Schweiz

864) Der Landesregierung hätte dieses Thema bekannt sein müssen, führte die Zeugin Dr. Berger aus, da es im Feuilleton der FAZ seit Ende der 70er Jahre ein Thema gewesen sei. Die Hauptthemen seien Barlach, Lehmbruck und dann eben Arp gewesen.

Wie die Zeugin Dr. Berger weiter ausführte, stelle sich das Problem posthumer Güsse überall. Je berühmter und begehrter ein Künstler sei, desto eher gebe es posthume Güsse. Arp sei natürlich nicht der Einzige. Es gebe sicher Künstler, die viel mehr posthum gegossen worden seien, und es gebe, so glaube sie, in den USA oder in Japan ganze Museen, wo dann beispielsweise 100 posthume Rodins gekauft und ausgestellt würden. Das sei aber natürlich etwas anderes in einem Museum, das einen ganz bestimmten Künstler erstmalig und höchstgültig präsentiere, wie das ja im Arp Museum geplant gewesen sei. 866) Es sei, so die Zeugin Dr. Berger, nicht so wichtig, wenn in einem Museum, in dem 20 oder 30 verschiedene Bildhauer vertreten seien, drei oder fünf der Werke posthume Güsse seien. Es sei etwas ganz anderes, wenn man ein neues Museum beginne und ein Konvolut ankaufe. Die Problematik bei Arp sei doch schon eine besondere gewesen.

Die Zeugin Dr. Berger führte weiter aus, ob ein Werk ein posthumer Guss sei, müsse nicht die entscheidende Frage sein. So seien beispielsweise in Lehmbruck-Museen die jahrzehntelangen Leihgaben der Familie angekauft worden, und unter den Figuren seien 80 oder 90 Prozent posthume Güsse. Ohne posthume Güsse könne man das Werk Lehmbrucks in diesen Museen nicht darstellen. Das sei für den Besucher nicht ganz so wichtig. Für den Wert der Sammlung an sich, für die Einschätzung dieses Werkes im Gesamtwerk sei es dagegen schon wichtig. Aber posthume Güsse könnten in einem Museum ein ziemlich vollgültiges Werk darstellen. Wenn ein Werk aber nur mit posthumen Güssen dargestellt werde, dann sei dies schwierig. Es sei immer eine Frage der Relation.

Dass es eine öffentliche Diskussion um posthume Güsse bereits seit geraumer Zeit gibt, bestätigte der Zeuge Dr. Vogel. Er sagte, solange er sich erinnere, habe es eine Diskussion gegeben, wie das mit Abgüssen sowie mit Vergrößerungen und Verkleinerungen sei, und wie lange nach dem Schaffen des Originals man noch Abgüsse machen könne und ob diese dann echt seien. Die Diskussion, was da echt und wertvoll und was da nicht mehr echt und nicht mehr so wertvoll sei, die sei immer wieder geführt worden.

Auch dem Zeugen Dr. Gölter war diese Thematik geläufig. So schilderte er, dass er anlässlich einer Sitzung der Kultusministerkonferenz in Düsseldorf von Prof. Werner Schmalenbach, dem damaligen Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, darauf hingewiesen worden sei, dass es bei Arp das Problem der Vergrößerung und auch der Nachgüsse gebe.

Dass die Problematik der posthumen Güsse keine Arp-spezifische ist, bestätigte der Zeuge Eggers. Man finde Nachgüsse, die zum Teil 100 Jahre nach dem Tod des Künstlers angefertigt seien. So sei etwa Rodin 1917 gestorben. Er habe Skulpturen gesehen, so der Zeuge Eggers, die 1995 angefertigt worden seien.

Der Zeuge Prof. Dr. Hofmann-Göttig bekundete, der Streit über den kunstwissenschaftlichen Wert posthumer Güsse werde weitergehen, im Arp-Museum wie in allen anderen Bildhauermuseen auch.

Einen Höhepunkt erreichte die Diskussion um posthume Güsse im Jahr 1997. Dort wurden mehrere Artikel, darunter von dem Zeugen Dr. Reising und der Zeugin Dr. Poley, in der FAZ veröffentlicht, die das Thema der posthumen Güsse im Zusammenhang mit den vom Land angekauften Werken behandelten; auch wandte sich die Schweizer Arp-Stiftung, wie den Presseberichten zu entnehmen war, an das Kultusministerium.

Der Zeuge Beck sagte hierzu, diese Diskussion habe ihn damals nicht überrascht. Wer es mit kulturellen Fragen zu tun habe, werde immer wieder auf solche Herausforderungen stoßen. Diejenigen, die nicht im Besitz solcher Kunstwerke seien, neigten immer dazu, denen, die im Besitz seien, dann zu sagen, das sei jetzt aber gerade schon über der Grenze dessen, was man noch als Original bezeichnen könne. Er habe keine eigene Beurteilungsgrundlage dafür. Man habe sich als Landesregierung an das gehalten, was Gutachten gesagt hätten. Ihn habe durchaus nicht so besonders beeindruckt, dass es dann von konkurrierenden Museen entlang des Rheins die größten Bedenken gegeben habe. Das scheine ihm auch nicht völlig ungewöhnlich zu sein, wenn um solche Standorte miteinander gerungen werde.

Im Zuge der Diskussion über posthume Güsse wurden mit der Rückgabevereinbarung vom 1. Juli 1998 in Verbindung mit dem 25. März 1998 insgesamt 21 Werke zurückgegeben. 875) Die zurückgegebenen Werke finden sich in der Anlage 1 zu dem Kaufvertrag vom 26. November 1998 (vgl. oben, III. 2. q).

Vor dem Hintergrund der vorerwähnten öffentlichen Diskussion fand am 12. Januar 1998 im Kultusministerium ein Expertengespräch statt, an dem nach Erinnerung des Zeugen Dr. Reising neben diesem selbst unter anderem auch die Zeugin Dr. Götte, der Zeuge Prof. Dr. Hofmann-Göttig, Herr Prof. Gallwitz, Herr Prof. Dr. Pfennig und Herr Dr. Meyer teilgenommen haben. Ausweislich des Protokolls des Gesprächs erklärte die Zeugin Dr. Götte, dass das Museum ein breites Spektrum des Künstlers Arp zeigen solle und der Rat der Experten bei künftigen Ankäufen gefragt sei. Die Entstehungszeit des Werks müsse im Museum aufgezeigt werden. In Zweifelsfällen solle nicht angekauft werden. Als Zweifelsfälle definiere sie alle posthumen Marmore und in der Größe vom Werksverzeichnis abweichenden Werke. Sie teile mit, dass Änderungen der Größe eines Werks, die Arp selbst veranlasst habe, akzeptiert würden, posthume Vergrößerungen bzw. Verkleinerungen jedoch nicht akzeptiert werden könnten.

Der Zeuge Dr. Reising wird in dem Protokoll unter anderem mit der Aussage zitiert, dass die Kunsthalle Karlsruhe posthume Werke zwar akzeptiere, sie aber besonders kennzeichne („Rarissima").

Die Zeugin Dr. Götte führte hierzu aus, die Frage der Nachgüsse habe das Ministerium immer wieder beschäftigt. Sie habe einmal eine größere Expertenrunde einberufen, die diese Frage habe klären sollen. Diese Runde habe gesagt, Nachgüsse in einer begrenzten Zahl seien möglich, aber es müsse von vornherein feststehen, wie hoch die Zahl sei. Wenn der Künstler selbst das nicht festgelegt habe, müsse man nach den üblichen Verfahren eine Zahl von fünf bis sieben Güssen festlegen. Es müsse die gleiche Größe sein wie das Original. Es könne nicht sein, dass man computergesteuert die Sache größer oder kleiner mache und sie dann als Original verkaufe. Solche Regeln seien vereinbart worden. Wenn nun ein Nachguss gemacht werde, der überhaupt nicht registriert sei, sei das nicht erlaubt. Solche Güsse dürften im Landesbesitz nicht auftauchen.

Der Zeuge Dr. Reising sagte, das Gespräch sei offen gewesen und habe sich um den Begriff des Originals gedreht. Die Zeugin Dr. Götte habe damals darauf bestanden, dass das Land nur Originale kaufen wolle. Herr Prof. Gallwitz habe hierzu damals applaudiert. Dann hätten Herr Dr. Meyer und er selbst die Hinweise gegeben, dass es unter anderem um Stücke gehe, so der Zeuge Dr. Reising, die etwa in seinen Presseartikeln in der FAZ erwähnt worden seien und bei denen sehr in Frage stehe, ob es sich um Originale handele. Auf die Vorhaltungen des Herrn Dr. Meyer und von ihm, dass ein Teil der Zeichnungen von Hans Arp mangelhaft sei, sei seitens des Arp-Vereins eingeräumt worden, dass Francois Arp, der Bruder Hans Arps, sie aus dem Mülleimer von Hans Arp gezogen habe, was er, der Zeuge Dr. Reising, schon bitter finde. Es gebe ein Foto, das den späten Hans Arp zeige, wie er Zeichnungen verbrenne. Das Ergebnis sei gewesen, so der Zeuge Dr. Reising, dass die Zeugin Dr. Götte die damals in Rede stehenden Marmorstücke zurückgegeben habe.

Mit Blick auf die aus dem Mülleimer gezogenen Zeichnungen fügte der Zeuge Dr. Reising hinzu, wenn es sich um einen „Arp" handele, sei man froh, dass man ihn habe. Es gehe um die Frage, wie man das handhabe, etwa beim Ankauf oder in der Wertigkeit. Er glaube nicht, dass die Kunsthalle Karlsruhe so ein Stück kaufen würde. Wenn man das privat machen wolle, sei man vielleicht stolz darauf. Bezogen auf die in dem Protokoll zitierte und von ihm gebrauchte Formulierung „Rarissima" erläuterte der Zeuge Dr. Reising, die Formulierung solle vielleicht einen Gegenstand bezeichnen, den man anders handhaben müsse, als es möglich wäre.

Man habe in der Kunsthalle Karlsruhe etwa von Daumier den „Rataploil". Den habe Daumier nie gesehen. Der sei zur Finanzierung der Witwe, als diese sehr arm gewesen sei, von Freunden in Auftrag gegeben worden. Man habe in Karlsruhe auch einen irrsinnig schönen Guss von Dalou, den Dalou erst nach seiner Rückkehr aus dem Exil in England habe sehen können. Der habe dazu gedient, ihn zu finanzieren. Es gebe einige Künstler, bei denen das so sei, bei denen es auch legitim sei. Bei Arp sei es nicht legitim, weil es genügend Arp-Werke gebe. Es gebe viele Museen, die solche Fälle so handhabten, dass nicht gekennzeichnet werde. An der Kunsthalle Karlsruhe bemühe man sich, Originale zu kaufen und das, was nicht original sei, auch zu kennzeichnen. Diese Kennzeichnung laute etwa „Guss 1980" oder „Nachguss". Oder es würden weitere Erläuterungen gegeben, aus denen hervorgehe, dass dieses Stück kein Original sei. Das gehöre sich so.

Zu der Frage der Kennzeichnung posthumer Güsse führte die Zeugin Dr. Berger aus, man habe gerade im Georg-KolbeMuseum in Berlin die Beschriftung geändert. Da habe vorher auch einfach nur „Bronze" und das Entstehungsdatum gestanden. Jetzt laute die Bezeichnung „Guss, dann und dann", auch „Guss zu Lebzeiten" oder „Guss, vermutlich posthum".

Als man in den Bildhauermuseen damit angefangen habe, habe man zunächst viele Besucher auch verwirrt, weil das ungewohnt gewesen sei. Man müsse schon ein wenig werten. Für den Besucher, der einen Überblick über Arp, Lehmbruck oder die Bildhauerei an sich haben solle, sei es nicht die erstrangige Frage. Im Katalog sei es sehr viel wichtiger.

Bereits im Jahre 1987 erwarb die Stiftung Bahnhof Rolandseck von Johannes Wasmuth zum Kaufpreis von 1 Million DM Werke von Künstlern, die zum Bahnhof Rolandseck in enger Verbindung standen.

Der Ankauf der Landessammlung erfolgte nach dem Abschluss der ersten Rahmenvereinbarung zwischen März 1996 und Juli 2004.

Das Land hat mit sechs Kaufverträgen insgesamt 404 Werke für einen Gesamtkaufpreis von knapp 20 Millionen DM (10,2 Millionen Euro) erworben. Darunter befinden sich 44 Plastiken, von denen elf posthum gegossen wurden. Diese posthumen Plastiken sind seit Jahren Gegenstand politischer und kunstwissenschaftlicher Diskussionen. Dabei handelt es sich um die im Bericht in der Fußnote 851 mit ihren laufenden Nummern bezeichneten Werke: 297 ­ Mediterrane Skulptur II; 1942; Plastik: Bronze (0/5, 1983), 298

­ Purzelbaum; 1942; Plastik: Bronze (0/5, 1976), 299 ­ Gehörte und gesehene Form; 1942; Plastik: Bronze (0/5, 1983), 300 ­ Lilie oder Elefantenzahn; 1958; Plastik: Bronze (0/3, 1976), 302 ­ Blumenkopf; 1960; Plastik: Bronze (0/5, 1976), 307 ­ Entschlossener Schritt; 1965; Plastik: Bronze (0/V, 1981), 361 ­ Im Walde auszusetzen; 1932; Plastik: Bronze (0/5, 1983), 362 ­ Sitzend; 1937; Plastik: Bronze (0/5, 1983), 363 ­ Muschel; 1938; Plastik: Bronze (0/3, 1983), 364 ­ Traumamphora; 1941; Plastik: Bronze (0/3, 1983) und 367 ­ Waldhut; 1960; Plastik: Bronze (0/5, 1981).

Den vorgenannten Kaufverträgen lagen qualifizierte Gutachten zugrunde, die die jeweiligen Werke bewerteten. Diese wurden erstellt von Herrn Otmar Neher, Galerist aus Essen, Herrn Prof. Dr. Manfred Fath, Direktor der Städtischen Kunsthalle Mannheim, sowie von Herrn Dr. Stecker, dem ehemaligen Direktor des Arp-Museums, und Frau von Asten, die Kuratorin im Arp-Museum ist. Zudem ließ die Landesregierung umfassende Dokumentationen der Kunstwerke erstellen. Die Kulturstiftung der Länder gewährte für die Ankäufe einen Zuschuss in Höhe von 4,5 Millionen DM (2,3 Millionen Euro), sodass für die Ankäufe insgesamt Landesmittel in Höhe von 15,5 Millionen DM (7,9 Millionen Euro) eingesetzt wurden.

Zur Absicherung des Landes sind in sämtlichen Kaufverträgen separate Garantieverträge zur Originalität der verkauften Werke aufgenommen worden, auf deren Grundlage das Land zur Rückabwicklung des Kaufs von nachträglich als nicht original klassifizierten Werken berechtigt ist.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Wertigkeit posthumer Güsse kein „Arp-spezifisches", sondern ein generelles Thema in der Kunst- und insbesondere der Bildhauerszene ist. Nach dem Tode eines Künstlers gegossene Skulpturen sind nach Auffassung der Sachverständigen nicht zwangsläufig weniger wertvoll als zu Lebzeiten eines Künstlers entstandene Werke und können in einem Museum ein ebenso vollgültiges Werk darstellen. Selbst bei posthum entstandenen Werken kann es zu Wertsteigerungen kommen.

Vor dem Hintergrund, dass sich unter den 44 in der Landesssammlung enthaltenen Plastiken ausweislich der in den Untersuchungsausschuss eingeführten Liste lediglich elf posthume Werke befinden, kann die Auffassung, wonach die Landessammlung nur die Hälfte des dafür gezahlten Preises wert sei, keinen Bestand haben. Diese elf Plastiken haben einen Ankaufswert von 1,1 Millionen DM (562 421,07 Euro). Die gesamte Landessammlung hat mindestens den Wert von 10,2 Millionen Euro (20 Millionen DM) der im Rahmen der sechs Kaufverträge an den Arp-Verein gezahlt wurde. Einer aktuellen Expertise des Kunsthauses Lempertz zufolge haben allein die Hauptwerke der Landessammlung einen Wert von 12 bis 13 Millionen Euro.

Dauerleihgaben

Bereits in den 70er Jahren überlegte die damalige Landesregierung, inwieweit die Arp-Kunstwerke von Johannes Wasmuth und dem Arp-Verein als Dauerleihgabe für das Land gesichert werden könnten. Diese Überlegungen wurden erst zu Beginn der 90er Jahre wieder aufgegriffen und flossen schließlich in eine entsprechende Absichtserklärung in der ersten Rahmenvereinbarung ein. Im Verlauf des Jahres 1996 einigten sich die Landesregierung und der Arp-Verein in Erfüllung der ersten Rahmenvereinbarung sodann auf insgesamt 248 Werke, die als Dauerleihgaben für das geplante Arp-Museum zur Verfügung gestellt werden sollten. Dieser Entscheidung lagen wiederum Gutachten von Otmar Neher und zudem von dem Gutachter Althöfer zugrunde, die den Gesamtwert der 248 Werke mit ca. 60 Millionen DM auswiesen. Zusammengefasst wurde die Sammlung der Dauerleihgaben in der sogenannten „Fiedler-Bender-Liste", in der alle 248 Werke fotografisch und schriftlich dokumentiert wurden. Im Jahre 2001 bestätigte der ArpVerein der Landesregierung auf deren explizite Bitte, dass das mit der „Fiedler-Bender-Liste" zur Dauerleihgabe bestimmte Konvolut vollständig vorhanden sei und zur Museumseröffnung zur Verfügung stehen werde. Unter den 248 Werken des Dauerleihgabenkonvolutes befanden sich auch 49 Plastiken, die noch gegossen werden mussten.