Jugendstrafanstalt

­ Psychologische Beratung, Behandlung, Psychoedukation und Krisenintervention

­ Psychotherapie als Einzel- oder Gruppentherapie

­ Einsatz von zusätzlichen externen Therapeuten für Sexualstraftäter

­ Deliktorientierte Behandlungsgruppen für Gewalt- und Sexualstraftäter

­ Einbeziehung des familiären Umfelds (z. B. Partnerinnen und Partner oder Eltern) in Behandlungsmaßnahmen

­ Täter-Opfer-Ausgleich in hierfür geeigneten Fällen

­ Heranführen an eine sinnvolle Freizeitgestaltung, zum Beispiel über Sport oder im kreativen Bereich

­ Einsatz von ehrenamtlichen Vollzugshelferinnen und Vollzugshelfern als Verbindung zur Gesellschaft und dem Leben in Freiheit

­ Erprobung in Vollzugslockerungen unter schrittweisen und kontrollierenden Bedingungen des Strafvollzugs (nach sorgfältiger Prüfung der Eignung)

­ Offener Vollzug als letzte Station vor der Entlassung

­ Entlassungsvorbereitung und Übergangsmanagement

­ Nachsorge in Psychotherapeutischen Ambulanzen.

Der Kriminologische Dienst überprüft die Maßnahmen zur Sozialisierung und Resozialisierung, insbesondere im Jugendstrafvollzug, auf ihre Wirksamkeit sowie hinsichtlich ihrer Weiterentwicklung.

Besonders zu erwähnen sind die neuen, noch in der Entwicklung befindlichen Sozialtherapeutischen Abteilungen im Jugendstrafvollzug, die ihren Betrieb im Jahr 2008 in den Jugendstrafanstalten Schifferstadt und Wittlich aufgenommen haben. Sie umfassen jeweils zwei Wohngruppen mit jeweils zehn Behandlungsplätzen. Insgesamt stehen 40 Plätze für die Behandlung von männlichen Jugendstrafgefangenen zur Verfügung. Sie stellen zusätzlich zu der bereits vorhandenen Sozialtherapeutischen Anstalt in Ludwigshafen mit 66 sowie der Sozialtherapeutischen Abteilung in der JVA Diez mit 13 Behandlungsplätzen eine beträchtliche Ausweitung der Sozialtherapie dar und intervenieren in einem Lebensalter, in dem gute Aussichten bestehen, kriminelle Karrieren frühzeitig abzubrechen.

An den drei Standorten des Jugendstrafvollzugs (Schifferstadt und Wittlich für männliche, Zweibrücken für weibliche Jugendstrafgefangene) wurde die Entlassungsvorbereitung durch die Einrichtung eines zusätzlichen strukturell und personell verankerten Übergangsmanagements verbessert. Das Case-Management in schwierigen Einzelfällen und das Knüpfen und Pflegen von Netzwerken zu den Akteuren des Arbeitsmarkts und sozialen Hilfesystemen werden stetig optimiert. Eine Ausweitung des Übergangsmanagements auf die Justizvollzugsanstalten ist beabsichtigt und wird umgesetzt, sobald hierfür Stellen im Sozialdienst zur Verfügung stehen.

In der Jugendstrafanstalt Schifferstadt wird durch ein eigenes Freigängerhaus die Übergangsphase vom geschlossenen Vollzug in die Freiheit verbessert. Das neue Gebäude für den offenen Vollzug befindet sich kurz vor dem Baubeginn. Auch eine bauliche Erweiterung der zwei Sozialtherapeutischen Abteilungen wird in Schifferstadt zeitnah erfolgen und bessere Möglichkeiten zur Durchführung der Behandlungsmaßnahmen schaffen.

An den drei Standorten des Jugendstrafvollzugs wurden in Zusammenarbeit mit pro familia Elemente der Sexualpädagogik konzeptuell auf den Jugendstrafvollzug zugeschnitten. Derzeit findet eine Erprobungsphase mit entsprechender Weiterbildung des Personals statt.

Ebenfalls an den drei Standorten des Jugendstrafvollzugs wurden Einheiten aus der Erlebnispädagogik eingeführt. Auch diese pädagogische Sonderform wird durch Weiterbildung des Personals professionalisiert. In der Jugendstrafanstalt Schifferstadt wurden Elemente eines Hochseilklettergartens errichtet und in Zweibrücken eine Boule-Bahn erbaut.

Der Sport erhält eine besondere Beachtung und wurde im Jugendstrafvollzug durch Einstellung eines Sportwissenschaftlers sowie eines Sportpädagogen professionalisiert. Ein sportpädagogisches Gesamtkonzept wurde erarbeitet, das für Jugendstrafgefangene in den unterschiedlichen Phasen des Vollzugs jeweils unterschiedliche Angebote vorsieht wie z. B. Zugangssport, Wohngruppensport, Neigungssport und Zielgruppensport für verschiedene Problemgruppen wie Sexualstraftäter, Aggressionstäter oder Suchtgefährdete.

Fußball als die beliebteste Sportart wird interministeriell und in Zusammenarbeit mit dem DFB, dem Südwestdeutschen Fußballverband und der DFB-Stiftung Sepp Herberger zielgruppengerecht weiterentwickelt.

In der Jugendstrafanstalt Schifferstadt und der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken wurde eine Pilotierungsphase zu dem FußballProjekt „Anpfiff 2010" erfolgreich abgeschlossen. Gefangene werden dabei in Kooperation mit dem Südwestdeutschen Fußballverband und der DFB-Stiftung Sepp Herberger zu Schiedsrichtern ausgebildet. Von dem Perspektivenwechsel vom „Rechts-Brecher" zum „Schieds-Richter" sowie der Möglichkeit einer künftigen Einbindung in das soziale Gefüge eines Fußballvereins werden positive Effekte auf die Rückfälligkeit erwartet. Dieses Projekt wird in Kürze auf die Jugendstrafanstalt und Justizvollzugsanstalt Wittlich ausgeweitet. Das gemeinsame Projekt der Jugendstrafanstalt Schifferstadt, der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken und des Südwestdeutschen Fußballverbandes gehört in diesem Jahr zu den Preisträgern des DFB und Mercedes-Benz Integrationspreises, der 2010 zum vierten Mal vergeben wird. „Anstoß für ein neues Leben" ist ein Fußballprojekt der DFB-Stiftung Sepp Herberger und der drei Standorte des rheinland-pfälzischen Jugendstrafvollzugs. Der Südwestdeutsche Fußballverband und die Handwerkskammern unterstützen das Projekt. Es befindet sich derzeit in der Aufbauphase. Künftig werden an den drei Standorten des Jugendstrafvollzugs „Anstoß-Teams" regelmäßig trainieren und Freundschaftsspiele gegen andere Mannschaften austragen. Diese Fußballgruppen werden durch prominente Projektpaten aus der Bundesliga begleitet. Gleichzeitig sollen sich in der Haftzeit junge Gefangene beruflich qualifizieren. Nach der Haftentlassung sollen sie mit Unterstützung der DFB-Stiftung Sepp Herberger und der Handwerkskammern sowohl in Arbeitsstellen vermittelt als auch in einen der mehr als 26 000 DFB-Mitgliedsvereine vermittelt werden. Damit wird die Erwartung verbunden, dass dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse und die Mitgliedschaft in Fußballvereinen gute Voraussetzungen für ein künftiges Leben ohne Straftaten darstellen.

Die Justizvollzugsanstalten Frankenthal, Zweibrücken und Ludwigshafen sowie die Jugendstrafanstalt Schifferstadt nehmen unter der Federführung des Fachreferates in der Abteilung Strafvollzug an der Förderinitiative „Abschlussbezogene modulare Nachqualifizierung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung teil. Das Ziel der Fördererinitiative ist es, den Strukturaufbau für die Nachqualifizierung von Strafgefangenen auf politischer, anstaltsbezogener und individueller Ebene in den Regionen zu verbessern. Hierfür werden die Nachqualifizierungsbedarfe der Straffälligen und die Qualifizierungsangebote der jeweiligen Region erhoben, Bildungsberatung für Gefangene geleistet, die Bediensteten fortgebildet und das vollzugliche Qualifikationsspektrum angepasst. Die Anschlussfähigkeit im Förderrahmen von SGB II und III ist dabei intendiert. Insgesamt soll das Übergangsmanagement in den Justizvollzugseinrichtungen auf der berufsbildenden Seite gestärkt werden. Die Laufzeit des Projekts erstreckt sich von Anfang September 2010 bis Ende August 2013.

In der Justizvollzugsanstalt Wittlich wird derzeit eine Abteilung zur Krisenintervention für psychisch auffällige Straftäter (KIPS) unter der Leitung einer psychiatrischen Fachkraft aufgebaut. Die Abteilung ist auf 20 Behandlungsplätze ausgelegt und wird in Kürze in Betrieb genommen.

Einen Schwerpunkt der zusätzlichen Maßnahmen im Behandlungsbereich bildet die Nachsorge. Die Psychotherapeutische Ambulanz der Justiz (PAJu) in Ludwigshafen befindet sich in der Aufbauphase. Im Jahr 2009 wurde sie zur ambulanten Nachsorge insbesondere für entlassene Straftäterinnen und Straftäter an die Sozialtherapeutische Anstalt in Ludwigshafen angegliedert. Sie ist noch in einem Provisorium untergebracht (Büro-Container). In Kürze werden Umbauarbeiten in der Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen durchgeführt, nach deren Abschluss neue Räumlichkeiten für die PAJu zur Verfügung stehen werden. Ebenfalls in der Aufbauphase befindet sich die im Oktober 2009 eröffnete Psychotherapeutische Ambulanz im Auftrag der Justiz (PAJu) in Trägerschaft von pro familia Trier e. V. Sie wurde als Angebot einer ambulanten Behandlung und Betreuung speziell von Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftätern etabliert und wird durch das Justizministerium finanziert. Erfahrungen aus der anderthalbjährigen bzw. einjährigen Betriebszeit der beiden Psychotherapeutischen Ambulanzen werden derzeit unter Beteiligung des Landesbeirats für Strafvollzug und Kriminologie des Ministeriums der Justiz ausgewertet. In der perspektivischen Planung befindet sich eine dritte Psychotherapeutische Ambulanz der Justiz, die in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Auswertung der Erfahrungen mit den bestehenden Ambulanzen im Raum Koblenz angesiedelt werden könnte. Es ist geplant, hierfür die finanziellen Mittel in den nächsten Haushalt einzustellen.

Abschließend soll noch erwähnt werden, dass der rheinland-pfälzische Justizvollzug im Rahmen von zwei Ausschreibungen der Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation e. V. in den Jahren 2007 und 2009 unter dem Stichwort „Humanisierung des Strafvollzugs ­ Konzepte und Praxismodelle" sehr erfolgreich war. Von dem Kuratorium wurden unter der Federführung des renommierten Lehrstuhlinhabers für Kriminologie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Herrn Prof. Dr. Frieder Dünkel, fünf rheinland-pfälzische Projekte ausgewählt, um diese bundesweit als Beispiele einer modellhaften Praxis vorzustellen:

­ „Deutscher Pass ­ Russische Seele: Gruppenprojekt Identität und Integration" (Jugendstrafanstalt Schifferstadt)

­ „Resozialisierung durch internationale Begegnung ­ Teilnahme von Strafgefangenen der Jugendstrafanstalt Wittlich an Maßnahmen des Internationalen Bauordens" (Jugendstrafanstalt Wittlich)

­ „Fünf Kontinente, fünf Sinne, eine Weltmeisterschaft. Oder: wie Polen doch noch Fußballweltmeister wurde" (Justizvollzugsanstalt Rohrbach)

­ „Auf die Bäume ­ Fertig ­ Los! Sportprojekt Erlebnispädagogisches Klettern im Hochseilgarten" (Jugendstrafanstalt Schifferstadt)

­ „Mann kann ­ Frau auch! Junge Frauen bauen einen Bouleplatz. Koedukatives Gruppenprojekt mit weiblichen Jugendstrafgefangenen" (Justizvollzugsanstalt Zweibrücken)

Ist für eine wirkungsvolle Umsetzung dieser Maßnahmen eine bessere Finanzausstattung als gegenwärtig vorhanden erforderlich?

Eine bessere finanzielle Ausstattung ist immer wünschenswert; umso mehr Gefangene könnten an den unterschiedlichen Standorten mit den zu Frage 77 beschriebenen Maßnahmen erreicht werden.

79. Wie beurteilt die Landesregierung Klagen darüber, dass für den offenen Vollzug geeignete Gefangene zunächst trotzdem dem geschlossenen Vollzug zugeführt werden?

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27. September 2007 (2 BvR 725/07) dem Gesichtspunkt der Erhaltung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses während des Strafvollzugs erhebliches Gewicht beigemessen. Daher hat die Landesregierung umfangreiche Vorkehrungen getroffen, welche sicherstellen, dass die für die mögliche Erhaltung des Arbeitsverhältnisses eines zum Strafantritt geladenen Verurteilten relevanten Entscheidungen so rechtzeitig getroffen werden, dass sachlich nicht gerechtfertigte Arbeitsplatzverluste vermieden werden.

Mit Hilfe eines vor dem Strafantritt dem Verurteilten übermittelten Merkblatts wird seit Ende des Jahres 2009 auf die bestehende Möglichkeit des Arbeitsplatzerhalts auch während des Strafvollzugs aufmerksam gemacht.

Der Landesregierung sind seit der entsprechenden Anpassung des Strafvollstreckungsplans und der Bekanntgabe entsprechender ministeriellen Vorgaben an die Vollstreckungsbehörden zur Umsetzung der vorbezeichneten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Anfang Dezember 2009 keine „Beschwerden" von für den offenen Vollzug geeigneten Gefangenen, sie würden in den geschlossenen Vollzug geladen und in der Folge ihren Arbeitsplatz verlieren, bekannt geworden.

Die Entscheidung, ob ein Gefangener für den offenen Vollzug bzw. für den Freigang weiterhin geeignet ist und in der Folge seinen Arbeitsplatz behalten kann, trifft stets die zuständige Justizvollzugsanstalt. Dies gilt auch für Gefangene, die von den Vollstreckungsbehörden in den offenen Vollzug geladen wurden. Gegen diese Entscheidungen ist der Rechtsweg eröffnet. Ein Zusammenhang mit der vorerwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besteht insoweit nicht.

Vor der Neuregelung der Ladung von Verurteilten, die über einen Arbeitsplatz verfügen, ist der Landesregierung ein Fall im Bezirk des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken bekannt, mit dem die Gerichte befasst waren. Ein zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilter Mann war in den geschlossenen Vollzug zum Strafantritt geladen worden und wehrte sich gegen diese Entscheidung. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hob die Ladung durch Beschluss im November 2009 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf und verpflichtete die Vollstreckungsbehörde zu einer erneuten Entscheidung.

Da der Mann zwischenzeitlich wegen weiterer Straftaten wieder zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe verurteilt wurde, lud ihn die Vollstreckungsbehörde erneut in den geschlossenen Vollzug, wo er gegenwärtig seine Strafe verbüßt.

80. Inwieweit sieht die Landesregierung die Einführung von elektronischen Fußfesseln zur Entlastung des Justizvollzuges, z. B. im U-Haft-Vollzug oder in der Sicherungsverwahrung, für sinnvoll an?

In geeigneten Fällen der Führungsaufsicht kann auch die elektronische Fußfessel als Mittel der Überwachung in Betracht kommen; sie ermöglicht allerdings nur eine Aufenthaltsbestimmung. Sie allein kann noch keine Sicherheit gewährleisten. Deshalb ist sie durch andere Mittel der Führungsaufsicht zu ergänzen.

Eine unmittelbare Entlastung der Justizvollzugsanstalten im Sinne von vermiedenen Haft- oder Sicherungsverwahrungstagen bringt diese Maßnahme nicht. Eine Entlastung des Strafvollzuges kommt ­ theoretisch ­ nur dann in Betracht, wenn eine erneute Straffälligkeit allein aufgrund der Fußfessel vermieden wird, weil dann eine zu vollziehende Haft als Sicherungsmittel nicht erforderlich wird. Dies ist kaum sicher zu belegen. Im Übrigen ist eher anzunehmen, dass der Einsatz der elektronischen Fußfessel als Überwachungsmaßnahme lediglich den Effekt hat, dass die soziale Kontrolle über Straftäter ausgeweitet wird. Das führt zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung, aber nicht unmittelbar zu einer Entlastung des Justizvollzuges.

Als Ersatz für die Sicherungsverwahrung kommt die Fußfessel nicht in Betracht, weil besonders gefährliche Verurteilte besonderer Sicherungsmaßnahmen bedürfen. Besteht die besondere Gefährlichkeit nicht mehr fort und wird die Sicherungsverwahrung deshalb beendet, kann die elektronische Fußfessel zukünftig eine Maßnahme im Rahmen der verschiedenen Führungsaufsichtsweisungen darstellen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung auf Bundesebene ist seit dem 1. Januar 2011 in Kraft, § 68 b Abs. 1 Nr. 12 StGB.

Auch als Ersatz für die Untersuchungshaft scheidet die elektronische Fußfessel aus. Mit ihr kann weder einer Flucht- noch einer Verdunkelungsgefahr entgegengewirkt werden.

81. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Erfahrungen mit privat geführten Haftanstalten in anderen Bundesländern und wie bewertet sie diese?

Der Landesregierung liegen keine konkreten Erkenntnisse über Erfahrungen anderer Bundesländer mit privat geführten Haftanstalten vor, die sie bewerten könnte. Die Landesregierung beabsichtigt ihrerseits keine Privatisierung von Haftanstalten in Rheinland-Pfalz.