Einhausung des Platzes mit Drahtgittern um die Belästigungen durch umherfliegende Bälle einzudämmen

Der Bolzplatz wurde schließlich hinsichtlich Größe und Ausstattung im Detail gemeinsam mit den Jugendlichen geplant und mit ihrer aktiven Mithilfe auch umgesetzt.

Er wird seit seiner Fertigstellung intensiv genutzt und ist ein fester Bestandteil der Infrastruktur des Wohngebietes geworden. Seine Nutzung ist nicht konfliktfrei und dennoch arrangieren sich die Beteiligten ­ manchmal mit Unterstützung der Spielund Lernstube und des Stadtteilbüros ­ immer wieder. Mittlerweile werden technische Nachbesserungen von Anliegern gefordert (höhere Ballfangnetze, ggf. Einhausung des Platzes mit Drahtgittern), um die Belästigungen durch umherfliegende Bälle einzudämmen. Insgesamt ist der „Fall" gelöst, er bleibt dennoch auf der Agenda der Nachbarschaftsentwicklung im Quartier.

Die weiteren Beispiele unterstreichen die Notwendigkeit, in Sozialen Brennpunkten sozial-anwaltschaftlich für einzelne Bewohnerinnen und Bewohner tätig zu werden und gleichzeitig Lobbyarbeit für den gesamten Stadtteil zu betreiben, um Stigmatisierungen und Ausgrenzungsprozessen entgegen zu wirken: Frau A ist alleinerziehend und wohnt mit ihrem Sohn im Sozialen Wohnungsbau. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie aus ALG II. Ihre berufliche Eingliederung gestaltet sich schwierig, da sie keine Qualifizierung besitzt. Bei ihrem Sohn achtet sie auf einen regelmäßigen Schulbesuch.

Der Sohn von Frau A besuchte die Hauptschule. Er störte oft den Unterricht und wurde zum Klassenclown. Über die Nachmittagsbetreuung wurde ein Intelligenztest angeregt, der zum Ergebnis hatte, dass der Sohn von Frau A auf Grund seines Intelligenzquotienten in der Hauptschule unterfordert war und dies zu den Auffälligkeiten führte.

Er erhielt die Empfehlung zum Besuch des Gymnasiums. Daraufhin bemühte sich Frau A, ihren Sohn an einem der örtlichen Gymnasien anzumelden. Auf Grund der vorliegenden Biographie des Kindes lehnten die Schulen die Aufnahme ab und der Junge besucht somit weiterhin die Hauptschule.

Die Rolle der Gemeinwesenarbeit besteht in solchen Fällen darin, Stigmatisierungen entgegen zu wirken und Ressourcen zu fördern. Sie kann und muss hier Öffentlichkeit schaffen, Potentiale aufdecken und Lobbyarbeit betreiben.

Einen besonderen Projektansatz von Gemeinwesenarbeit verfolgen die sog. Alltagshelfer. Mit ihrem sozialraumorientierten Arbeitsansatz gehen sie aufmerksam durch die ihnen zugeteilten Quartiere, erspüren Veränderungen, reden mit den Menschen, denen sie begegnen, werden auf Missstände aufmerksam, bringen die Menschen dazu, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und sich an Veränderungsprozessen aktiv zu beteiligen.

So auch im Fall von Frau C, der sie zu einer spürbaren Verbesserung ihrer Lebensqualität verhelfen konnten: Frau C ist 67 Jahre, alleinstehend, bezieht Leistungen nach SGB XII und ist gesundheitlich sehr beeinträchtigt, allerdings ohne entsprechende Pflegeeinstufung. Sie hat eine neurologisch bedingte Sprachbehinderung und leidet unter Bewegungseinschränkungen aufgrund einer Arthrose. Fortbewegung ist ihr nur mit einem Rollator möglich. Frau C lebt auf dem Land, der ÖPNV ist hier nur rudimentär ausgebaut und einen PKW besitzt sie nicht.

Bis vor geraumer Zeit lebte Frau C in einem Container in äußerst gesundheitsgefährdenden Verhältnissen. Da der Container abgerissen werden sollte, konnte Frau C mit Hilfe der Gemeinde und einer amtlich bestellten Betreuerin eine neue Wohnung beziehen, in der sie sich sehr wohl fühlt. Kontakte zu Nachbarn hat sie bislang aber noch nicht.

4. Handlungsoptionen und Maßnahmen für eine gelingende Soziale Stadtentwicklung

Aus Sicht der LIGA ergeben sich nachfolgende Handlungsoptionen für die beteiligten Akteure der verschiedenen Ebenen:

Eine Verständigung der Beteiligten auf Landes- und kommunaler Ebene über die Definition und Indikatoren dessen, was als „Sozialer Brennpunkt", „Aufzuwertender Stadtteil", „benachteiligtes Wohngebiet" usw. zu verstehen ist, ist überfällig. Ansatzpunkte dazu liegen bereits seit dem dritten Landesarmuts- und Reichtumsbericht vor.

Die Blickrichtung muss auf interdisziplinäre und ressortübergreifende Aufgaben für nachhaltige Stadtentwicklung gelenkt werden: Soziale Stadtentwicklung braucht auf allen Ebenen dezernats- und bereichsübergreifende Strukturen ­ auf Landesebene erfordert sie ein interministerielles Handeln, das sich auf alle betroffenen Politikbereiche erstreckt (Soziales, Inneres, Finanzen, Bildung, Arbeit, Gesundheit, Familie, Jugend etc.).

Im Rahmen einer vorausschauenden Wohnungspolitik muss die Wohnungssituation sozial benachteiligter Menschen durch den Erhalt bzw. die Schaffung von günstigem Wohnraum verbessert werden.

Landesweit sollten „Zentralstellen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit", d. h. niedrigschwellige Anlaufstellen für Menschen, denen Wohnungsverlust droht, vorhanden sein. Den Gebietskörperschaften sollten durch das Land Rheinland-Pfalz Anreize geschaffen werden, solche Stellen einzurichten.

Die beteiligten Akteure müssen sich auf der Grundlage strukturierter Sozialplanung und Berichterstattungen aus den Sozialräumen (interdisziplinäre Planungskooperation; verbindliche Absprachen) über regionale Bedarfslagen verständigen.

Regionale Strukturkonflikte konstruktiver lösen zu können, würde auch bedeuten, landesseits eine dauerhafte und institutionalisierte Regelfinanzierung zu etablieren und hier weniger modell- oder projektfinanziert zu steuern.

Gemeinwesenarbeit braucht Vertrauen und setzt auf vertrauensvolle Beziehungsstrukturen vor Ort, die nur dauerhaft angelegt sein können.

In Rheinland-Pfalz wird das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt offensichtlich nur in Ausnahmefällen zur Sanierung klassischer Brennpunkte eingesetzt, was auch der Intention des Programms als „Präventivprogramm" entspricht. Darüber hinaus braucht es ein eigenes ­ mit den Kommunen und ihren Standorten der Sozialen Stadt abgestimmtes ­ rheinland-pfälzisches Sanierungsprogramm für die Sozialen Brennpunkte, welches die Landesregierung initiieren könnte.

Im Rahmen notwendiger kommunaler Gesamtstrategien dürfen auf der kommunalen Ebene nicht mehr nur einige belastete Gebiete in den Blick genommen werden. Vielmehr soll der kommunale Raum als Ganzes betrachtet und gleichzeitig in Teilräumen bearbeitet werden. Die in der Landespolitik Verantwortlichen sollten im Rahmen ihrer steuerungspolitischen Aufgabe gegenüber den Gebietskörperschaften darauf einwirken, dass dieser Ansatz verfolgt und konsequent umgesetzt wird.

Als Voraussetzung für eine Förderung haben die Gebietskörperschaften ein solches kommunales Gesamtkonzept vorzulegen, wie es im Übrigen auch die Leitlinien für Soziale Stadt vorsehen. Sozialräumliches Handeln bietet damit auch eine Plattform für öffentliches, gemeinnütziges und privates Handeln. Die Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände in der Region sind elementarer Teil eines Netzwerkes, das eine lebenswerte Infrastruktur schafft und Beteiligungsstrukturen ermöglicht.

In Rheinland-Pfalz sind die Quartiermanagements überwiegend in kommunaler Trägerschaft angesiedelt, was hinsichtlich der Integration in die Verwaltung und dem Zugang zu kommunalen Entscheidungsträgern ein praktikabler Weg sein mag. Wenn in den Stadtteilen aktive Vereine, Verbände, Kirchengemeinden und andere zivilgesellschaftliche Akteure vorhanden sind, die einen guten Zugang zur Bevölkerung haben, empfiehlt es sich nach allen Erfahrungen, eine Form des Quartiermanagements zu installieren, die diese Ressourcen berücksichtigt. Die LIGA erhofft sich daraus seitens des Landes eine stärkere Steuerung.

Bislang fehlt die konzeptionelle Unterstützung und Begleitung des Landes bei der Projektentwicklung, -umsetzung und -evaluation. Die gesamte Frage der Verstetigung der Sozialen Stadt ist in Rheinland-Pfalz noch nicht thematisiert worden. (Andere Bundesländer sind hier viel weiter.) Die Kommunen und Träger fühlen sich in Rheinland-Pfalz bei diesen Fragen allein gelassen. Es fehlt in unserem Bundesland eine Struktur, die dies aufarbeitet und sich neuen Fragen ­ gemeinsam mit und für die Gebietskörperschaften ­ stellt. Ohne die Beratungsstrukturen der LIGA-Verbände, die Initiativgruppe „Soziale Stadt" des Städtetags Rheinland Pfalz sowie selbstorganisierte Netzwerke wie das Landesnetzwerk Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit würde jede Gebietskörperschaft das Programm alleine umsetzen müssen. Deshalb braucht Rheinland-Pfalz eine ­ anderen Bundesländern vergleichbare ­ Struktur wie eine „Servicestelle Soziale Stadt".