Landes-Immissionsschutzgesetz

Nach dem Ergebnis der bei den zuständigen staatlichen und kommunalen Vollzugsbehörden für das Landes-Immissionsschutzgesetz (LImSchG) und den kommunalen Spitzenverbänden durchgeführten Nachfrage hat sich das Landes-Immissionsschutzgesetz im Wesentlichen bewährt. Es hat zum Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Lärmverursachenden und Ruhesuchenden beigetragen und damit einen Beitrag zum Rechtsfrieden geleistet. Die Beibehaltung des Gesetzes wird daher ganz überwiegend befürwortet.

Beim Vollzug einzelner Vorschriften hat sich jedoch gezeigt, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht immer leicht verständlich und handhabbar waren. Dies gilt insbesondere für die Regelungen über die Benutzung von Rasenmähern und den Betrieb von Lärm erzeugenden Geräten. Diskussionen löste auch die Regelung über die Dauer der zulässigen Außengastronomie aus. Vielfach wurde die Regelung des § 4 Abs. 4 LImSchG als zu starr empfunden. Mit der vorliegenden Novelle sollen insbesondere Auslegungsprobleme beseitigt und die Zulässigkeit des Betriebs von Außengastronomie in der Nachtzeit neu geregelt werden.

Schließlich soll angesichts immer wiederkehrender Beschwerden über Kinderlärm eine Klarstellung dahingehend erfolgen, dass Kinderlärm als sozialadäquat grundsätzlich hinzunehmen ist.

Mit dem Gesetzentwurf sind keine unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer zu erwarten.

Zusätzliche Kosten sind durch den Vollzug der neugefassten Vorschriften nicht zu erwarten. Da durch das Änderungsgesetz das Landes-Immissionsschutzgesetz aber insgesamt vollzugsfreundlicher wird, kann dies bei den Verwaltungen zu einer Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen.

Der Gesetzentwurf wurde den kommunalen Spitzenverbänden zur Stellungnahme zugeleitet. Außerdem hat sich der Kommunale Rat mit dem Gesetzentwurf befasst. Schriftlich haben sich der Städtetag und der Gemeinde- und Städtebund geäußert. Beide Verbände teilen die Zielsetzung der Gesetzesnovelle, bitten aber zu einzelnen Vorschriften um Prüfung ihrer Anregungen. Dies betrifft den neuen § 3 Abs. 2 (Privilegierung von Kinderlärm), den man wegen des weiten Beurteilungsspielraums für schwierig zu vollziehen ansieht. Auch hält man die Erstreckung auf die Nachtzeit für problematisch.

Des Weiteren wird auch die Änderung des § 4 Abs. 4 problematisiert. Auch hier wird der weite Beurteilungsspielraum, den das Gesetz der Behörde eröffnet, als nicht unproblematisch für den Vollzug angesehen. Auch die Überwachung der Einhaltung der Auflagen zur Beschränkung des Lärms sei mit hohem Aufwand verbunden.

Schließlich wird die Prüfbitte geäußert, ob man nicht lärmarme Geräte und Maschinen privilegieren könne. § 8 Nummer 2 der 32. BImSchV biete hierfür die Ermächtigung.

Nach Prüfung dieser Anregungen wird kein Änderungsbedarf am Gesetzentwurf gesehen. Der Tatbestand zum Kinderlärm muss wegen der Vielgestaltigkeit kindlichen Verhaltens weit gefasst sein. Andererseits muss er bei atypischen Sachverhalten ein Einschreiten der Behörde ermöglichen. Auch kann Kinderlärm in der Nachtzeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Die Neuregelung des § 4 Abs. 4 verlangt von den Kommunalbehörden sehr viel Flexibilität. Sie eröffnet aber auch neue Freiräume, die schon häufig gefordert wurden. Um den Behörden eine Hilfestellung zu geben, enthält die Gesetzesbegründung zahlreiche Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit und Vermeidung von Lärm aus Freiluftgaststätten.

Von der Privilegierung lärmarmer Geräte und Maschinen über die bestehende Regelung des § 4 Abs. 6 hinaus sieht der Gesetzentwurf ab. Es fehlt derzeit an vollzugstauglichen Kriterien dafür, was unter lärmarm zu verstehen ist.

Auf eine Gesetzesfolgenabschätzung, die über die bei allen Gesetzentwürfen erfolgende Prüfung der Notwendigkeit in den Auswirkungen hinausgeht, wurde verzichtet, da die vorgesehenen Änderungen auf Vollzugserfahrungen beruhen und diese berücksichtigen.

B. Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Artikel 1:

Zu Nummer 1 Buchst. a Redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 1 Buchst. b

Wenn Kinder spielen, verursachen sie Geräusche, die von Erwachsenen nicht selten als belästigender Lärm empfunden werden. Da es bisher weder im Bundes- noch im Landesrecht Bestimmungen zum Kinderlärm gibt, kommt es in der Praxis immer wieder zu Konflikten, die dann häufig in Klagen vor den Gerichten münden. Wenngleich inzwischen weitestgehend die Überzeugung vorherrscht, dass kindlicher Lärm nicht mit Gewerbe- oder Verkehrslärm gleichgesetzt werden kann und Kinderlärm von den Gerichten in der Regel als sozialadäquat betrachtet wird, führen gerichtliche Auseinandersetzungen zur Verunsicherung bei Eltern, Erzieherinnen und Erziehern.

Nach dem Wortlaut des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 24 des Grundgesetzes steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für anlagenbezogenen Lärm zu, von der er insbesondere durch den Erlass des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) Gebrauch gemacht hat. Anlagen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind auch Kindertagesstätten und Spielplätze. Demgegenüber liegt der sogenannte verhaltensbezogene Lärm in der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Es obliegt daher den Ländern, selbst Regelungen zu treffen, wie Kinderlärm außerhalb von Anlagen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu behandeln ist.

Dem dient die neue Vorschrift des § 3 Abs. 2 LImSchG. Damit wird auch landesgesetzlich festgeschrieben, was inzwischen weitgehend Konsens in der Rechtsprechung ist, dass Kinderlärm in der Regel keine schädliche Umwelteinwirkung ist und als sozialadäquat grundsätzlich hinzunehmen ist.

Begründung:

Auch wenn Anlass für Konflikte meist Kinderlärm aus „Anlagen" sein wird, kann die neue Vorschrift dennoch Signalwirkung zu mehr Verständnis für Kinderlärm haben und im Bereich des verhaltensbezogenen Lärms eine Vermutung für die Zulässigkeit des Kinderlärms bedeuten.

Zu Nummer 2 Buchst. a

Diese Ausnahmevorschrift trägt der Tatsache Rechnung, dass es unvorhersehbare Situationen geben kann, die Arbeiten während der Nachtzeit ohne vorherige Erlaubnis erzwingen, um insbesondere wirtschaftliche Schäden für Einzelne oder die Allgemeinheit abzuwenden. Sie hat sich bewährt und soll beibehalten werden. Da es jedoch angesichts des derzeitigen Wortlauts insbesondere mit der Deutschen Bahn mehrfach zu Streit über die richtige Auslegung kam ­ diese berief sich darauf, dass sie Gleisarbeiten im öffentlichen Interesse grundsätzlich nachts durchführen muss ­ soll die Vorschrift konkretisiert werden. Dies ist auch deshalb erforderlich, weil das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in einem Urteil zum Ausdruck gebracht hat, dass es diese Auffassung der Deutschen Bahn teilt. Dabei wurde aber übersehen, dass Nachtarbeiten auch möglich sind, wenn sie gemäß § 4 Abs. 3 LImSchG für den Einzelfall genehmigt werden. Die Genehmigung gibt die erforderliche Handhabe, um Auflagen festzulegen, die den Lärm auf das unbedingt Notwendige zurückführen. Wenn also die Deutsche Bahn Wochen vorher durch einen Arbeitsplan festlegt, wann welche Gleise erneuert werden sollen, und diese Arbeiten während der Nacht durchgeführt werden müssen, so muss sie einen Ausnahmeantrag stellen. Im Genehmigungsverfahren wird dann geprüft, unter welchen Bedingungen die Nachtarbeiten durchgeführt werden können.

Ereignet sich dagegen eine Betriebsstörung, bei der auch ein Gleis beschädigt wird, das aus betriebstechnischen Gründen kurzfristig während der Nacht repariert werden muss, so bedarf es, weil es sich um einen unvorhersehbaren Notfall handelt, keiner Ausnahmegenehmigung. Die Privilegierung soll nur dem zugutekommen, der unvorhergesehen in eine Zwangslage kommt, also dem, der einen Schaden riskiert, wenn er bestimmte Arbeiten nicht durch- oder zu Ende führt.

Zu Nummer 2 Buchst. b Redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 2 Buchst. c

Die Regelung stellt eine Ausnahme zu § 4 Abs. 1 dar. Das bedeutet, dass über eine Ausnahme erst dann zu befinden ist, wenn der Betrieb der Außengastronomie zu einer Störung der Nachtruhe führen kann. Kann eine Störung ausgeschlossen werden, z. B. weil Außengastronomie in ausreichender Entfernung von Wohnbebauung ausgeübt wird (Waldgaststätte), in einem Gebiet ausgeübt wird, in dem sich üblicherweise nachts keine Menschen aufhalten (Platz innerhalb von Bürogebäuden) oder wo aufgrund einer nachgewiesenen sozialen Akzeptanz Außengastronomie nicht als störend empfunden wird, so bedarf es keiner Ausnahme. Dass durch den Betrieb der Außengastronomie tatsächlich eine Störung der Nachtruhe eintritt, muss dem Verursacher nicht nachgewiesen werden (Möglichkeit reicht), sondern dieser muss nachweisen, dass trotz der generellen Geeignetheit seiner Betätigung zur Störung der Nachtruhe sein Betrieb ausnahmsweise nicht zu einer Störung führen kann. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der Be6 trieb von Außengastronomie in unmittelbarer Nähe eines Wohngebietes regelmäßig zu einer Störung der Nachtruhe führt und es daher einer Ausnahmeregelung bedarf.

Die Ausnahmevorschrift trägt der Tatsache Rechnung, dass sich seit der Einführung der Sommerzeit die Lebens- und Freizeitgewohnheiten verändert haben. Durch das längere Tageslicht bedingt können sich Freizeitaktivitäten in den Abend oder in die frühe Nacht verschieben. Insbesondere besteht vielfach der Wunsch, länger als bis 22.00 Uhr Außengastronomie betreiben oder nutzen zu können. Zwar besteht schon derzeit die Möglichkeit, durch Einzelausnahmen Außengastronomie bis 23.00 Uhr zuzulassen. Dies hat sich aber nach Auffassung verschiedener Kommunen und Verbände als nicht ausreichend erwiesen. Es wurden deshalb auf kommunaler Ebene bisweilen weitergehende Ausnahmen zugelassen, die von der betroffenen Bevölkerung akzeptiert wurden.

Andererseits ist eine ausreichende Nachtruhe für die Anwohnerinnen und Anwohner sicherzustellen. Freiluftgaststätten und sonstige nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen unterliegen im Gegensatz zu Gaststätten ausdrücklich nicht dem Anwendungsbereich der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503), (vgl. Nummer 1 Satz 2 Buchst. b TA Lärm). Für diese Außengastronomie einschließlich der mit Gaststätten betriebenen Freiluftgaststätten gelten vielmehr unmittelbar die Anforderungen des § 22 BImSchG. Da der Bundesverordnungsgeber von seiner Verordnungsermächtigung nach § 23 Abs. 1 BImSchG für Freiluftgaststätten und sonstige nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen keinen Gebrauch gemacht hat, kann durch landesrechtliche Regelung die Erheblichkeit einer Lärmwirkung bestimmt werden. Als Richtschnur ist den Behörden in Rheinland-Pfalz deshalb empfohlen, für Freizeitanlagen einschließlich Freiluftgaststätten die FreizeitlärmRichtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI), in Rheinland-Pfalz bekannt gemacht durch Rundschreiben vom 30. Januar 1997 (MinBl. S. 213), als Entscheidungshilfe heranzuziehen. Im Regelfall können die in beiden Regelungen für die Nachtzeit identisch geltenden Immissionsrichtwerte jedoch nicht eingehalten werden, wenn sich Wohngebäude in unmittelbarer Nähe befinden. Bei einer Überschreitung dieser Immissionsrichtwerte wäre in der Regel eine Störung der Nachtruhe grundsätzlich zu bejahen. So ist ein Schlafen bei gekipptem Fenster dann nicht mehr ohne Einschränkungen möglich, was gerade in der auch für die Außengastronomie relevanten wärmeren Jahreszeit zu einem Interessenkonflikt führen kann.

Bei Geltung der TA Lärm (vgl. Nummer 6.4 TA Lärm) bzw. ihrer entsprechenden Anwendung könnte die Nachtzeit nur bis zu einer Stunde hinausgeschoben oder vorverlegt werden, soweit dies wegen der besonderen örtlichen oder wegen zwingender betrieblicher Verhältnisse unter Berücksichtigung des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen erforderlich ist. Diese Bestimmung der TA Lärm, die oftmals von Gerichten analog herangezogen wird, ist Grundlage der bisherigen Regelung im Landes-Immissionsschutzgesetz, bei der auf Antrag im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden können. An dieser Ausnahmebestimmung der TA Lärm soll künftig nicht mehr festgehalten werden.