Eigenheim

62 Nr. 8 Bewertungsstellen von Finanzämtern

Die Bewertungsstellen der Finanzämter arbeiteten vielfach auf der Grundlage nicht aktualisierter und daher unzutreffender Datenbestände. Einnahmeausfälle bei der Grund- sowie der Erbschaft- und Schenkungsteuer waren nicht auszuschließen.

Die Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen ließen in großem Umfang Grundbesitzwerte feststellen, die keine steuerlichen Auswirkungen hatten. Personal wurde nicht wirtschaftlich eingesetzt.

Im Bereich der Einheitsbewertung und der Grundsteuer besteht Reformbedarf.

1. Allgemeines:

Die Bewertungsstellen der Finanzämter stellen für den inländischen Grundbesitz vor allem zur Festsetzung der Grundsteuer Einheitswerte fest. Zudem ermitteln sie bei Bedarf und auf Anforderung der Erbschaft- und Schenkung- sowie der Grunderwerbsteuerstellen aktuelle Grundbesitzwerte - sogenannte Bedarfswerte - zur Festsetzung der jeweiligen Steuer.

In den Jahren 2006 und 2007 hat der Rechnungshof 1.100 Einheits- und 600 Bedarfsbewertungen der Finanzämter Bad Kreuznach und Kaiserslautern sowie die steuerlichen Auswirkungen von über 2.600 Bedarfswertfeststellungen untersucht. Dabei hat er auch Feststellungen der Finanzämter Bingen-Alzey, Bitburg-Prüm, Daun, Mainz-Süd und Montabaur-Diez einbezogen.

2. Wesentliches Ergebnis der Prüfung

Datenbestände der Bewertungsstellen

Die Bewertungsstellen stellen die Einheitswerte für den Grundbesitz auf der Grundlage der Wertverhältnisse des Jahres 1964 fest. Bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere bei einer Veränderung der Wohnflächen, ist eine Anpassung der Einheitswerte zu prüfen.

Datenabgleich innerhalb der Finanzämter

Die Bewertungsstellen der Finanzämter arbeiteten auf der Grundlage nicht aktualisierter und vielfach nicht mehr zutreffender Daten. So ergab ein Vergleich der Einheitswertakten mit den Angaben in Anträgen auf Gewährung von Eigenheimzulage und in Einkommensteuererklärungen mit Vermietungseinkünften Folgendes:

- Die Angaben zu den Wohnflächen in den Anträgen auf Gewährung von Eigenheimzulage und in den Einheitswertakten wichen in 20 % der untersuchten Fälle erheblich voneinander ab.

- Bei dem entsprechenden Vergleich der Einheitswertakten mit Einkommensteuerakten ergab sich sogar eine Abweichungsquote von 25 %.

Zudem hatten die Bewertungsstellen vielfach die Angaben in den Feststellungserklärungen für den Bedarfswert aus den Einheitswertakten ohne nähere Prüfung um Daten ergänzt, die teilweise vor mehr als 30 Jahren erfasst worden waren.

Die Verwendung unzutreffender Daten führt zu fehlerhaften Wertfeststellungen und insoweit auch zu fehlerhaften Festsetzungen der Grundsteuer, die den Kommunen zusteht), sowie der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die dem Land zufließt). Steuerausfälle sind die Folge.

Die Oberfinanzdirektion Koblenz hat erklärt, die Problematik der Aktualität der Einheitswertakten hinsichtlich des Gebäudebestandes sei bekannt. Hauptursache sei der lange Hauptfeststellungszeitraum - inzwischen fast 43 Jahre - und das gleichzeitige Fehlen einer allgemeinen Erklärungspflicht über Grundstücksveränderungen auf der Seite der Grundstückseigentümer. Das Problem der Übernahme ggf. veralteter Informationen aus den Einheitswertakten werde gegenüber den Bewertungsstellen thematisiert mit dem Ziel, die Problematik künftig sensibler zu handhaben. Artikel 106 Abs. 6 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034). 2) Artikel 106 Abs. 2 Grundgesetz.

2.1.2 Mitteilungen über bauliche Veränderungen

Die unteren Bauaufsichtsbehörden haben die Finanzämter grundsätzlich vierteljährlich über fertiggestellte Bauvorhaben zu unterrichten).

Eine Kreisverwaltung informierte das zuständige Finanzamt über 405 Baumaßnahmen zum Teil erheblich verspätet.

Die Auswertungen durch die Bewertungsstellen führten zu Erhöhungen der bisher festgestellten Einheitswerte um über 9,5 Mio.. Die Kommunen konnten dadurch bis einschließlich 2006 Grundsteuer von mehr als 279.000 nachträglich festsetzen. In 27 Fällen waren Grundsteueransprüche verjährt.

Nach Berichten der Finanzämter kamen auch in anderen Fällen untere Bauaufsichtsbehörden ihrer Meldepflicht nicht im gebotenen Umfang nach. Dies sei u. a. darauf zurückzuführen, dass die Behörden die Mitteilungen, mit denen die Bauherren die Fertigstellung ihrer Vorhaben anzuzeigen haben, nicht überwachten.

Ein einheitliches elektronisches Verfahren, mit dessen Hilfe die unteren Bauaufsichtsbehörden bekannt werdende Baumaßnahmen den Finanzämtern zeitnah mitteilen, könnte hier Abhilfe schaffen.

Das Ministerium der Finanzen hat erklärt, der Anregung des Rechnungshofs werde nachgegangen. Zu beachten sei jedoch, dass die computertechnische Ausstattung der - kommunalisierten - unteren Bauaufsichtsbehörden nicht dem Einfluss des Ministeriums unterliege. Datenschutzrechtliche Aspekte seien vorab noch zu klären.

Bedarfswerte ohne erbschaftsteuerliche Auswirkung

Für Zwecke der Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer werden bei Bedarf bei den Bewertungsstellen aktuelle Grundbesitzwerte angefordert und von diesen festgestellt.

Nach den Feststellungen des Rechnungshofs zog im Jahr 2004 durchschnittlich jede dritte für erbschaftsteuerliche Zwecke angeforderte Bedarfswertfeststellung keine Festsetzung von Erbschaftsteuer nach sich;

Der Rechnungshof hat darauf hingewiesen, dass sich bei bebauten Grundstücken bereits auf der Grundlage der Wohnfläche, des Baujahres des Gebäudes und des Mietwerts laut Mietspiegel eine einfache, aber genauere Bestimmung des voraussichtlichen Bedarfswerts vornehmen lässt. Bei unbebauten Grundstücken werden sogar nur die Angaben zur 3) § 29 Abs. 3 Bewertungsgesetz (BewG) in der Fassung vom 1. Februar 1991 (BGBl. I S. 230), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330), in Verbindung mit dem Erlass des Ministeriums der Finanzen vom 7. Februar 1990, Az.: 2015-456.

Grundstücksgröße und zum Bodenrichtwert benötigt. Holten die Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen diese Werte mittels elektronischer Abfragen bei den Bewertungsstellen ein, könnten diese ihre Arbeit auf die steuerlich relevanten Fälle konzentrieren. Ein wirtschaftlicherer Personaleinsatz wäre die Folge.

Außerdem hat der Rechnungshof angeregt zu prüfen, ob eine vollständige Bearbeitung der Erbschaft- und Schenkungsteuerfälle einschließlich der Bedarfsbewertungen durch die Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen kürzere Bearbeitungszeiten und damit zeitnähere Festsetzungen ermöglicht.

Die Oberfinanzdirektion hat erklärt, sie werde versuchen, den Erbschaftsteuerstellen eine qualifizierte Vorberechnung des festzustellenden Bedarfswerts zu ermöglichen. Überlegungen zur Frage der Verlagerung der Bedarfsbewertung seien aufgrund der noch offenen künftigen Rechtssituation im Bewertungsrecht verfrüht. Sollte gleichwohl eine Anbindung an die Erbschaftsteuerstellen zugunsten kürzerer Bearbeitungszeiten angestrebt werden, könnten die Bewertungsstellen an diese angegliedert werden.

Der Rechnungshof geht davon aus, dass die Oberfinanzdirektion die Anbindung der Bedarfsbewertung an die Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen weiterverfolgt.

Folgerungen für ein künftiges Grundsteuersystem

Die aufgezeigten Defizite im Datenbestand der Bewertungsstellen stellen die Durchsetzung von Besteuerungsansprüchen und eine gleichmäßige Besteuerung)4 in Frage). Sie belegen die Notwendigkeit einer Reform des Grundsteuersystems, das zudem in wesentlichen Teilen an Wertverhältnisse des Jahres 1964 anknüpft.

Auch der Koalitionsvertrag zwischen der CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 für die 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestags nennt als Reformziel die Neuregelung der Grundsteuer einschließlich ihrer Bemessungsgrundlagen. Bereits zuvor hatten die Länder Bayern und Rheinland-Pfalz Vorschläge für eine Grundsteuerreform ausgearbeitet).

Das Ministerium teilt die Auffassung, dass hinsichtlich der Grundsteuerreform zügig weitergearbeitet werden müsse.

Wertermittlung

Bei den bisherigen Reformüberlegungen wird weiterhin die Wohnfläche der Einheitswertermittlung zugrunde gelegt.

Damit würden auch in der Zukunft regelmäßige Bestandsaufnahmen erforderlich, die wegen des damit verbundenen Aufwands schon bei dem derzeitigen Grundsteuersystem nicht durchgeführt wurden. Außerdem können kleinere genehmigungs- und anzeigefreie Bauvorhaben, wie bestimmte Dachgeschossausbauten, die zu einer Änderung der Einheitsbewertung führen können, von den Bewertungsstellen nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise erfasst werden.

Vor diesem Hintergrund hat der Rechnungshof vorgeschlagen, die Bewertung durch die Vorgabe eines Wertansatzes zu vereinfachen, der geringeren Veränderungen als die Wohnfläche unterliegt.

Das Ministerium hat erklärt, die Frage der Bewertung müsse noch abgewogen werden. Die neu zu schaffende Bemessungsgrundlage müsse möglichst einfach und transparent sein. Vieles spreche dafür, auf die Bruttogrundfläche abzustellen. Dies sei fachlich noch genau zu prüfen.

Übertragung der Einheitsbewertung

Die Einheitsbewertung diente zunächst auch der Festsetzung der Vermögensteuer, deren Ertrag dem Land zufloss).

Diese wird seit 1997 nicht mehr erhoben. Trotzdem verblieb die Einheitsbewertung bei den Finanzämtern, die die Einheitswerte gegenwärtig im Wesentlichen nur noch für die Kommunen zur Festsetzung der Grundsteuer ermitteln.

Daher hat der Rechnungshof angeregt zu untersuchen, ob Verwaltungs- und Ertragshoheit durch Übertragung der Bewertungsaufgaben auf die Kommunen zusammengeführt werden können. Diese Anregung könnte im Zuge der angestrebten Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz aufgegriffen werden.

Das Ministerium hat erklärt, auch die Frage der Kommunalisierung müsse noch sorgfältig abgewogen werden.

Nach Artikel 3 Grundgesetz in Verbindung mit § 85 Abgabenordnung (AO) in der Fassung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2332), haben die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Systematische Vollzugsdefizite können nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991 die Verfassungswidrigkeit materieller Steuernormen begründen (BVerfGE 84, 239). 6) Bericht des Bayerischen Staatsministers der Finanzen und des Ministers der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz vom Januar 2004 über die Reform der Grundsteuer. Artikel 106 Abs. 2 Grundgesetz.