Rechtsanwalt

Opferschutzbericht 7 bereits vorstehend erwähnte Nötigung im besonders schweren Fall nach § 240 Abs. 4 des StGB, worunter auch die Nötigung zur Eingehung einer Ehe - die sogenannte Zwangsverheiratung - fällt. Erweitert wurde auch die Zulassung des Opfers zur Nebenklage, wenn dies aus besonderen Gründen - insbesondere wegen der für das Opfer schweren Folgen der Tat - geboten erscheint, damit das Opfer seine Interessen wahrnehmen kann.

Erweiterung der Opferanwaltsregelung nach § 397a StPO

Auch die Vorschriften über die Beiordnung einer Opferanwältin oder eines Opferanwalts sind übersichtlicher und einfacher gestaltet worden und der Katalog der Delikte, bei denen eine Beiordnung möglich ist, wurde erweitert. Die Beiordnung eines unabhängig vom Einkommen der Verletzten kostenfreien Opferanwalts ist nun bei einer Reihe von Delikten zulässig, wenn die Tat bei dem Opfer zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden geführt hat oder möglicherweise noch führen wird. Minderjährige Opfer können künftig bis zu einem Alter von 18 Jahren bei bestimmten Delikten einen kostenlosen Opferanwalt beauftragen, wenn sie ihre Interessen nicht ausreichend selbst wahrnehmen können. Auch die Regelung zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Bestellung eines Opferanwaltes wurde opferfreundlicher gestaltet. Künftig ist für eine solche Bewilligung nicht mehr die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage maßgeblich, sondern der Umstand, dass ein Opfer nicht in der Lage ist, seine Interessen selbst ausreichend wahrzunehmen oder ihm dies nicht zuzumuten ist. Diese Neuregelung dürfte sehr viel einfacher anzuwenden sein und für die Verletzten auch ohne juristische Kenntnisse darzulegen sein.

Erweiterung der Informationsrechte von Opfern nach § 406h StPO

Das Zweite Opferrechtsreformgesetz verbesserte auch die Informationsrechte von Opfern. Die staatlichen Organe müssen die Opfer von Straftaten künftig möglichst frühzeitig, regelmäßig schriftlich und soweit möglich in einer für sie verständlichen Sprache auf ihre Befugnisse hinweisen, die sich aus den §§ 406b bis 406g StPO ergeben (z.B. Mitteilungspflichten des Gerichts, Akteneinsichtsrechte, Anwesenheitsrechte des anwaltlichen Beistands usw.). Besonders wichtig ist, dass die staatlichen Stellen Verletzte auch darauf hinweisen müssen, dass sie Hilfe und Unterstützung von Opferhilfeeinrichtungen in Anspruch nehmen,

8 Opferschutzbericht Versorgungsansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend machen oder Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragen können. Schließlich müssen die Strafverfolgungsbehörden Verletzte über die für traumatisierte Opfer besonders wichtige Möglichkeit der Unterstützung durch eine psychosoziale Prozessbegleitung informieren.

Stärkung der Rechte von minderjährigen Opfern und Zeugen

Bei zahlreichen Schutzvorschriften zugunsten von Opfern und Zeugen in der Strafprozessordnung wurde mit dem Zweiten Opferrechtsreformgesetz die Altersgrenze von 16 auf 18 Jahre erweitert. Auch bei 16- und 17-jährigen Zeuginnen und Zeugen kann nun der oder die Angeklagte unter erleichterten Voraussetzungen von der Zeugenvernehmung ausgeschlossen werden. Zudem muss ihre Vernehmung allein durch den Vorsitzenden Richter durchgeführt und es kann unter erleichterten Bedingungen die Vernehmung durch eine frühere Videovernehmung ersetzt werden.

Erleichterungen bei der Aussage als Zeugin oder Zeuge

Durch das Zweite Opferrechtsreformgesetz wurden die Rechte von Zeuginnen und Zeugen bei polizeilichen Vernehmungen klarer festgelegt. Die Beiordnung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand (§ 68b StPO) wurde vereinfacht. Die Mitwirkungsrechte der Zeugenbeistände wie beispielsweise das Anwesenheitsrecht bei Vernehmungen wurden erweitert.

Opferschutzbericht 9

II. Besondere Regelungen zum Schutz gefährdeter Personen und bestimmter Personengruppen

1. Zivilgerichtlicher Schutz bei Gewalttaten, Drohungen und Nachstellungen

Allgemeines:

Für den zivilgerichtlichen Opferschutz haben das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz - GewSchG) sowie die Regelungen zur vorläufigen Benutzungsregelung hinsichtlich einer gemeinsam genutzten Wohnung bei (getrennt lebenden) Eheleuten bzw. Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern gemäß § 1361b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bzw. § 14 Lebenspartnerschaftsgesetz besondere Bedeutung.

Das Gewaltschutzgesetz dient der Bekämpfung von Gewalt im Allgemeinen und häuslicher Gewalt im Besonderen sowie dem Schutz vor unzumutbaren Belästigungen. Es regelt die Zulässigkeit von zivilrechtlichen Schutzanordnungen zugunsten des Opfers in Fällen, in denen die Täterin oder der Täter den Körper, die Gesundheit oder Freiheit des Opfers verletzt oder mit einer solchen Handlung gedroht hat. Beim unberechtigten Eindringen in die Wohnung oder in das befriedete Besitztum des Opfers kann das Gericht ebenfalls auf Antrag des Opfers Schutzanordnungen erlassen. Das Gewaltschutzgesetz umfasst auch unzumutbare Belästigung des Opfers durch wiederholte Nachstellung oder Verfolgung unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, wozu insbesondere auch Fälle des sogenannten „Stalking" gehören. Als gerichtliche Schutzanordnungen kommen beispielsweise die Anordnung von Näherungs-, Kontaktaufnahme- oder Betretungsverboten für den Täter in Betracht. Verstöße gegen gerichtliche Schutzanordnungen sind strafbar; die Opfer solcher Delikte können im Ermittlungsund Strafverfahren ihre Rechte als Nebenklägerin bzw. Nebenkläger (§ 395 Abs. 1 Nr. 1e StPO) wahrnehmen.