Zeugenschutzharmonisierungsgesetz
>Nach dem Zeugenschutzharmonisierungsgesetz (ZSHG: vgl. hierzu bereits Abschnitt 6.2) können Schutzmaßnahmen für Personen ergriffen werden,
ohne deren Angaben in einem Strafverfahren die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts der oder des Beschuldigten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (§ 1 Abs. 1 ZSHG),
die den vorbenannten Personen oder deren Angehörigen nahestehen, die ihrerseits aufgrund der Aussagebereitschaft einer Gefährdung von Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit oder wesentlicher Vermögenswerte ausgesetzt sind (§ 1 Abs. 2 ZSHG),
die den genannten Personen sonst nahestehen oder Angehörige, sofern es für den Zeugenschutz erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 ZSHG).
Der Schutz der Personen nach Maßgabe des Gesetzes obliegt der Polizei oder den sonst nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Behörden als Zeugenschutzdienststellen (§ 2 Abs. 1 ZSHG). Die mit dem Zeugenschutz befassten Personen dürfen die ihnen bekannt gewordenen Erkenntnisse über Zeugenschutzmaßnahmen nicht unbefugt offenbaren (§ 3 Abs. 1 ZSHG). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und der Zeugenschutzdienststelle sind allerdings in Strafverfahren unter Berücksichtigung der die Verschwiegenheitspflicht öffentlich Bediensteter betreffenden Sonderregelungen zur Auskunft auch über den Zeugenschutz verpflichtet (§ 2 Abs. 3 ZSHG). Öffentliche Stellen sollen auf Ersuchen der Zeugenschutzdienststelle personenbezogene Daten der zu schützenden Person sperren, soweit nicht entgegenstehende öffentliche Interessen oder schutzwürdige Interessen Dritter überwiegen (§ 4 Abs. 2 ZSHG). Auch von nicht öffentlichen Stellen kann die Zeugenschutzdienststelle verlangen, personenbezogene Daten der zu schützenden Person zu sperren (§ 4 Abs. 3 ZSHG).
Auf Ersuchen der Zeugenschutzdienststelle sollen öffentliche Stellen für eine zu schützende Person Urkunden oder sonstige Dokumente zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer vorübergehend geänderten Identität (Tarndokumente) herstellen. Von nicht öffentlichen Stellen kann die Zeugenschutzdienststelle verlangen, für eine zu schützende Person Tarndokumente mit den mitgeteilten Daten herzustellen oder zu verändern sowie die geänderten Daten zu verarbeiten (§ 5 Abs. 2 ZSHG). Es gibt allerdings Ausnahmen: So dürfen etwa Personalausweise nicht für Personen ausgestellt werden, die nicht Deutsche im Sinne von Artikel 116 des Grundgesetzes sind (§ 5 Abs. 1 ZSHG). Den Maßnahmen dürfen öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und gegenläufige schutzwürdige Interessen Dritter dürfen nicht überwiegen.
Die zu schützende Person darf unter der Tarnidentität am Rechtsverkehr teilnehmen (§ 5 Abs. 3 ZSHG). Sie ist auch berechtigt, in einem gerichtlichen Verfahren außerhalb des Strafprozesses abweichend von den Bestimmungen der jeweiligen Verfahrensordnung, Angaben zur Person nur über eine frühere Identität zu machen und unter Hinweis auf den Zeugenschutz Angaben, die Rückschlüsse auf die gegenwärtigen Personalien sowie den Wohn- und Aufenthaltsort erlauben, zu verweigern (§ 10 Abs. 1 ZSHG).
Soweit die Gefährdung fortbesteht, werden die Zeugenschutzmaßnahmen auch nach Beendigung des Strafverfahrens fortgeführt.
Bei fortbestehender Gefährdung richten sich die Schutzmaßnahmen nach allgemeinem Gefahrenabwehrrecht (§ 1 Abs. 4 ZSHG).
3. Polizei- und Ordnungsbehördengesetz
Das rheinland-pfälzische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) schreibt die vornehmliche Aufgabe der Polizei fest, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, Vorbereitungen zur Gefahrenabwehr zu treffen und Straftaten vorbeugend zu bekämpfen (§ 1 Abs. 1 POG). Hierzu sieht das Gesetz ein breit gefächertes Handlungsinstrumentarium vor.
Mit dem am 10. März 2004 in Kraft getretenen Änderungsgesetz erfuhr das rheinland-pfälzische Polizeirecht auch im Bereich des Opferschutzes eine signifikante Novellierung: Zum Schutz der Opfer von Gewalt in engen sozialen Beziehungen wurden die bis dahin bestehenden Befugnisse des Platzverweises und der Ingewahrsamnahme erweitert. Die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei können eine Person zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, für die Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte nunmehr auch zeitlich befristet aus ihrer Wohnung verweisen und ihr das (Wieder-)Betreten der Wohnung für eine gewisse Dauer verbieten (§ 13 Abs. 2 POG). Ferner wurde die Polizei in bestimmten Fällen zum Erlass von Kontakt- und Näherungsverboten ermächtigt: Nach § 13 Abs. 4 POG kann sie der verantwortlichen Person in Fällen der Gewalt in engen sozialen Beziehungen zur Abwehr einer der vorbeschriebenen Gefahren vorübergehend untersagen,
sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der betroffenen Person aufzuhalten,
Verbindung, ggf. auch fernmündlich, zu ihr aufzunehmen oder
Zusammentreffen mit ihr herbeizuführen, soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich sein sollte.
Die Polizei kann eine Person auch in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerlässlich ist,
um eine Platzverweisung oder ein Aufenthaltsverbot nach § 13 POG durchzusetzen (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 POG) oder
um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 POG).
Neben der Neuregelung weiterer polizeilicher Instrumentarien zur Gefahrenabwehr wurde auch die besondere Bedeutung der Kriminalprävention auf kommunaler Ebene bei der Verbrechensbekämpfung durch ihre ausdrückliche Verankerung im Gesetz unterstrichen: § 1 Abs. 8 POG bestimmt, dass alle Träger öffentlicher Aufgaben im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Vermeidung strafbarer Verhaltensweisen beitragen und zusammenwirken. Die allgemeinen Ordnungsbehörden können kriminalpräventive Gremien unter Beteiligung der Polizei einrichten und alle Kräfte, die sich mit der Verhütung von Straftaten befassen, vernetzen.
Das „Opfer von Straftaten" findet seit 2004 in § 26 Abs. 3 Nr. 2 POG ausdrückliche Erwähnung. Die Vorschrift erlaubt der Polizei zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten die Erhebung (und nach § 33 Abs. 5 auch die Speicherung und Nutzung) personenbezogener Daten über Personen, bei denen durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie Opfer von Straftaten werden.
4. Schutz von Kindern und Jugendlichen Unsere jüngsten Mitbürgerinnen und Mitbürger bedürfen des Schutzes der Allgemeinheit in besonderem Maße. Nicht selten sind sie Angriffen, Gefahren und Verletzungen hilflos ausgeliefert. Unbeschadet der ihnen im Rahmen eines Strafverfahrens zustehenden Rechte, die ihre Wirkung aber erst nach einer Verletzung entfalten, und den ihrem Schutz dienenden Mitteilungen in Strafsachen (vgl. Abschnitt B, I. 6.5) gilt es, Kinder und Jugendliche nachhaltig vor Kriminalität zu bewahren.
Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung „Jedes Kind hat ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung. Die staatliche Gemeinschaft schützt und fördert die Rechte des Kindes. Nicht eheliche Kinder haben den gleichen Anspruch auf Förderung wie eheliche Kinder. Kinder genießen besonderen Schutz insbesondere vor körperlicher und seelischer Misshandlung und Vernachlässigung". (Artikel 24 der rheinland-pfälzischen Verfassung) Pflege und Erziehung der Kinder sind nach Artikel 6 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes (GG) das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Allerdings wacht die staatliche Gemeinschaft über ihre Betätigung (Artikel 6 Abs. 2 S. 2 GG). Artikel 25 Abs. 1 der rheinland-pfälzischen Verfassung enthält eine vergleichbare Regelung. Dieser Auftrag wird durch das Achte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII; Kinder- und Jugendhilfe) konkretisiert. Zur Verwirklichung ihres Rechts auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten soll die Jugendhilfe Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen (§ 1 Abs. 1 und 3 Nr. 3 SGB VIII). § 8 a SGB VIII präzisiert den Schutzauftrag bei einer Gefährdung des Kindeswohls. Das Jugendamt ist hiernach verpflichtet
das Gefährdungsrisiko abzuschätzen, falls ihm gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt werden,
unter bestimmten Voraussetzungen andere Stellen, wie etwa das Familiengericht, Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder die Polizei, einzuschalten.
Es ist zudem unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt und verpflichtet, eine minderjährige Person in seine Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für ihr Wohl besteht (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).
Darüber hinaus bestimmt § 23 Abs. 1 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AGKJHG), dass die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ein ausreichendes Hilfeangebot zum Schutz vernachlässigter, misshandelter oder sexuell ausgebeuteter Mädchen und Jungen festlegen. Die Jugendhilfeplanung sieht die Einrichtung von Kinderschutzdiensten und anderen Fachdiensten vor, deren Aufgabe es ist, den Mädchen und Jungen, die Opfer von Vernachlässigungen, Misshandlungen oder sexueller Ausbeutung werden, die erforderlichen Hilfen zum Schutz vor weiteren Gefährdungen, zur Verarbeitung ihrer Erlebnisse und zur Heilung erlittener seelischer und körperlicher Verletzungen zu leisten oder zu vermitteln.
Landesgesetz zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit (Landeskinderschutzgesetz)
Der rheinland-pfälzische Landtag hat am 7. März 2008 das Landesgesetz zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit (Landeskinderschutzgesetz LKindSchuG) verabschiedet. Das am 21. März 2008 in Kraft getretene Gesetz verbindet programmatisch Aufgaben des Kindesschutzes sowie der Kindergesundheit und fördert die Vernetzung von Jugend- und Gesundheitshilfe. Es setzt vor38 nehmlich auf die Begleitung und Unterstützung von Müttern und Vätern in der frühen Lebensphase der Kinder. Es ist präventiv ausgerichtet und trägt dem Wissen Rechnung, dass Prävention in der frühen Kindheit der beste Schutz vor Gefährdungen des Kindeswohls ist. Geregelt werden Maßnahmen zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit durch frühe Förderung und rechtzeitige Hilfen, um Vernachlässigung, Missbrauch und Misshandlung zu vermeiden (§ 1 Abs. 2 LKindSchuG). Als Ziele schreibt das Gesetz ausdrücklich fest:
die Gewährleistung notwendiger niedrigschwelliger Angebote zur Förderung des Kindeswohls,
die Früherkennung von Risiken für das Kindeswohl und die konsequente Sicherstellung der erforderlichen Hilfen,
den Aufbau lokaler Netzwerke zur Förderung des Kindeswohls und zur Verbesserung des Kinderschutzes und
die Förderung von Kindergesundheit, insbesondere durch Früherkennungsuntersuchungen.
Der Aufbau lokaler und interdisziplinärer Netzwerke erfolgt unter der Federführung der öffentlichen Träger der Jugendhilfe (§ 1 Abs. 3 LKindSchuG). Das Landeskinderschutzgesetz sieht vor, dass die örtlichen Träger der Jugendhilfe in ihrem Bezirk die Bildung eines lokalen Netzwerks mit dem Ziel sicherstellen, umfassend durch Früherkennung von Risiken für Fehlentwicklungen sowie durch rechtzeitige Förderung und Hilfe einen wirksamen Schutz von Kindern vor Vernachlässigung, Missbrauch und Misshandlung zu erreichen (§ 3 Abs. 1 S. 1 LKindSchuG). 2 LKindSchuG).
Durch die Netzwerke werden verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Jugend- und Gesundheitshilfe, aber auch in anderen Bereichen geschaffen. Ziel der Zusammenarbeit der Beteiligten in einem lokalen Netzwerk ist vornehmlich, geeignete Rahmenbedingungen für eine wirkungsvolle Umsetzung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung nach § 8 a SGB VIII (vgl. hierzu Unterabschnitt 4.1) zu schaffen (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 LKindSchuG).
Das Landeskinderschutzgesetz schreibt die Unterstützung der örtlichen Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe bei der Sicherstellung eines wirksamen Kinderschutzes durch das Land fest (§ 1 Abs. 1 S. 4 LKindSchuG). Die Jugendämter erhalten für den Aufbau der lokalen Netzwerke einen Pauschalbetrag in Höhe von sieben Euro je Kind im Bezirk, das das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 4 Abs. 2 S. 1 LKindSchuG). Beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung wurde eine überregionale Servicestelle eingerichtet, die die Bildung der lokalen Netzwerke und deren Arbeit beratend unterstützt (§ 4 Abs. 1 LKindSchuG).
Zur Verbesserung der Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen sieht das Landesgesetz ein zentrales Einladungs- und Erinnerungswesen vor. Beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung ist eine Zentrale Stelle eingerichtet, die eng mit dem Zentrum für Kindervorsorge am Universitätsklinikum Homburg kooperiert. Ihre Aufgabe ist es, die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter rechtzeitig über anstehende Früherkennungsuntersuchungen zu informieren und zur Teilnahme aufzufordern (§§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 LKindSchuG). Nehmen Eltern die Früherkennungsuntersuchungen nicht in Anspruch, informiert die zentrale Stelle die Gesundheitsämter vor Ort, die ihrerseits mit den Familien Kontakt aufnehmen und auf die Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen hinwirken (§ 8 LKindSchuG). Wenn Eltern trotz der fachlichen Beratung des Gesundheitsamtes die Früherkennungsuntersuchung für das gesunde Aufwachsen ihres Kindes nicht nutzen oder sich Anhaltspunkte für Vernachlässigung, Missbrauch oder Misshandlung eines Kindes ergeben, setzt das Gesundheitsamt unverzüglich das Jugendamt (§ 9 Abs. 1 LKindSchuG) in Kenntnis. Die Jugendämter prüfen dann, ob ein Hilfebedarf besteht (§ 9 Abs. 2 LKindSchuG).
Nach § 12 des LKindSchuG sind die im Sinne des § 203 StGB grundsätzlich zur Verschwiegenheit bzw. Geheimhaltung verpflichteten Personen unter bestimmten Voraussetzungen befugt, dem Jugendamt Erkenntnisse mitzuteilen, wenn dies dringend erforderlich ist, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden.
Für die durch das Gesetz entstehenden Kosten werden den Trägern der Gesundheitsämter pauschal drei Euro für jedes Kind im Dienstbezirk erstattet, das das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 13 LKindSchuG).