Schulbaurichtlinien noch zeitgemäß?

Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz hat in Diskussionen und Veröffentlichungen darauf hingewiesen, „dass ein verändertes Bildungssystem ein Umdenken in den Planungsstrukturen der Bauaufgabe Schule erfordert". In einer Mitteilung der Architektenkammer wird einer der gefragtesten deutschen Schulbauarchitekten wie folgt zitiert: „Pädagogische Fragen werden schon bei der Ausschreibung auf Raumprogramme reduziert, in denen es vor staatlichen Größenvorgaben wimmelt. Sie verhindern, dass Schulen zu schönen Häusern werden."

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung der Architektenkammer, die derzeit gültigen Schulbaurichtlinien neu zu fassen?

2. Welche Veränderungen der Richtlinien sind für welchen Schulbereich in Planung?

3. Welche Möglichkeiten einer Flexibilisierung der Richtlinien sieht die Landesregierung, um eine größere örtliche Gestaltung zu gewährleisten?

4. Welche Möglichkeiten bestehen bei unveränderten Schulbaurichtlinien für die Erstellung flexibler Raumstrukturen?

Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 4. Juni 2009 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Die Landesregierung ist an einem Austausch mit der Architektenkammer hinsichtlich der Weiterentwicklung des Schulbaus und der Schulbauförderung sehr interessiert. Dies belegt unter anderem das gemeinsame Projekt „Schule bauen ­ Bauen schult", mit dem die Kommunikation der Partner im Bauprozess (Schulträger, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern als Nutzer und Architekten) verbessert und mit dem durch Wettbewerbsverfahren die Qualität im Schulbau gesteigert werden soll. Allen Beteiligten ist bewusst, dass der Schulbau heute zeitgemäße Antworten auf die pädagogische Weiterentwicklung geben muss. Auch deshalb soll die Verwaltungsvorschrift „Bau von Schulen und Förderung des Schulbaus" vom 15. März 1996 ­ die sogenannte Schulbaurichtlinie ­ neu gefasst werden. Der Entwurf der Neufassung liegt bereits vor und das Anhörverfahren dazu ist eingeleitet.

Rheinland-Pfalz gehört zu den wenigen Ländern, in denen es die Bezuschussung von Bauprojekten durch Landesmittel überhaupt noch gibt. Um eine gerechte Mittelverteilung zu erreichen, sind Vorschriften für Verfahren und Förderbedingungen unumgänglich. Dies fordern im Übrigen auch die Bestimmungen zur Landeshaushaltsordnung. Rahmenraumprogramme dienen zudem dem Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Ohne solche Vorgaben ­ die letztlich als Mindestanforderungen zu sehen sind ­ bestünde die Gefahr, dass Schulen in ärmeren Kommunen wesentlich schlechter ausgestattet wären als in wohlhabenderen Kommunen. Denn die Schulträgerschaft und damit die Verantwortung für die Schulgebäude ist eine Aufgabe der Kommunen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt.

Zu Frage 1: Auch die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Schulbaurichtlinie neu gefasst werden sollte. Ein Entwurf der Neufassung ist der Architektenkammer und vielen anderen betroffenen Institutionen im Rahmen der Anhörung bereits zugeleitet worden.

Zu Frage 2: Die Veränderung der Schulbaurichtlinie soll alle Bereiche betreffen: nicht nur die allgemeinen Bestimmungen über Anforderungen an das Schulgelände und die Räume, sondern auch die Verfahrensbestimmungen und Rahmenraumprogramme sollen überarbeitet werden. Hierbei werden selbstverständlich auch Anregungen, die im Rahmen der Anhörung geäußert wurden, aufgenommen.

Durch die Neufassung werden alle Schulbereiche berührt sein.

Zu Frage 3: Möglichkeiten der Flexibilisierung können sich sowohl durch die Änderungen von Verfahrensbestimmungen und Voraussetzungen für die Bewilligung von Fördermitteln als auch durch die Änderung im Umgang mit Rahmenraumprogrammen ergeben. Schon bisher galt, dass der Schulträger das Raumprogramm jederzeit um weitere Räume ergänzen kann. Sofern diese Ergänzung bezuschusst werden soll, kann dies allerdings nur mit Zustimmung der Schulbehörde geschehen. Zukünftig soll die Schulbaurichtlinie beispielsweise auch innerhalb der Rahmenraumprogramme ausdrücklich den Austausch von Flächen ermöglichen, sofern die Funktionsfähigkeit und die Funktionalität der Schule nicht beeinträchtigt und die Gesamtgröße der Hauptnutzfläche nicht überschritten wird.

Zu Frage 4: Auch heute besteht schon die Möglichkeit und Notwendigkeit der Erstellung flexibler Raumstrukturen. Flexibilität von Gebäuden ist unbedingt erforderlich, da Gebäude für mindestens 30 bis 50 Jahre errichtet werden, sich in dieser Zeit aber unterschiedliche pädagogische Anforderungen an die Räume ergeben können. Flexibilität zeigt sich in mehrfacher Hinsicht: Erstens sollte der Grundriss von vornherein verschiedene Nutzungen ermöglichen. Dies kann einerseits dadurch gewährleistet werden, dass die Anordnung und Größe der Räume verschiedene Lernformen und Lernbereiche und unterschiedlich große Lerngruppen ermöglicht. Andererseits kann durch die Zusammenschaltbarkeit oder Öffnung von Räumen ­ zum Beispiel durch mobile Wände ­ Flexibilität erreicht werden. Außerdem sollten auch außerschulische Nutzungen denkbar sein. Zweitens sollte die Raumgestaltung zu Flexibilität führen: Lässt das Mobiliar unterschiedliche Einrichtungen zu? Kann schnell und unaufwändig zwischen verschiedenen Lernformen (z. B. Gruppenarbeit, Frontalunterricht, Austausch im Stuhlkreis) gewechselt werden? Sind die Stühle und Tische also schnell beweglich, gegebenenfalls stapelbar etc.? Drittens sollte der Raum auf verschiedene Stimmungen reagieren können und deshalb unterschiedliche Atmosphären erzeugen können: Gibt es Rückzugsräume, gibt es Kommunikationsräume? Ist das Farbkonzept ansprechend für kleinere, für größere Schülerinnen und Schüler? Kann es ggf. geändert werden? Neubauten von Schulen in jüngerer Zeit haben gezeigt, dass es möglich ist, auf all diese Fragen Antworten zu finden. Allerdings ist Flexibilität nicht nur eine Frage der Schulbaurichtlinien und der Architekten, sondern auch der Möblierung, des Gebäudemanagements und ­ nicht zuletzt ­ auch der Pädagogik.