Schülerbeförderung zu den Förderschulen im Landkreis Neuwied

Nach § 69 Abs. 1 des Schulgesetzes Rheinland-Pfalz obliegt es den Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung, für die Beförderung der Schülerinnen und Schüler unter anderem zu den in ihrem Gebiet gelegenen Förderschulen zu sorgen, wenn die Schülerinnen und Schüler ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz haben und ihnen der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar ist. Weiterhin wird in § 69 Abs. 7 Schulgesetz geregelt, dass bei Förderschulen mit großem Einzugsbereich derjenige Landkreis oder die kreisfreie Stadt mit den Landkreisen und kreisfreien Städten, in deren Gebiet die Schülerinnen und Schüler wohnen, eine Beteiligung an den Kosten der Beförderung vereinbaren können.

Der Landkreis Neuwied ist Standort von insgesamt zehn Förderschulen, wovon allein sieben im Stadtgebiet Neuwied liegen. Die Förderschulen decken sämtliche Sparten einer behindertengerechten Schulausbildung ab.

Wegen dieses umfassenden Angebotes an Förderschulen werden diese von einer großen Zahl von Schülern besucht, die ihren Hauptwohnsitz nicht im Gebiet des Landkreises haben. Die aus § 69 Schulgesetz resultierende Beförderungspflicht zu Lasten des Landkreises Neuwied verursacht dabei ein erhebliches Maß an Beförderungskosten, die den Kreishaushalt nachhaltig und dauerhaft belasten. Unter Berücksichtigung der seitens des Landes gewährten Ausgleichsleistungen nach dem LFAG entsteht im Landkreis Neuwied seit Jahren ein jährliches Defizit in Höhe von über 3 Millionen Euro.

Allein die Beförderung zu den Förderschulen verursacht jährliche Kosten von mehr als 2,3 Millionen Euro, wobei rund die Hälfte der beförderten Förderschüler aus den benachbarten Landkreisen bzw. aus der Stadt Koblenz einpendeln.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung das landesweite Gesamtdefizit bei den Kosten der Schülerbeförderung und den Kindergartenfahrten der Landkreise von mittlerweile rund 24 Millionen Euro? Ist eine Aufstockung der Zuweisungen des Landes nach § 15 LFAG vorgesehen und wenn ja, in welcher Höhe?

2. Nach der derzeitigen Regelung im rheinland-pfälzischen Schulgesetz orientiert sich die Schülerbeförderung am sog. Schulstandortprinzip, das zu einer besonderen Belastung derjenigen Landkreise und kreisfreien Städte führt, die eine Vielzahl von Schulen vorhalten.

Gibt es Überlegungen, die Systematik des Schulstandortprinzips in ein „Wohnortprinzip" umzuwandeln, um damit eine gerechtere Verteilung der Kosten zu erreichen? Gibt es dazu bereits konkrete Untersuchungen zu den Auswirkungen bei der Verteilung der Kostenlast?

3. In § 69 Abs. 7 Schulgesetz ist eine Kostenbeteiligung der benachbarten Landkreise bzw. kreisfreien Städte als „Kann-Regelung" vorgesehen. Ist die Landesregierung bereit, das Schulgesetz dahingehend zu ändern, aus der bestehenden „Kann-Regelung" eine Verpflichtung zu machen?

4. Für den Fall, dass keine Gesetzesanpassung vorgesehen ist: Wie soll künftig ein gerechterer Ausgleich bei den Kosten für die Beförderung von Förderschülern zwischen den Landkreisen erfolgen?

Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 1. April 2010 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1: Das in der Frage angesprochene Gesamtdefizit der Landkreise bei den Kosten der Schülerbeförderung und den Kindergartenfahrten wird in einer im letzten Jahr durchgeführten Umfrage des Landkreistages Rheinland-Pfalz für das Haushaltsjahr 2008 genannt und gibt die Differenz zwischen den mitgeteilten Ausgaben der Landkreise und den Zuweisungen des Landes gemäß § 15 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) wieder. Aus Sicht der Landesregierung ist darauf hinzuweisen, dass mit den Zuweisungen zum Ausgleich von Beförderungskosten gemäß § 15 LFAG von Anfang an ein pauschaler Ausgleich für die Schülerbeförderung und die Kindergartenfahrten gewollt war, ohne dass es dabei langfristig auf die Höhe der tatsächlichen Kosten für die Wahrnehmung der Aufgabe ankommt.

Im System des kommunalen Finanzausgleichs handelt es sich bei den Zuweisungen gemäß § 15 LFAG nicht um zweckgebundene, sondern um allgemeine Zuweisungen. Daraus folgt, dass sie ergänzend zu den Schlüsselzuweisungen und den sonstigen allgemeinen Zuweisungen zur Finanzierung aller Aufgaben des Empfängers bestimmt sind (Grundsatz der Gesamtdeckung gemäß § 14 der Gemeindehaushaltsverordnung ­ GemHVO).

Im Haushaltsplan des Landes für die Haushaltsjahre 2009 und 2010 wurden die Zuweisungen zu den Kosten der Schülerbeförderung und der Beförderung zu den Kindergärten (Kapitel 20 06, Titel 613 11) deutlich angehoben, und zwar von 82,5 Mio. EUR in 2008 auf 85 Mio. EUR in 2009 sowie auf 87 Mio. EUR in 2010.

Zu den Fragen 2 und 3:

Das in § 69 Schulgesetz postulierte Schulstandortprinzip wird für sachgerecht gehalten. Durch das Schulstandortprinzip ist gewährleistet, dass die Finanz- und Organisationsverwaltung für die Schülerbeförderung in einer Hand liegt. Bei Zugrundelegung des Wohnsitzprinzips würde die Gesamtverantwortung für den Schülerverkehr gespalten, da die Schulstandortgemeinde den Schülerverkehr zu organisieren und die Wohnsitzgemeinde die daraus resultierenden Kosten zu tragen hätte. Das Wohnsitzprinzip ist daher wesentlich konfliktträchtiger als das seit langem praktizierte Schulstandortprinzip. Für die Situation des Landkreises Neuwied hinsichtlich der Schülerbeförderung zu den Förderschulen mag zwar auf den ersten Blick eine spezielle Regelung der vom Schulsitzprinzip abweichenden Kostenbeteiligung naheliegen, auf den zweiten Blick wird deutlich, dass damit das insgesamt ausgewogene System in Gefahr gerät. Deshalb soll die derzeitig vorgesehene Option einer freiwilligen Kostenvereinbarung von Schulsitz- und Wohnsitzgemeinden bei Förderschulen mit großem Einzugsbereich (§ 69 Abs. 7 Satz 2 SchulG) nicht durch eine entsprechende Verpflichtung ersetzt werden.

Zu Frage 4: Die Frage nach einem „gerechteren Ausgleich" insinuiert, dass die derzeitige Rechtslage im Hinblick auf die besondere Situation des Landkreises Neuwied nicht gerecht ist. Fest steht, dass sich der Landkreis Neuwied in Kenntnis der derzeitigen Rechtslage bewusst für die Errichtung der Förderschulen in seinem Gebiet entschieden hat. Er hätte daher vorhersehen können, dass er mit Folgekosten, z. B. Schülerbeförderungskosten, belastet werden würde.

In der Vergangenheit war die Landesregierung gleichwohl bemüht, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden (Landkreistag und Städtetag) zu prüfen, ob sich der Anstieg der Fahrtkosten zu den Förderschulen im Vergleich zu anderen Schularten tatsächlich unverhältnismäßig entwickelt hat. Erst auf der Basis gesicherten Datenmaterials könnte beurteilt werden, ob ein gerechterer Ausgleich zwischen beteiligten Trägern der Schülerbeförderung bei Förderschulen mit großem Einzugsbereich erforderlich ist und wie dieser gegebenenfalls erfolgen kann. Das erforderliche Datenmaterial können nur die Träger der Schülerbeförderung liefern, da die Gemeindehaushaltsstatistik keine nach den einzelnen Schularten getrennte Erfassung der Beförderungskosten aufweist. Der Landkreistag und der Städtetag haben zugesagt, eine Umfrage bei ihren Mitgliedern durchzuführen. Entsprechende Daten liegen der Landesregierung bislang nicht vor.