Erlebnispädagogik ­ Therapie für jugendliche Kriminelle

Aufgrund einer inzwischen größeren Zahl von Vorfällen im Rahmen von therapeutischen Maßnahmen (Erlebnispädagogik) hat die Bundesregierung angekündigt, diese Maßnahmen schärfer zu kontrollieren und eine Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes vorzunehmen.

Für kriminell in Erscheinung getretene Jugendliche werden therapeutische Aufenthalte im Ausland durch Sozialarbeiter betreut, um bessere Ergebnisse in der Resozialisierung zu erzielen.

Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass einige Jugendliche während dieser Zeit schwere Straftaten begehen. Kritisch wird von der Kriminologie hervorgehoben, dass Deutschland damit seine Probleme in das Ausland transportiere.

Wir fragen deshalb den Senat

1. In wie vielen Fällen ­ getrennt nach Bremen und Bremerhaven ­ wurden bei jugendlichen Straftätern Therapiemaßnahmen im Sinne der so genannten Erlebnispädagogik im Ausland von wie vielen Therapeuten durchgeführt, aufgeschlüsselt seit 1995

· nach Jahren,

· nach Alter der Jugendlichen und

· Ort und Zeitrahmen der Aufenthalte?

2. Welche therapeutischen Ansätze standen jeweils dabei im Mittelpunkt?

3. Spielten bei diesen Maßnahmen Kostengründe eine Rolle, und welche Kosten entstanden pro Maßnahme?

4. Welche Jugendlichen kommen für diese Maßnahmen in Frage?

5. Wie viele Maßnahmen seit 1995 waren erfolgreich und führten zu unauffälligem Verhalten der Jugendlichen, und wie viele Jugendliche wurden rückfällig?

6. Ist den Jugendlichen im Ausland besser zu helfen als in Deutschland, und welche Vorfälle während dieser Maßnahmen sind dem Senat bekannt?

7. Hält der Senat eine stärkere Kontrolle dieser Maßnahmen für notwendig, um unter Umständen nur dafür geeignete Jugendliche in diese Maßnahmen zu entsenden?

Vorbemerkung: Intensive individualpädagogische Maßnahmen im Ausland, mitunter ­ eher irreführend ­ Erlebnispädagogik genannt, stellen in seltenen Fällen eine ultima ratio der Arbeit mit schwerst problematischen Jugendlichen dar. Die Verlagerung dieser äußerst intensiven und teuren Betreuungsarbeit ins Ausland erfolgt aufgrund der pädagogischen Erwägung, dass ein möglichst totaler Milieuwechsel ein den Erfolg der Maßnahme mitentscheidendes Element ist. Da die Lebenshaltungskosten für den jungen Menschen und seinen Betreuer ein sehr großer Faktor in den Gesamtkosten ist, ist angesichts der gewählten Orte im Ausland außerdem zu vermuten, dass in vielen Fällen gleichartige Maßnahmen in Deutschland deutlich teurer wären.

1. In wie vielen Fällen ­ getrennt nach Bremen und Bremerhaven ­ wurden bei jugendlichen Straftätern Therapiemaßnahmen im Sinne der so genannten Erlebnispädagogik im Ausland von wie vielen Therapeuten durchgeführt, aufgeschlüsselt seit 1995

· nach Jahren,

· nach Alter der Jugendlichen und

· Ort und Zeitrahmen der Aufenthalte?

Auf Grundlage einer mit dem Jugendhilfeausschuss abgestimmten Qualitätssicherungsvereinbarung Verfahrenshinweise zur Durchführung individualpädagogischer Maßnahmen werden durch das Amt für Soziale Dienste Bremen ab September 1996 im begründeten Einzelfall individualpädagogische Maßnahmen im Ausland eingeleitet.

In den Jahren 1996 bis 1998 wurden insgesamt sieben Maßnahmen dieser Art, in den Jahren 1999 bis 2003 jeweils laufend ca. fünf bis sechs Maßnahmen jährlich durchgeführt. Die Hilfen wurden Minderjährigen (ca. 14 bis 17 Jahre) gewährt, die in herkömmlichen Betreuungsarrangements der Jugendhilfe nicht, nicht mehr oder noch nicht gefördert werden konnten, die erheblich delinquent (ca. 40 %) oder die hochtraumatisiert, mit erheblichen psychiatrischen Störungsbildern verwahrlost und entwurzelt waren (ca. 60 %). Die Maßnahmedauer im Durchschnitt der Fälle lag bei einem Jahr.

Ausgewählte Betreuungsorte waren ­ in Ableitung von den Problemlagen und der Biographie der Minderjährigen sowie nach Maßgabe der nach Hilfeplanverfahren individualpädagogisch sinnvollen Anbieterkonzepte ­ neben europäischen Ländern (z. B. Griechenland, Spanien) auch Kanada, Namibia und Kirgisien.

Aus der in 2004 verbindlich eingeführten gesamtstädtischen Dokumentation sieben laufenden Auslandsmaßnahmen, davon fünf für männliche und zwei für weibliche Minderjährige der Altersjahrgänge zwischen 1986 und 1989.

Durchführungsland und Träger der laufenden Maßnahmen sind Italien/Der Weg e. V., Kirgisien/Jugendhilfe Freistatt, Griechenland (vier Fälle)/DRK Bremen und Namibia/Martinistift Nottuln. In zwei Fällen erfolgte die Hilfeplanung auf Grundlage und im Rahmen des § 35 a SGB VIII. In einem der genannten Fälle handelt es sich um eine Fallübernahme vom Jugendamt Kempten.

Die näheren Daten zu abgeschlossenen Fällen der Jahre 1995 ff. sind aufgrund Sozialzentren in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu erheben.

Das Amt für Soziale Dienste wird die erbetenen Angaben jedoch nachermitteln und der städtischen Deputation in einem gesonderten Bericht zur Kenntnis geben.

In Bremerhaven gab es seit 1995 lediglich in einem Fall eine Unterbringung im Ausland. Dabei handelte es sich um einen siebzehnjährigen schwer straffällig gewordenen Jugendlichen, für den nach § 35 KJHG von Ende 1994 bis März 1997 eine Hilfe zur Erziehung in einer Maßnahme auf Mallorca durchgeführt da zwischenzeitlich für Bremerhaven die Entscheidung getroffen wurde, grundsätzlich keine auswärtigen Unterbringungen im Rahmen einer individualpädagogischen Maßnahme zu veranlassen.

2. Welche therapeutischen Ansätze standen jeweils dabei im Mittelpunkt?

Bei den Maßnahmen des Jugendamtes Bremen handelte es sich konzeptionell in der Regel um so genannte individual- bzw. erlebnispädagogische Standprojekte mit festem Betreuungsort. In Ableitung von den genannten bezugspersonenorientierter Betreuungsverantwortung betrug das Betreuungsverhältnis in der Regel 1 zu 1.

Die Maßnahme des Jugendamtes Bremerhaven fand statt im Rahmen einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung durch eine Person, die sowohl Zimmermeister wie Bauingenieur als auch Studienrat war und darüber hinaus als Selbsterfahrungs-Trainer arbeitete. Im Vordergrund stand dabei die Veränderung des individuellen Verhaltens des Jugendlichen verbunden mit einem externen Hauptschulabschluss.

3. Spielten bei diesen Maßnahmen Kostengründe eine Rolle, und welche Kosten entstanden pro Maßnahme?

Im Rahmen der Hilfeplanung des Jugendamtes gemäß § 36 SGB VIII werden neben einer fachlichen Wirkungsbetrachtung regelmäßig auch die fiskalischen Auswirkungen solcher Maßnahmen gewürdigt. Da Entscheidungen für eine Auslandsmaßnahme allein aus Kostengründen weder aus fachlichen noch aus

Die vom Jugendamt Bremen ab 1996 erfassten Kosten haben sich im Einzelfall zwischen ca. 220,­ bis 240,­ DM betreuungstäglich bewegt und belaufen sich derzeit auf ca. 150,­ bis 174,66 je Betreuungstag.

Kostengründe waren auch für die Maßnahmeentscheidung des Jugendamtes Bremerhaven keine Ursache. Die Kosten betrugen damals (1995) 3.925,­ DM monatlich.

4. Welche Jugendlichen kommen für diese Maßnahmen in Frage?

Siehe Antwort zu Frage 1.

Grundsätzlich kommen diese Maßnahmen nur für Jugendliche in Betracht, bei denen vorausgegangene Hilfen zur Erziehung im Inland gescheitert sind bzw. denen im Rahmen der Hilfen nach §§ 27 ff. KJHG keine oder keine andere geeignetere Hilfe zur Erziehung innerhalb der Kommunen bzw. im Inland vermittelt werden kann. Voraussetzung ist ferner, dass die individualpädagogische Auslandsmaßnahme in Abstimmung mit den Personensorgeberechtigten, dem/ der Jugendlichen und auf Basis einer multiprofessionellen Hilfeplanung eine positive Entwicklungsperspektive eröffnet. Die Maßnahme muss ferner ­ gegebenenfalls in Abstimmung mit Jugendrichtern, Staatsanwaltschaft und/oder Gesundheitsdiensten ­ verfahrensrechtlich zulässig, nach Kriterien der Kindeswohlsicherung und unter Prüfung gesundheitlicher wie psychosozialer Ausschlusskriterien (z. B. akute somatische oder psychiatrische Erkrankung, Selbstund Fremdgefährdung) sowie unter Abwägung sonstiger Alternativen (z. B. Jugendhaft, geschlossene Unterbringung) sowohl für den Jugendlichen als auch für das Gastland verantwortbar und pädagogisch therapeutisch sinnvoll sein.

5. Wie viele Maßnahmen seit 1995 waren erfolgreich und führten zu unauffälligem Verhalten der Jugendlichen, und wie viele Jugendliche wurden rückfällig?

Siehe Antwort zu Frage 1.

Da es bundesweit und auch in Bremen keine systematische Evaluation dieser Maßnahmen gibt, kann nur auf Erfahrungswerte zurück gegriffen werden.

Nach Erfahrungswerten des Beratungsdienst Fremdplatzierung des Jugendamtes Bremen waren in ca.