Orientierungsprüfung an Bremer Hochschulen

Die Hochschulen werden häufig damit konfrontiert, dass die Studenten über einen längeren Zeitraum keine Prüfungen ablegen, und deshalb die Universität keine Kenntnis darüber hat, ob die Studierenden überhaupt studierfähig sind. Ein Instrument zur Überprüfung der Studierfähigkeit mit dem Ziel der Erreichung von kürzeren Studienzeiten sind so genannte Orientierungsprüfungen. Diese Form von Prüfungen nach dem ersten Studienjahr wird beispielsweise in Baden-Württemberg durchgeführt.

Wir fragen den Senat:

1. Sind dem Senat die Orientierungsprüfungen in anderen Bundesländern bekannt, und wie schätzt er die ersten Erfahrungen mit diesem Instrument ein?

2. Inwieweit ermöglicht das Bremische Hochschulgesetz schon heute Orientierungsprüfungen, und in welchen Fachbereichen wird dieses Instrument genutzt?

3. Inwiefern sieht der Senat in der Durchführung von Orientierungsprüfungen eine Möglichkeit, frühzeitig Studierende identifizieren zu können, die voraussichtlich nicht studierfähig sind und gegebenenfalls einer zusätzlichen Betreuung bedürfen?

4. Welches Konzept verfolgt der Senat, um die oben beschriebenen Zielsetzungen zu erreichen, und erwägt er gegebenenfalls die Einführung von Orientierungsprüfungen an den Hochschulen Bremens?

Jörg Jäger, Jörg Kastendiek und Fraktion der CDU Dazu Antwort des Senats vom 13. Juli 2004

Klagen über mangelnde Studierfähigkeit hat es zu allen Zeiten gegeben; sie sind in den letzten Jahren aber lauter geworden und haben dazu geführt, der Studieneingangsphase besondere Beachtung beizumessen. Die einzelnen Fragen werden wie folgt beantwortet:

1. Sind dem Senat die Orientierungsprüfungen in anderen Bundesländern bekannt, und wie schätzt er die ersten Erfahrungen mit diesem Instrument ein?

Orientierungsprüfungen sind nur in Baden-Württemberg gesetzlich geregelt.

Das baden-württembergische Hochschulgesetz sieht vor, dass in den Prüfungsordnungen der Universitäten zu bestimmen ist, dass bis zum Ende des zweiten Semesters mindestens eine Prüfungsleistung, bei Teilstudiengängen zwei Prüfungsleistungen, aus den Grundlagen des jeweiligen Faches zu erbringen sind (Orientierungsprüfung). Die Prüfungsleistungen können einmal im darauf folgenden Semester wiederholt werden. Wer diese Prüfungsleistungen nicht spätestens bis zum Ende des dritten Semesters erbracht hat, verliert den Prüfungsanspruch, es sei denn, die Fristüberschreitung ist vom Studierenden nicht zu vertreten.

Die Studierenden werden bei Nichtbestehen oder Fristüberschreitung exmatrikuliert. Nach Auskunft aus dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg entzieht sich ein Teil der betroffenen Studierenden der drohenden Sanktion durch rechtzeitigen Studiengangs- oder Hochschulwechsel.

Für eine Einschätzung des Instruments der Orientierungsprüfung liegen dem Senat keine hinreichenden Fakten vor.

2. Inwieweit ermöglicht das Bremische Hochschulgesetz schon heute Orientierungsprüfungen, und in welchen Fachbereichen wird dieses Instrument genutzt?

Das Bremische Hochschulgesetz hält sich eng an das Hochschulrahmengesetz und betont den Beratungsaspekt: Die Hochschule informiert sich bis zum Ende des ersten Studienjahres über den bisherigen Studienverlauf und führt gegebenenfalls eine Studienberatung durch. Unmittelbare Sanktionen sind damit nicht verbunden.

Die bremischen Hochschulen haben bereits vor vielen Jahren ein studienbegleitendes Prüfungssystem eingeführt, so dass in der Regel von Beginn des Studiums an Prüfungsleistungen zu erbringen sind. Darüber hinaus sehen die Prüfungsordnungen vor, dass die Studierenden zu einer besonderen Studienberatung aufgefordert werden, wenn sie Termine, zu denen regelhaft Prüfungen abgelegt werden sollen, überschritten haben.

3. Inwiefern sieht der Senat in der Durchführung von Orientierungsprüfungen eine Möglichkeit, frühzeitig Studierende identifizieren zu können, die voraussichtlich nicht studierfähig sind und gegebenenfalls einer zusätzlichen Betreuung bedürfen?

4. Welches Konzept verfolgt der Senat, um die oben beschriebenen Zielsetzungen zu erreichen, und erwägt er gegebenenfalls die Einführung von Orientierungsprüfungen an den Hochschulen Bremen?

Das Bachelor- und Mastersystem, das an den bremischen Hochschulen bis 2010 flächendeckend eingeführt sein wird, sieht ausnahmslos studienbegleitende Prüfungen vor. Jedes Modul wird mit einer Prüfungsleistung abgeschlossen; erst dann werden dafür Leistungspunkte erteilt. Das bedeutet, dass die Studierenden vom ersten Semester an Prüfungen ablegen müssen. Die genehmigten Bachelor- und Masterprüfungsordnungen der Hochschule Bremen und die Entwürfe der Universität für Bachelor- und Masterprüfungsordnungen sehen vor, dass Modulprüfungen in der Regel nur einmal wiederholt werden können; die Wiederholungsprüfung muss spätestens im folgenden Semester abgelegt werden. Bei Versäumnis eines Prüfungstermins gilt die Prüfung als nicht bestanden. Mit diesen Regelungen, die auch in die Prüfungsordnungen der beiden anderen Hochschulen aufgenommen werden, erübrigt sich eine gesonderte Orientierungsprüfung nach dem Muster von Baden-Württemberg.

Flankiert wird die Einführung der neuen Studienstruktur von einer Vielzahl von Maßnahmen, mit denen die Hochschulen die Studienanfänger von Anfang an zu einem zielorientierten Studium führen wollen. Dazu gehören detaillierte Informationen über die Studienanforderungen schon in den Schulen, Transparenz der geforderten Studien- und Prüfungsleistungen, zügige Durchführung der Prüfungsverfahren, aktuelle Information der Studierenden über ihren Studienstand, Stütz- und Brückenkurse zur Behebung von Defiziten in der Qualifikation der Studienbewerberinnen und Bewerber.