Stalking

Der Deutsche Bundestag hat Ende November 2006 den strafrechtlichen Schutz von Stalking-Opfern beschlossen. Das Gesetz schließt Strafbarkeitslücken und ermöglicht einen effektiveren Opferschutz.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie viele Stalking-Opfer gibt es in Rheinland-Pfalz?

2. Welche Entwicklung ist diesbezüglich erkennbar?

3. Welche Hilfen stehen in Rheinland-Pfalz den Stalking-Opfern zur Verfügung?

4. Wie beurteilt die Landesregierung das o. g. Gesetz?

Das Ministerium der Justiz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 13. Februar 2007 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1: Die Frage nach der Anzahl der Opfer von so genanntem Stalking in Rheinland-Pfalz kann nur schätzungsweise beantwortet werden. Die vielfältigen von dem Begriff Stalking erfassten Fallgestaltungen unterliegen bislang keinem eigenständigen Straftatbestand.

Sie können nur teilweise etwa als Nötigungs-, Bedrohungs- oder Beleidigungsdelikte, aber auch als Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz strafrechtlich geahndet werden. Stalking-Fälle sind auch nicht mit eigenem Straftatenschlüssel in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) enthalten. Einige Fallgestaltungen überschreiten nach geltendem Recht auch nicht die Grenze zur Strafbarkeit. Hieraus ergibt sich, dass verlässliche statistische Werte zu Opfer- wie Fallzahlen nicht zur Verfügung stehen. a., dass ca. 12 % der 1 235 beratenen Personen, d. h. etwa 150 Betroffene, so genannte Stalking-Opfer gewesen sind.

Zu Frage 2: Die Bandbreite des Begriffs Stalking und die eingeschränkte Aussagekraft der zur Verfügung stehenden Zahlen lassen eine tragfähige Beurteilung der Entwicklung in diesem Bereich nicht zu.

Das gilt auch im Hinblick darauf, dass mehrere Stalking-Taten eines Täters zum Nachteil nur eines Opfers begangen werden können, so dass aus den von den Staatsanwaltschaften mitgeteilten Zahlen nicht zuverlässig auf die Zahl der Opfer oder eine diesbezügliche Entwicklung geschlossen werden kann.

Zu Frage 3: Soweit das Verhalten des Stalkers eine konkrete Gefahr für das Opfer begründet, steht der Polizei das durch das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz zur Verfügung gestellte Instrumentarium zur Gefahrenabwendung zur Verfügung. Die Bandbreite der denkbaren Reaktionen reicht hier je nach Fallkonstellation von der Gefährderansprache bis hin zur Ingewahrsamnahme.

Das Thema Stalking ist bereits seit längerem fester Bestandteil der polizeilichen Aus- und Fortbildung. Ziel der internen und externen Fortbildungsmaßnahmen sind die weitere Professionalisierung polizeilichen Handelns im Umgang mit Stalking-Fällen und der weitere Ausbau der Zusammenarbeit mit anderen auf diesem Gebiet tätigen staatlichen und nicht staatlichen Stellen.

Der „Leitfaden für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zum Umgang mit Fällen der Gewalt in engen sozialen Beziehungen" wird mit Blick auf die Verbesserung des Schutzes von Stalking-Opfern von einer beim Landeskriminalamt eingerichteten Arbeitsgruppe fortgeschrieben. Unabhängig hiervon sind die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bereits heute angewiesen, bei jedem Hinweis auf Stalking einen Bericht bzw. eine Anzeige zu fertigen, eine Gefahreneinschätzung vorzunehmen, das Opfer zu beraten und Hilfe zu vermitteln. Zudem wird dem Opfer ein fester Ansprechpartner benannt, der seinerseits engen Kontakt zum Opfer unterhält.

Der rheinland-pfälzische Landespräventionsrat hat sich wiederholt der Thematik Stalking angenommen. Sowohl auf dem Landespräventionstag im November 2004 als auch in mehreren Beiträgen in seiner Zeitschrift „Kriminalprävention in Rheinland-Pfalz" hat der Landespräventionsrat themenbezogen informiert und insbesondere für eine angemessene Berücksichtigung der Opferbelange sensibilisiert.

Im Bereich der Justiz stehen Stalking-Opfern die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes wie etwa die Herbeiführung der richterlichen Anordnung eines Kontaktverbots zur Verfügung.

Im Rahmen von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren können Stalking-Opfer ferner die Gerichtshilfe als Ansprechpartner in Anspruch nehmen. Sie wird in einschlägigen Verfahren regelmäßig seitens der Staatsanwaltschaften mit dem Auftrag eingeschaltet, über den speziellen Sachverhalt zu berichten. In diesem Zusammenhang können den Opfern auch weitergehende Hilfsangebote vermittelt werden.

Um im Umgang mit der Stalking-Problematik entsprechend vorbereitet zu sein, wurden die rheinland-pfälzischen Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer in den Jahren 2005 und 2006 im Rahmen landesweiter Fachtagungen gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Staatsanwaltschaften und der Polizei schwerpunktmäßig fortgebildet.

Bei Einverständnis sowohl des Opfers als auch des Beschuldigten kann in geeigneten Einzelfällen auch die Durchführung eines TäterOpfer-Ausgleichs in Betracht kommen.

Die durch den Pfälzischen Verein für Straffälligenhilfe e. V. getragene Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt in Landau richtet ihre Angebote in einschlägigen Fällen an Täter wie Opfer. Das Konzept der Einrichtung sieht eine Gruppenarbeit für Täter vor, deren Teilnahme durch Staatsanwaltschaft oder Gericht als Auflage angeordnet werden kann.

Darüber hinaus stehen den Opfern zahlreiche weitere Stellen als Ansprechpartner zur Verfügung:

­ In Mainz, Westerburg, Trier, Ludwigshafen, Kaiserslautern und Bad Kreuznach sind Interventionsstellen bei Gewalt in engen sozialen Beziehungen eingerichtet, die auch Stalking-Opfern psychosoziale Beratung, Krisenintervention und rechtliche Information, etwa zum Gewaltschutzgesetz oder zum Strafrecht, bieten. Darüber hinaus gibt es in weiteren Städten des Landes proaktive Beratungsstellen, und zwar in Bitburg, Daun, Prüm, Neuwied, Altenkirchen, Betzdorf, Mayen, Alzey und Landau. Proaktiv bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die genannten Stellen nach einem Polizeieinsatz Kontakt mit den Betroffenen aufnehmen, soweit diese damit einverstanden sind, und neben einer psychosozialen Erstberatung Informationen über die rechtlichen Möglichkeiten anbieten sowie in Zusammenarbeit mit der Polizei ­ und bei Mitbetroffenheit von Kindern auch mit den Jugendämtern ­ einen Schutz- und Sicherheitsplan zu erstellen suchen.

­ Außerdem werden Hilfsangebote durch 17 Beratungsstellen der Frauenhäuser unterbreitet, und zwar in Ahrweiler, Bad Kreuznach, Idar-Oberstein, Kirchheimbolanden, Landau, Mainz, Neustadt, Bad Dürkheim, Frankenthal, Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen, Pirmasens, Speyer, Hachenburg, Trier und Worms.

­ Schließlich leisten zwölf autonome Notrufe für vergewaltigte Frauen und Mädchen bei Fachstellen für sexualisierte Gewalt Beratungen, und zwar in Alzey, Koblenz, Ludwigshafen, Simmern, Trier, Worms, Westerburg, Landau, Mainz, Speyer, Idar-Oberstein und Zweibrücken.

Die Landesregierung wird im Rahmen des rheinland-pfälzischen Interventionsprojektes gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen auch den Schutz von durch Stalking betroffenen Frauen weiter verbessern. In diesem Rahmen sollen auch die Täter konsequenter zur Verantwortung gezogen werden. Hierzu hat die Landesregierung im Doppelhaushalt 2007/2008 die finanziellen Mittel zur Schaffung von Täterarbeitseinrichtungen in allen acht Landgerichtsbezirken bereitgestellt. Das u. a. auf Gewaltprävention und Verbesserung des Opferschutzes sowie Verhaltens- bzw. Wahrnehmungsänderungen auf Täterseite gerichtete Konzept sieht vor, dass die Einrichtungen sowohl von selbstmotivierten, als auch von fremdmotivierten, d. h. durch Gericht oder Staatsanwaltschaft zugewiesenen, Tätern kontaktiert werden können.

Zu Frage 4: Die bisherige Gesetzeslage hat sich hinsichtlich der Bekämpfung strafwürdiger Stalking-Fälle oftmals als unzureichend erwiesen, so dass der Gesetzgeber zur Schaffung einer Regelung aufgerufen war, die Strafbarkeitslücken schließt und einen effektiven Schutz der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet.

Dem wird das vom Bundestag nunmehr beschlossene Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen nach Auffassung der Landesregierung gerecht.

Die vorgesehene Strafvorschrift des § 238 Abs. 1 StGB-E bedroht neben

­ physischen Annäherungen,

­ Nachstellungen durch Telekommunikationsmittel und sonstige Mittel der Kommunikation sowie mittelbare Kontaktaufnahme über Dritte,

­ Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen unter missbräuchlicher Verwendung personenbezogener Daten des Opfers und

­ näher bezeichneten Drohungsvarianten auch „andere vergleichbare Handlungen" mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Darüber hinaus enthält die neue Vorschrift mit höheren Strafen bedrohte Qualifikationstatbestände für Fälle, in denen das Opfer, einer seiner Angehörigen oder eine ihm nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheits schädigung gebracht wird bzw. in denen der Täter durch die Tat den Tod einer dieser Personen verursacht.

Weiterer Eckpunkt des Gesetzentwurfs ist die Erweiterung des Straftatenkataloges des den Haftgrund der Wiederholungsgefahr normierenden § 112 a StPO um diese Qualifikationstatbestände.

Am 16. Februar 2007 wird sich der Bundesrat mit der im Bundestag beschlossenen Neuregelung befassen. Rheinland-Pfalz wird sie im Interesse eines möglichst raschen und effektiven Opferschutzes unterstützen.