Steuerlich relevante wirtschaftliche Tätigkeiten der Landesverwaltung

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Teile der Landesverwaltung, einschließlich der Landesbetriebe nach Landeshaushaltsordnung, bieten Waren oder Dienstleistungen für jedermann zugänglich neben privaten Firmen gegen Entgelt auf dem allgemeinen Markt an?

2. Um welche Art von Waren und Dienstleistungen handelt es sich dabei?

3. Wie werden die hoheitlichen Funktionen der Landesverwaltung von Tätigkeiten wie in Frage 1 beschrieben rechtlich und verwaltungstechnisch abgegrenzt?

4. Muss für Tätigkeiten wie in Frage 1 beschrieben die Mehrwertsteuer erhoben werden?

5. Müssen für solche Tätigkeiten nach Einschätzung der Landesregierung Ertragssteuern entrichtet werden?

6. Welche Gründe sprechen nach Einschätzung der Landesregierung dafür oder dagegen, die hier angesprochenen Tätigkeiten in privatrechtliche Unternehmen auszulagern?

Das Ministerium der Finanzen hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. März 2010 wie folgt beantwortet:

Die Landesverwaltung Rheinland-Pfalz beschränkt sich auf die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben und auf die Sicherstellung einer funktionsfähigen Verwaltung; nur in Randbereichen werden auch auf dem allgemeinen Markt Dienstleistungen erbracht und Waren verkauft, sofern ein enger Zusammenhang mit den Kernaufgaben besteht. In diesen Bereichen findet regelmäßig weder eine aktive Werbung noch eine Teilnahme an förmlichen Vergabeverfahren statt. Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Von der rheinland-pfälzischen Landesverwaltung einschließlich der Landesbetriebe nach der Landeshaushaltsordnung (LHO) werden gegen Gebühren oder andere Entgelte folgende Waren und Dienstleistungen für jedermann zugänglich neben privaten Firmen auf dem allgemeinen Markt angeboten:

a) Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz:

­ Digitale topographische Karten (Rasterdaten) als Datensätze oder auf CD/DVD/SD-Karten,

­ kartographische sowie reproduktions-, druck- und luftbildreproduktionstechnische Arbeiten,

­ Sonderkarten (Wander- und Radwanderkarten, Freizeitkarten, historische Karten, Verwaltungskarten).

b) Gutachterausschüsse für Grundstückswerte: Gutachten über den Verkehrswert von bebauten und unbebauten Grundstücken und von Rechten an Grundstücken.

c) Justizvollzugsanstalten:

In den Justizvollzugsanstalten werden Arbeitsbetriebe zur Beschäftigung von Gefangenen betrieben. Es handelt sich um zwei Druckereien, zwei Buchbindereien, fünf Schlossereien, fünf Schreinereien, drei Gärtnereien, zwei Polstereien, einen landwirtschaftlichen Betrieb, einen Holzhof, einen Fensterbaubetrieb, einen Malerbetrieb, eine Schneiderei, eine Schuhmacherei, eine Bäckerei, eine Wäscherei und eine Kfz-Werkstatt mit Lackiererei. In diesen Betrieben werden die jeweils üblichen Waren und Dienstleistungen produziert.

d) Landesuntersuchungsamt:

­ Mikrobiologische Wasseruntersuchungen (z. B. Trinkwasseruntersuchungen) und Überprüfungen des Desinfektions- und Sterilisationserfolgs (z. B. Bioindikatoren-Überprüfungen) des Instituts für Hygiene- und Infektionsschutz.

­ Untersuchungen des Instituts für Tierseuchendiagnostik zum Nachweis von Erregern anzeigepflichtiger Tierseuchen, meldepflichtiger Tierkrankheiten, von Zoonosen und wirtschaftlich bedeutsamen Erkrankungen sowie differenzialdiagnostische Untersuchungen im Rahmen der Feststellung von Krankheits- und Todesursachen.

­ Diagnostisch-milchhygienische Untersuchungen des Instituts für Lebensmittel tierischer Herkunft zur Feststellung von Euterkrankheiten bei Rindern, Schafen und Ziegen einschließlich Erstellung von Antibiogrammen.

e) Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz: Metrologische Überprüfungen oder Konformitätsbewertungen von Messgeräten und Prüfmitteln.

f) Landesamt für Geologie und Bergbau:

­ Geowissenschaftliche Schriften und Karten inkl. Erläuterungen und die jährlich erscheinenden „Mainzer Geowissenschaftlichen Mitteilungen" im Verkauf,

­ gutachtliche Stellungnahmen im Bereich der Angewandten Geologie (Boden, Wasser, Rohstoffe, Ingenieurgeologie).

g) Dienstleistungszentren Ländlicher Raum:

­ Warenverkauf: Weine, Sekte, Edelbrände, Honig, Gemüse, Obst, Edelreiser, Zierpflanzen, Heilkräuter und Bienenzuchtprodukte.

­ Dienstleistungsangebot: Wein- und Honiganalytik, bienenpathologische Untersuchungen, Labor- und Freilandversuche die Resistenz von Schaderregern betreffend sowie Charakterisierung der Wirkungsweise von Pflanzenschutzmitteln.

h) Landesorchester:

­ Tonträger der Staatsorchester (Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Staatsorchester Rheinische Philharmonie, Philharmonisches Staatsorchester Mainz),

­ Vermietung der Räumlichkeiten der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz an Interessierte, soweit diese nicht für eigene Zwecke benötigt werden.

i) Generaldirektion Kulturelles Erbe:

­ Verkauf von Eigenpublikationen (z. B. Kataloge zu Ausstellungen sowie zu wissenschaftlichen Forschungen, über Sammlungsbestände, Führungshefte und Postkarten zu den von Burgen, Schlössern und Altertümern betreuten Liegenschaften) sowie Begleitartikeln zu Sonderausstellungen und Dauerausstellungsthemen der Direktionen.

­ Vermietung von Räumlichkeiten in den betreuten Liegenschaften ­ soweit konservatorisch vertretbar ­ zur Nutzung an Dritte gegen Nutzungsgebühr.

j) Landesbetrieb Landesforsten:

­ Holzwirtschaft: Rohholz, Holzprodukte (z. B. Holzbänke), Holzhackschnitzel im Rahmen eines PPP-Projekts sowie forstliche Nebennutzungen (z. B. Schmuckreisig, Weihnachtsbäume, Steine, Erden),

­ Jagdwesen: Wildbret, Wildfleisch und -wurst, Jagderlebnisse,

­ Betrieb von zwei Regionalläden u. a. zur Vermarktung von Wildprodukten,

­ Dienstleistungen in Privatwäldern (fallweise oder ständige Mitwirkung bei der Waldbewirtschaftung, Erstellung von mittelfristigen Betriebsplänen),

­ Einsatz von staatlichen Maschinen und Personal bei Dritten im Zusammenhang mit forstbetrieblichen Leistungen,

­ Fortbildungen, z. B. Motorsägenkurse für Brennholzselbsterwerber,

­ Betrieb eines Tierfriedhofs im Wald als Modellprojekt für interessierte Träger und Kooperationspartner,

­ Übernachtungsleistungen an den Zentren der waldbezogenen Umweltbildung von Landesforsten in direktem Zusammenhang mit mehrtägigen waldpädagogischen Angeboten (insbesondere für Schulklassen),

­ Leistungen der forstlichen Umweltbildung (insbesondere für Schulen und Kindertagesstätten) und waldpädagogische Ferienprogramme, gegen Auslagenersatz,

­ Walderlebnisse (z. B. Incentive-Events, bei denen Interessierte Veranstaltungen zur Motivation ihrer Mitarbeiter bzw. Stärkung des Teamgeistes buchen).

Zu Frage 3: Die rechtliche Abgrenzung der hoheitlichen Aufgaben der Landesverwaltung von solchen der vorgenannten Art ergibt sich regelmäßig auf der Grundlage der geltenden Vorschriften des öffentlichen Rechts. Soweit gleichartige Tätigkeiten in Konkurrenz zu privaten Anbietern durchgeführt werden, geschieht dies in der Regel auf dem Gebiet des Privatrechts. Steuerrechtlich sind teilweise Betriebe gewerblicher Art eingerichtet (s. u.). Eine verwaltungstechnische Abgrenzung erfolgt nur dort, wo sie im verwaltungstäglichen Handeln sinnvoll und organisatorisch möglich ist. In geeigneten Bereichen ist z. B. eine Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt oder eine räumliche Trennung vorgenommen.

Zu den Fragen 4 und 5:

Der aus der Verfassung abgeleitete Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebietet es, dass die öffentliche Hand dort, wo sie sich wie ein privater Unternehmer verhält, also etwa in einem Marktgeschehen Waren anbietet oder Dienstleistungen erbringt, auch genauso wie ein Privater zu besteuern ist. Nach § 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes unterliegen dementsprechend alle Einrichtungen der öffentlichen Hand, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen, als sog. „Betriebe gewerblicher Art" der Ertragsbesteuerung. Es kommt nicht darauf an, ob die Absicht besteht, mit der Tätigkeit Gewinne zu erzielen, oder ob eine Gewinnerzielung überhaupt möglich ist. Zudem muss es sich hierbei nicht um einen eigenständigen Betrieb handeln; eine steuerpflichtige Einrichtung im Sinne des Körperschaftsteuerrechts kann vielmehr bereits allein aufgrund einer entgeltlichen wirtschaftlichen Betätigung anzunehmen sein.

Das Umsatzsteuerrecht folgt gemäß § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz der ertragsteuerlichen Wertung, d. h. ein Betrieb gewerblicher Art der öffentlichen Hand gilt auch umsatzsteuerlich als Unternehmer und unterliegt somit der Umsatzbesteuerung.

Von den vorgenannten Grundsätzen gibt es gesetzlich oder im Rahmen von Richtlinienregelungen verschiedene Ausnahmen. So ist ein steuerpflichtiger Betrieb gewerblicher Art in der Regel erst dann anzunehmen, wenn die Einnahmen aus der jeweiligen wirtschaftlichen Betätigung jahresbezogen 30 678 übersteigen. Beim Ansatz dieser Grenze ist einrichtungsbezogen vorzugehen, d. h., wirtschaftliche Betätigungen innerhalb der Landesverwaltung werden nicht zusammengefasst. Demzufolge kann die gleiche Tätigkeit bei unterschiedlichen Organisationseinheiten der Landesverwaltung sogar unterschiedliche Besteuerungsfolgen auslösen. Allgemein lässt sich sagen, dass in den Fällen, bei denen die vorgenannte Grenze überschritten wird, zumeist keine Gewinne erzielt werden, weshalb sich die Steuerfolgen dann regelmäßig auf die Umsatzsteuer beschränken. Entgeltliche Tätigkeiten im Rahmen eines Hoheitsbetriebs bleiben zudem bei der Besteuerung ebenso außer Ansatz wie sog. entgeltliche Amtshilfe- oder Beistandsleistungen aus einem Hoheitsbereich an den Hoheitsbereich einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts.

Zu Frage 6: Aus den nachfolgenden Gründen kommt eine Auslagerung der eingangs genannten Tätigkeiten in privatrechtliche Unternehmen nicht in Betracht:

a) Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz:

Die Geobasisinformationen des amtlichen Vermessungswesens sind entsprechend dem gesetzlichen Auftrag für die Bürgerinnen und Bürger, Politik, Recht, Verwaltung und Wirtschaft in einheitlichem Standard zur Verfügung zu stellen. Dies garantiert eine landesweite, ständige und aktuelle Verfügbarkeit dieser Informationen. Zudem verbietet sich eine Auslagerung auf private Unternehmen, weil diese ihre Aktivitäten ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausrichten und somit eine flächendeckende aktuelle Verfügbarkeit der notwendigen Informationen nicht mehr sichergestellt wäre. Im Übrigen werden bei der Datenerhebung im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel auch private Unternehmen für mechanische Hilfstätigkeiten beteiligt.

b) Gutachterausschüsse für Grundstückswerte:

Die Erstellung von Verkehrswertgutachten durch die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte ist nach § 193 Baugesetzbuch (BauGB) eine Pflichtaufgabe, auf die die Antragstellerinnen und Antragsteller einen gesetzlichen Anspruch haben. Dies hat den Hintergrund, eine flächendeckende Dienstleistung unter Wahrung der Neutralität zu gewährleisten.

c) Justizvollzugsanstalten:

Die Verpflichtung für die Justizvollzugsanstalten, Arbeitsbetriebe zur Beschäftigung von Gefangenen zu betreiben, ergibt sich aus dem aus der Verfassung abzuleitenden Resozialisierungsgebot, wie dies auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung bestätigt hat. Aus diesem Grund ist „Arbeit" im Vollzug kein Selbstzweck, sondern gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 4 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) Teil der Behandlung der Gefangenen, die nach § 41 StVollzG zur Arbeit verpflichtet sind. Dem entspricht die Verpflichtung der Anstalten gemäß § 149 StVollzG, entsprechende Arbeitsbetriebe einzurichten und gemäß § 37 Abs. 2 StVollzG den Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuzuweisen. Die Frage einer Auslagerung in privatrechtliche Unternehmen stellt sich mithin nicht. Hinzu kommt, dass die Gefangenen auch in den Arbeitsbetrieben beaufsichtigt werden müssen. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist eine hoheitliche Aufgabe, die nur von staatlichen Bediensteten wahrgenommen werden darf.