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Unanbringliche Beträge

Nicht alle bei der Landeshauptkasse Bremen eingehenden Geldbeträge können sofort einer Empfänger-Dienststelle zugeordnet werden. Es fehlen notwendige Buchungsdaten. Die Beträge werden deshalb auf einem Verwahrkonto außerhalb des Haushalts gebucht.

Trotz aufwendiger Bemühungen, Geldbeträge richtig zuzuordnen, sind die Verwahrfälle zu zahlreich und die Verwahrbeträge zu hoch.

1 Prüfungsgegenstand - Bei der Landeshauptkasse Bremen (LHK) gehen täglich Zahlungen ein, die im laufenden Betrieb des Haushalts-, Kassen- und Rechnungs-Verfahrens (HKR-Verfahren) nicht sofort nach Eingang den richtigen Dienststellen zugeordnet werden können.

Zumeist handelt es sich um Einnahmen, für die der LHK nicht die für eine ordnungsgemäße Annahme und Buchung im Haushalt notwendige Annahmeanordnung vorliegt. Es werden auch Beträge von Banken zurücküberwiesen, die zuvor von bremischen Dienststellen ausgezahlt worden waren, den Empfänger jedoch nicht erreicht haben. Oft kann die LHK beim Eingang dieser so genannten Rückläufer mangels ausreichender Überweisungsmerkmale nicht die Verbindung zu dem ursprünglichen Auszahlungsfall herstellen.

Nicht zuzuordnende Einnahmen und Rückläufer werden gemäß § 60 Abs. 2 LHO i. V. m. VV-LHO Nr. 37.3 zu § 70 LHO zunächst auf einem eigens dafür eingerichteten, ressortübergreifenden Konto Allgemeine Verwahrungen (Unanbringliche Beträge) außerhaushaltsmäßig in Verwahrung genommen. Für Fälle, die dem ersten Anschein nach in die Zuständigkeit des Sozialbereichs fallen, wurde ein entsprechendes sozialressortbezogenes Konto Allgemeine Verwahrungen für den Bereich der Sozialverwaltung eingerichtet.

Die Verwahrungen haben gegenüber früheren Jahren an Zahl und Beträgen stark zugenommen. So waren allein auf dem Konto Allgemeine Verwahrungen... am Stichtag 1. Januar 2001 7.767 Fälle mit 4.625.790,91 für 2000, am Stichtag

1. Januar 2002 9.243 Fälle mit 11.506.583,94 für 2001 und am Stichtag 1. Januar 2003 13.478 Fälle mit insgesamt 19.841.135,12 für 2002 zu verzeichnen.

Ein großer Teil der Verwahrbeträge kann bereits nach kurzer Zeit zugeordnet werden, wenn die LHK anhand der Zahlungsbelege die mutmaßlich zuständige Dienststelle identifizieren kann. Die LHK informiert die Dienststelle über den Geldeingang und erwartet von ihr für Einnahmen eine Annahmeanordnung und für Rückläufer die richtige Überweisungsanschrift. Einnahmen können anschließend vom Verwahrkonto in den Haushalt umgebucht und Auszahlungen erneut vorgenommen werden.

Die Recherchen der LHK sind zum Teil mit beträchtlichem Aufwand verbunden.

Dennoch bleiben zu viele Verwahrfälle ungeklärt. Die Geldbeträge werden in diesen Fällen DV-gestützt nach Ablauf von zwei Jahren dem bremischen Haushalt zugeführt, indem sie auf eine zentrale Haushaltsstelle Vermischte Einnahmen im Einzelplan Finanzen umgebucht werden. Im Jahr 2002 sind so 906.438,67 Verwahrbeträge aus dem Jahre 2000 zentral im Landeshaushalt vereinnahmt worden. Einnahmen hätten statt dessen bremischen Dienststellen und Auszahlungen den berechtigten Dritten zukommen müssen.

2 Prüfungsziele und Prüfungsvorgehen - Dem Rechnungshof obliegt gemäß § 89 Abs. 1 Nr. 2 LHO auch die Prüfung von Verwahrungen und Vorschüssen. Zu diesem Zweck legt die LHK dem Rechnungshof am Jahresschluss Nachweisungen der nicht abgewickelten Verwahrungen zusammen mit den sonstigen Abschlussunterlagen des Haushaltes vor.

Die Zahl der Fälle und die Summe der Verwahrbeträge hat eine nicht mehr zu vertretende Größenordnung erreicht. Diese Einschätzung wird von der LHK seit langem geteilt. Der Rechnungshof hat untersucht, wie Verwahrfälle entstehen, wie sie im Weiteren behandelt werden und warum die Erfolgsquote für die Auflösung der Verwahrfälle so gering ist. Ziel war es, Bearbeitungsmängel bei einzelnen Dienststellen aufzuzeigen, damit durch organisatorische oder strukturelle Umstellungen Fehler künftig vermieden werden können. Mit den Erkenntnissen sollten die parallel zur Prüfung durch den Rechnungshof von der Finanzverwaltung und der LHK betriebenen Verfahrensänderungen unterstützt werden, die Zuordnungschancen zu verbessern.

Der Rechnungshof hat ausschließlich Zahlungsvorgänge näher untersucht, die noch unter das bis Ende 2002 gültig gewesene HKR-Verfahren fielen. Mit der Einführung einer neuen Standardsoftware ab Januar 2003 hat sich die Bedeutung der Prüfungserkenntnisse nicht geändert: Die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen sowie die Verantwortlichkeiten im Haushalts- und Kassenbereich sind im Wesentlichen gleich geblieben. Allerdings ist es möglich, Verbesserungen zu erzielen, weil mit dem neuen System grundsätzlich von allen Arbeitsplätzen in der Verwaltung auf verwahrbedeutsame Daten zugegriffen werden kann.

Ausgangspunkt und Datenbasis für die detaillierte flächendeckende Prüfung durch den Rechnungshof waren sämtliche Fälle im Jahr 2002, die die LHK als endgültig nicht unterzubringen eingestuft hatte. Der ermittelte Gesamtbetrag von rund 906,4

T (s. Tz. 145) verteilte sich auf 3.009 Fälle, davon 228 mit Beträgen von 409,03 (800 DM) und mehr. 9 Beträge lagen zwischen 10 T und 90 T. Spitzenreiter war ein Betrag von 210.863,28. - Geprüft wurden 594 Einzelfälle (rd. 20 % aller Fälle) mit einer Gesamtsumme von rd. 756,9 T. Zunächst wurden alle 228 Fälle mit Verwahrbeträgen ab 409,03 ausgewählt. Von den übrigen Fällen wurden 366 repräsentative Stichproben gezogen. Um genauere Auswertungen zu ermöglichen, wurden die Buchungsdaten der zentralen Haushaltsstelle Vermischte Einnahmen um Falldaten aus der Jahres-Nachweisliste (s. Tz. 146) und um Belegdaten der LHK ergänzt.

3 Prüfungsergebnisse - Die geprüften Verwahrfälle lassen sich nach ihrer Art und Entstehung in folgende fünf Fallgruppen aufteilen:

· Eine Dienststelle schreibt eine Rechnung, aber nicht gleichzeitig eine Annahmeanordnung. Der LHK fehlen die nötigen Daten (Sollstellung des Betrages) für eine richtige Zuordnung des späteren Zahlungseingangs. Im Ressort fällt nicht auf, dass der Betrag nicht eingegangen ist, weil erwartete Einnahmen offenbar nicht oder nur unzureichend überwacht werden. Vordergründig betrachtet ist für Bremen insgesamt kein Schaden eingetreten, wenn eine Zahlung als Verwahrbetrag angenommen und gegebenenfalls nach zwei Jahren zentral im Haushalt verbucht wird. Ein Schaden tritt jedoch dann ein, wenn Schuldner, vor allem Ratenschuldner, säumig werden und bemerken, dass dies folgenlos bleibt, und sie daraufhin vereinbarte Zahlungen vorübergehend oder endgültig einstellen.

· Die LHK ermittelt die zuständige Dienststelle und informiert sie gemäß VVLHO Nr. 37.3 zu § 70 LHO durch eine Verwahr-Buchungsanzeige, verbunden mit der Aufforderung, eine Annahmeanordnung zu erteilen. Die Dienststelle sieht den Hinweis jedoch als endgültigen Abschluss des Zahlungsfalles an, erteilt die Annahmeanordnung also nicht nachträglich. Der Betrag bleibt in Verwahrung.

· Beträge werden aus Versehen zweimal bezahlt oder zunächst freiwillig bezahlt und anschließend per Zwangsvollstreckung beigetrieben, ohne dass der Schuldner sich dagegen wehrt. Eine der beiden Zahlungen kann aus verschiedenen Gründen nicht zugeordnet werden und geht in Verwahrung. Die Dienststelle geht von einer ordnungsgemäß (einmal) beglichenen Forderung durch den Schuldner aus.

· Eine Dienststelle bezahlt für eine Lieferung oder Leistung. Die Bank überweist das Geld zurück, z. B. weil das Empfängerkonto aufgelöst worden ist.

Die Rücküberweisung enthält keine hinreichend verwertbaren Daten für die Zuordnung zum vorausgegangenen Auszahlungsfall und dem Gläubiger fällt das Ausbleiben des Geldes nicht auf.

· Eine Dienststelle bezahlt zweimal ein und dieselbe Lieferung oder Leistung, z. B. wegen mangelhafter Haushaltsüberwachung, oder sie bezahlt einen zu hohen Betrag. Der Empfänger erstattet die Überzahlung, gibt dabei jedoch nicht die für eine richtige Zuordnung notwendigen Daten an.

Der Rechnungshof hat sein Augenmerk insbesondere darauf gerichtet, die bisher von der LHK für unanbringlich angesehenen Fälle doch noch der richtigen Dienststelle zuzuordnen. Es kam ihm dabei weniger darauf an, im Nachhinein Umbuchungen zu veranlassen. Vielmehr sollte die nachträgliche Aufklärung dazu dienen, Wege zu finden, zukünftig die Zahl der Verwahrfälle zu reduzieren, um so unnötigen Aufwand zu vermeiden. Diese Aufklärung war auch nötig, um die in den Ressorts zum Teil sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen und organisatorischen Gegebenheiten zu erkennen.

Die Überprüfung der in Tz. 150 genannten 594 Verwahrfälle hat Folgendes ergeben:

Allein aufgrund verschiedener Identifizierungsdaten in Listen und Belegen konnte der Rechnungshof 349 Fälle einzelnen Ressorts zuordnen. Zusätzlich hat er für 63 Fälle das zuständige Ressort ermittelt, indem er aufwendiger nachgeforscht hat, z. B. durch Anschreiben der Zahlungspartner oder der mutmaßlich zuständigen bremischen Dienststellen. Insgesamt konnte der Rechnungshof 182 der 228 Verwahrfälle von mindestens 409,03 aufklären.

Weitere Untersuchungen haben Folgendes ergeben:

· In den letzten Jahren ist es schwieriger geworden, einen Verwahrfall aufzuklären. Z. B. sind schriftliche Nachfragen bei Banken im Falle von zurücküberwiesenen Beträgen nur noch wenig aussichtsreich, weil die Banken mit Rücksicht auf den Datenschutz entscheidende Identifizierungsmerkmale nicht preisgeben. Nachfragen bei Gläubigern oder Schuldnern mussten fast ganz eingestellt werden, weil die LHK kein Personal mehr hat, um Anfragen bei Meldeämtern stellen zu können.

· Auf die Überwachung der Rückantworten von Dienststellen zu ihnen übersandten Verwahr-Buchungsanzeigen hat die LHK verzichtet, weil ihr der Aufwand zu hoch ist.

· Die Zusammenarbeit der LHK mit den bremischen Dienststellen ist schwieriger geworden. Mutmaßlich sind auch dort personelle Engpässe entstanden, die bei der Aufgabenerledigung zu anderen Prioritäten geführt haben.

Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass die Dienststellen die Verantwortlichkeit für Einnahme- und Verwahrbuchführung und Überwachung oft allein bei der LHK sehen. Das hat zur Folge, dass die Verwaltungen nicht miteinander an der Auflösung des Verwahrfalles arbeiten. Die Verantwortung geht phasenweise nur auf die LHK über, wenn sie von den Dienststellen eine Annahmeanordnung erhalten hat. Nur dann kann die Kasse das ihr obliegende Mahnverfahren durchführen.

Dies setzt voraus, dass die anordnende Stelle Mahnungen nicht ausschließt (Mahnsperre). - Die Prüfung der Belege hat in vielen Einnahmefällen ergeben, dass Buchungsanzeigen aufgrund ressortspezifischer Daten von der LHK erkennbar der zuständigen Dienststelle zur Weiterverfolgung zugeleitet worden sind. Die Buchungsanzeigen sind jedoch häufig, manchmal postwendend, an die LHK zurückgegangen, etwa mit den Bemerken ohne nähere Angaben keine Zuordnung möglich oder lapidar K. V. (Kein Vorgang). - Den Dienststellen muss bekannt sein, dass die LHK in diesen Fällen durchweg keine weiteren Recherchen mehr durchführt. Es wird demnach in großem Umfang in Kauf genommen, dass Einnahmen nicht dort gebucht werden, wo sie hingehören, und damit im Ressortbudget z. T. beträchtliche Einnahmeausfälle entstehen.

Eine weitergehende Prüfung dieser Einzelfälle im Ressort hat der Rechnungshof aufgrund der o. a. allgemeinen Prüfungsziele und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht vorgenommen.

Der Rechnungshof hat durch den Schriftwechsel mit Zahlungspartnern in einigen Fällen Doppelzahlungen an Bremen aufgedeckt. Dies hat Rückforderungen der Einzahler ausgelöst. Der Rechnungshof hat den beteiligten Dienststellen die Fälle aufgegeben.

4 Schlussfolgerungen - Der Rechnungshof hat die geprüften Fälle einigen der zuständigen Ressorts und Dienststellen zur Kenntnis gegeben.