen die Schülerinnen und Schüler darauf hin, nur die wirklich benötigten Unterrichtsmaterialien mitzunehmen.

Die Eltern von einzuschulenden Kindern erhalten mit der Broschüre „Ich freue mich auf die Schule" Tipps zum optimalen Ranzengewicht. Eltern, die regelmäßig mit ihrem Kind die Schultasche „entrümpeln", entlasten den Bewegungsapparat ihrer Kinder von unnötigem Gewicht. So bleiben Unterrichtsmaterialien nicht im Ranzen, sie werden nur gepackt, wenn sie auch gebraucht werden.

Regelmäßig sollen die Beteiligten im Rahmen von schulischen Veranstaltungen, z. B. Elternabende oder Dienstbesprechungen, an ihre Sorgfaltspflichten erinnert werden. In den Gesprächen mit dem Schulträger hat die Schulleitung die Möglichkeit, auf die Verbesserung der Ausstattung mit Aufbewahrungsmöglichkeiten hinzuwirken. Auch Schulfeste bieten die Gelegenheit, über die Problematik „Gewicht des Schulranzens" zu informieren.

Sofern die Schule Aufbewahrungsmöglichkeiten vorhalten kann, sollten Schülerinnen und Schüler diese zu ihrer Entlastung nutzen.

Darüber hinaus kann nach Rücksprache mit der Lehrkraft z. B. ein Bücherplan erstellt werden, der sicherstellt, dass ein Buch pro Bank im Unterricht verfügbar ist. Wenn die erforderlichen Ressourcen vorhanden sind, kann ein zweiter Satz Schulbücher für den Verbleib in der Schule angeschafft werden.

Die Wirkung des Ranzengewichtes wird durch weitere Faktoren beeinflusst. Das Eigengewicht des Ranzens allein kann bis zu 2,5

Kilogramm betragen. Ein deutlich leichterer und zugleich stabiler Ranzen kann hier schon Entlastung bringen. Problematisch ist auch, dass die Schulranzen relativ voluminös geworden sind und dass es eine Größe für alle Altersstufen gibt. Das schafft den Anreiz, mehr als im Unterricht erforderlich ist einzupacken.

Von der Bundesärztekammer wird darauf hingewiesen, dass es im Einzelfall nicht ausreichend sei, das ideale Ranzengewicht (inklusive Inhalt) allein in Prozent zum Körpergewicht auszudrücken; die Variabilität der Konstitutionen und Körperhaltungen von Kindern und Jugendlichen ist sehr unterschiedlich. Es ist vielmehr von entscheidender Bedeutung, wie das Gewicht auf die Wirbelsäule „aufgetragen" wird. Das heißt, die Belastung der Bandscheiben, Deckplatten und Zwischenwirbelgelenke hängt davon ab, wie weit der Schwerpunkt der Last vom Rücken entfernt ist. Bei einem gesunden und physiologisch gekrümmten Rücken kann die am Körper anliegende Schultasche problemlos bis 20 % des Körpergewichts betragen. Umgekehrt sollte jedoch bei einer Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) oder einem Hohlrundrücken das Gewicht unter Umständen auch deutlich weniger als 10 % sein. Fehlbelastungen können auftreten, wenn der Ranzen einseitig getragen wird. Der Körper muss dann zum Ausgleich der einseitigen Belastung eine ausgleichende Haltung einnehmen. Dies kann zu einer hohen Belastung führen, so dass auch ein optimales Ranzengewicht zur Rückenlast werden kann.

Regelmäßige Bewegung kräftigt die Muskulatur und sorgt für eine verbesserte Belastungsverträglichkeit. Eine gesunde kindliche Wirbelsäule wird die zeitliche und gewichtsmäßige Belastung durch den Schulranzen besser tolerieren. Dies schließt die empfohlenen präventiven Maßnahmen nicht aus. Tägliche Bewegungs- und Sportzeiten leisten einen wichtigen Beitrag, um den kindlichen Haltungs- und Bewegungsapparat zu stabilisieren.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Einzelfragen wie folgt:

Zu Frage 1: Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor.

Zu Frage 2: Die Vermeidung gesundheitlicher Schäden ist heute eine permanente Gemeinschaftsaufgabe aller am Schulleben Beteiligten. Ich verweise hierzu auf die Vorbemerkungen. Im Sinne der Fragestellung sollten Eltern gemeinsam mit den Lehrkräften nach Möglichkeiten einer Verringerung des Ranzengewichts suchen.

Zu den Fragen 3, 4 und 5: Eine Regelung, die das maximale Ranzengewicht verbindlich vorschreibt, gibt es in Rheinland-Pfalz nicht. Ich verweise hierzu auf die Vorbemerkungen. Dementsprechend stellen sich auch Haftungs- und Beweisführungsfragen aus der Verletzung einer solchen Vorschrift nicht.