Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz

1. § 1 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „(1) Zivilblinde Menschen (Blinde Menschen), die in Rheinland-Pfalz ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. EU Nr. L 166 S. 1; Nr. L 200 S. 1; 2007 Nr. L 204 S. 30) in der jeweils geltenden Fassung oder anderen Rechtsakten der Europäischen Union anspruchsberechtigt sind, erhalten zum Ausgleich der durch ihre Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindengeld nach diesem Gesetz."

2. § 6 Satz 2 erhält folgende Fassung: „Der Antrag ist bei der Kreisverwaltung oder der Stadtverwaltung der kreisfreien Stadt des gewöhnlichen Aufenthaltes des blinden Menschen oder, wenn kein gewöhnlicher Aufenthalt in Rheinland-Pfalz besteht, beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung zu stellen."

3. § 10 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „(1) Zuständige Behörde für die Durchführung dieses Gesetzes ist die Kreisverwaltung, in kreisfreien Städten die Stadtverwaltung, in deren Bezirk die blinden Menschen ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben; besteht kein gewöhnlicher Aufenthalt in Rheinland-Pfalz, ist das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung zuständige Behörde. Die Landkreise und die kreisfreien Städte nehmen die Aufgaben als Auftragsangelegenheit wahr."

4. § 11 erhält folgende Fassung: „§ 11

Kostenregelung:

Die Landkreise und die kreisfreien Städte tragen die Aufwendungen für das von ihnen geleistete Blindengeld. Das Land erstattet ihnen nach Ablauf des Haushaltsjahres zwei Drittel des geleisteten Blindengeldes. Zum 1. April und zum 1. Oktober eines jeden Jahres werden Abschlagszahlungen von je 45 v. H. des voraussichtlichen Jahreserstattungsbetrages geleistet. Das Erstattungsverfahren wird vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung durchgeführt."

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

A. Allgemeines:

Das Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz (LPflGG) vom 31. Oktober 1974 (GVBl. S. 466), zuletzt geändert durch Artikel 40 des Gesetzes vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 481), BS 217-20, gleicht schwerbehinderten Menschen, die durch Verlust oder Einschränkung von Funktionen körperlicher, geistiger oder seelischer Kräfte in erheblichem Umfang auf persönliche Hilfe angewiesen sind, einen dadurch bedingten erheblichen Mehraufwand aus. Voraussetzung ist unter anderem, dass die schwerbehinderten Menschen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Rheinland-Pfalz haben.

Zum Ausgleich der durch ihre Blindheit bedingten Mehraufwendungen erhalten blinde Menschen Blindengeld nach dem Landesblindengeldgesetz (LBlindenGG) vom 28. März 1995 (GVBl. S. 55 -58-), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 10. April 2003 (GVBl. S. 55), BS 217-21. Voraussetzung ist auch hier unter anderem, dass die blinden Menschen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz haben.

Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. EG Nr. L 149 S. 2; 1997 Nr. L 179 S. 12), zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 (ABl. EU Nr. L 177 S. 1), enthielt Regelungen, wonach Ansprüche aus Systemen der sozialen Sicherheit auch für Personen (und ihre Familienangehörigen) bestanden, die zwar nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz hatten, aber beispielsweise Beschäftige in Rheinland-Pfalz waren. Aufgrund von Rechtsvorschriften der Länder an behinderte Menschen und besonders an blinde Menschen gewährte Leistungen waren als beitragsunabhängige Sonderleistungen im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 von deren Regelungsbereich ausgeschlossen und daher nicht „exportierfähig".

Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ist am 1. Mai 2010 durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. EU Nr. L 166 S. 1; Nr. L 200 S. 1; 2007 Nr. L 204 S. 30) abgelöst worden. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 enthält keine Ausnahmeregelungen zugunsten der Pflege- und Blindengeldgesetze der Länder mehr.

Obwohl der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 als geltendes Recht unmittelbare Wirkung in Deutschland zukommt und die Länder ihre Vollzugsbehörden auf die europarechtlichen Anforderungen hingewiesen haben, hat die Europäische Kommission wegen der in den betreffenden Landesgesetzen enthaltenen Anspruchsvoraussetzungen des Wohnsitzes beziehungsweise des gewöhnlichen Aufenthalts gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig gemacht (Rechtssache C-206/10). Angesichts dessen sind die Länder übereingekommen, die zur Anpassung ihres Landesrechts notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.

Der Gesetzentwurf sieht daher vor, dass schwerbehinderte beziehungsweise blinde Menschen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Rheinland-Pfalz haben, Pflegegeld oder Blindengeld erhalten, wenn sie nach der Verordnung (EG) Nr. 883/ 2004 oder anderen Rechtsakten der Europäischen Union anspruchsberechtigt sind. Die Formulierung trägt der Tatsache Rechnung, dass sich die Anspruchsberechtigung in „grenzüberschreitenden Fällen" unmittelbar aus den jeweiligen europäischen Rechtsvorschriften ergibt und daher keiner landesrechtlichen Konkretisierung mehr bedarf.

In Betracht kommen in erster Linie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Aufenthalt im angrenzenden Ausland (zum Beispiel Frankreich, Luxemburg, Belgien und Niederlande), die in Rheinland-Pfalz einen Arbeitsplatz haben; hier können beispielsweise auch bestimmte Familienangehörige mit Behinderung gemäß den europäischen Rechtsvorschriften einen Anspruch auf Pflegegeld oder Blindengeld haben. Dagegen bleibt es bei den rein innerdeutschen Fallgestaltungen (zum Beispiel im Verhältnis zwischen Rheinland Pfalz und Hessen) bei den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen, die regelmäßig auf den Wohnsitz beziehungsweise auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellen. Hier bestehen keine europarechtlichen Vorgaben, sodass die Länder im Rahmen der föderalen Strukturen in Deutschland jeweils selbst über die Anspruchsvoraussetzungen für das Pflegegeld und das Blindengeld entscheiden.

Derzeit führen die Kreisverwaltungen und die Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte das Landespflegegeldgesetz und das Landesblindengeldgesetz als Auftragsangelegenheit durch; das Land erstattet ihnen ein Viertel des geleisteten Pflegegeldes und zwei Drittel des geleisteten Blindengeldes. Bei einem Abstellen allein auf den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ist eine räumliche Zuordnung zu einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt in jedem Fall möglich. Das ist bei den einzubeziehenden grenzüberschreitenden Fällen nicht mehr der Fall; so ist es beispielsweise möglich, dass eine Französin oder ein Franzose abwechselnd an mehreren Stellen in Rheinland Pfalz arbeitet. Es ist daher vorgesehen, dass in den Fällen, in denen kein gewöhnlicher Aufenthalt in Rheinland-Pfalz besteht, das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung zuständige Behörde zur Durchführung des Landespflegegeldgesetzes und des Landesblindengeldgesetzes wird.

Gesetzesfolgenabschätzung:

Die mögliche Ausweitung des in Bezug auf das Pflegegeld und das Blindengeld anspruchsberechtigten Personenkreises ergibt sich bereits auf der Grundlage der einschlägigen europarechtlichen Vorschriften, unabhängig davon, ob das rheinland-pfälzische Landesrecht hieran angepasst wird oder nicht.

Im Übrigen dürfte die Ausweitung, wenn überhaupt relevant, nur sehr wenige Fälle betreffen und daher auch zu keinen größeren finanziellen Belastungen des nunmehr für die „neuen Fälle" zuständigen Landes führen.

Begründung Gender-Mainstreaming Pflegegeld und Blindengeld werden unterschiedslos an anspruchsberechtigte Frauen und Männer gewährt. Ob und gegebenenfalls wie viele Frauen und Männer von der Neuregelung betroffen sind, wird auch von deren Antragsverhalten abhängen; eine entsprechende Prognose ist mangels vorliegender Daten derzeit nicht möglich.

Ergebnis der Anhörung:

Im Zuge der durchgeführten Anhörung wurden keine Änderungs- oder Ergänzungswünsche mitgeteilt.

B. Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Artikel 1 (Änderung des Landespflegegeldgesetzes):

Zu Nummer 1 (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LPflGG):

Die Neufassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 LPflGG stellt klar, dass neben schwerbehinderten Menschen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Rheinland-Pfalz auch (sonstige) Anspruchsberechtigte nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 oder anderen Rechtsakten der Europäischen Union Pflegegeld zum Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen erhalten können, sofern die weiteren Voraussetzungen nach dem Landespflegegeldgesetz erfüllt sind.

Anspruchsberechtigte Personen sind danach in erster Linie schwerbehinderte Menschen, die zwar keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz haben, aber ihren Wohnsitz in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben und in Rheinland-Pfalz beschäftigt sind oder hier eine selbstständige Tätigkeit ausüben (sogenannte Einpendlerinnen und Einpendler), sowie deren Familienangehörige (Artikel 1 Buchst. i der Verordnung ­ EG ­ Nr. 883/2004) mit einem abgeleiteten Anspruch auf Landespflegegeld, soweit sie die sonstigen Voraussetzungen nach dem Gesetz erfüllen.

Zu Nummer 2 (§ 7 Satz 2 LPflGG): Schwerbehinderte Menschen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Rheinland-Pfalz stellen ihren Antrag auf Pflegegeld auch künftig bei der für sie örtlich zuständigen Kreisverwaltung oder Stadtverwaltung der kreisfreien Stadt. Schwerbehinderte Menschen mit Wohnsitz in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, deren Anspruch sich aus der Verordnung (EG) Nr. 883/ 2004 oder aus anderen Rechtsakten der Europäischen Union ergibt, stellen ihren Antrag beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung soll für derartige Fälle zentral zuständig sein, da beispielsweise bei der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit in mehreren Landkreisen und kreisfreien Städten die Zuständigkeit eines einzelnen Landkreises oder einer einzelnen kreisfreien Stadt nicht gegeben wäre. Damit wird auch dem Ziel einer unbürokratischen Regelung Rechnung getragen und die Landkreise und kreisfreien Städte werden nicht belastet.

Zu Nummer 3 (§ 12 Abs. 1 LPflGG): Zuständige Behörde für die Durchführung des Landespflegegeldgesetzes bleibt wie bisher die Kreisverwaltung, in kreisfreien Städten die Stadtverwaltung, sofern ein gewöhnlicher Aufenthalt der Antragstellerin oder des Antragstellers in deren Bezirk besteht. Sofern kein gewöhnlicher Aufenthalt in Rheinland-Pfalz besteht, ist künftig das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung zuständige Behörde.

Zu Nummer 4 (§ 13 LPflGG):

Die Neufassung der Kostenregelung stellt klar, dass die Landkreise und kreisfreien Städte die Aufwendungen nur für das Pflegegeld tragen, das von ihnen im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeit geleistet wird; das Land gewährt ihnen wie derzeit auch künftig zum 1. April und zum 1. Oktober eines jeden Jahres Abschlagszahlungen von je 45 v. H. des voraussichtlichen Jahreserstattungsbetrages (ein Viertel des geleisteten Pflegegeldes). Das Erstattungsverfahren wird wie bisher vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung durchgeführt; die veraltete Behördenbezeichnung „Landesamt für Jugend und Soziales Rheinland-Pfalz" wird aktualisiert.

Die Aufwendungen für das Pflegegeld für schwerbehinderte Menschen ohne gewöhnlichen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz leistet das Land; daher werden die Landkreise und kreisfreien Städte nicht mit möglichen zusätzlichen Aufwendungen belastet.

Zu Artikel 2 (Änderung des Landesblindengeldgesetzes)

Die zum Landesblindengeldgesetz vorgesehenen Änderungen entsprechen den Änderungen des Landespflegegeldgesetzes, auf deren Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen jeweils verwiesen wird.

Zu Nummer 1 (§ 1 Abs. 1 LBlindenGG)

Auf die Begründung zu Artikel 1 Nr. 1 wird verwiesen.

Zu Nummer 2 (§ 6 Satz 2 LBlindenGG)

Auf die Begründung zu Artikel 1 Nr. 2 wird verwiesen.

Zu Nummer 3 (§ 10 Abs. 1 LBlindenGG)

Auf die Begründung zu Artikel 1 Nr. 3 wird verwiesen.

Zu Nummer 4 (§ 11 LBlindenGG)

Den Landkreisen und den kreisfreien Städten wird auch künftig zwei Drittel des von ihnen geleisteten Landesblindengeldes vom Land erstattet. Im Übrigen wird auf die Begründung zu Artikel 1 Nr. 4 verwiesen.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten) Artikel 3 sieht das Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am Tage nach der Verkündung vor. Ein rückwirkendes Inkrafttreten ist nicht erforderlich, da die europarechtlichen Vorgaben auch ohne die landesrechtlichen Änderungen ohnehin bereits gelten.