Gesamtausgaben des Landeshaushalts

Nach Absatz 2 ist der Vorgabe eines im Grundsatz ohne Nettokreditaufnahme aufzustellenden Haushalts Rechnung getragen, wenn der strukturelle Saldo des Haushalts mindestens ausgeglichen ist. Der strukturelle Saldo des Haushalts ist die Differenz zwischen strukturellen Einnahmen und strukturellen Ausgaben. Die Vorgabe eines strukturell mindestens ausgeglichenen Haushalts ist gleichbedeutend mit der Vorgabe, dass der strukturelle Saldo kein negatives Vorzeichen hat und der Landeshaushalt damit kein strukturelles Defizit aufweist.

Absatz 3 enthält die grundsätzlichen Vorschriften zur Ermittlung von strukturellen Einnahmen und strukturellen Ausgaben. Hierzu werden die Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben des Landeshaushalts Schritt für Schritt im Sinne einer Berechnungsvorschrift bereinigt. Nach den Bereinigungen in den Nummern 1 und 2 ergibt sich als Saldo der verbleibenden Einnahmen und Ausgaben der Finanzierungssaldo des Kernhaushalts, nach den Bereinigungen in den Nummern 3 und 4 ergibt sich als Saldo der verbleibenden Einnahmen und Ausgaben der strukturelle Saldo des Kernhaushalts und nach den Korrekturen in den Nummern 5 und 6 ergibt sich der Saldo der strukturellen Einnahmen und strukturellen Ausgaben, der als struktureller Saldo des „Konzernhaushalts" verstanden werden kann, soweit keine Sondersituationen im Sinne von vorübergehenden Effekten vorliegen, die einen erheblichen Finanzbedarf im Landeshaushalt nach sich ziehen.

In Nummer 7 wird zusätzlich um solche in den §§ 4 und 5 definierten Effekte bereinigt.

In Nummer 1 werden die strukturellen Einnahmen und Ausgaben ausgehend von den Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben des Landeshaushalts (Kernhaushalt) um die Bruttokreditaufnahme am Kreditmarkt (Schuldenaufnahmen am Kreditmarkt; Obergruppe 32) und die (Brutto-)Tilgung am Kreditmarkt (Tilgungsausgaben an Kreditmarkt; Obergruppe 59) bereinigt.

Bei den im Haushalt verbuchten Zuführungen an und die Entnahme aus Rücklagen handelt es sich schon definitionsgemäß um transitorische, nicht strukturelle Vorgänge. Die jeweiligen Einnahmen (Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken; Obergruppe 35) und Ausgaben (Zuführungen an Rücklagen, Fonds und Stöcke; Obergruppe 91) sind deshalb nach Nummer 2 nicht zu den strukturellen Einnahmen und strukturellen Ausgaben zu zählen und der zulässige Saldo ist entsprechend anzupassen. Die strukturelle Haushaltslage wird durch Rücklagenbewegungen nicht beeinflusst. Der strukturelle Saldo im Sinne des Absatzes 2 wird durch die Bildung einer Rücklage also nicht verschlechtert; umgekehrt findet durch die Auflösung einer Rücklage keine Verbesserung des strukturellen Saldos des Landeshaushalts statt. Dies gilt bereits für den Abbaupfad im Übergangszeitraum auf dem Weg zum strukturell ausgeglichenen Haushalt, der durch Rücklagenbewegungen nicht beeinflusst wird.

Auch durch veranschlagte Einnahmen aus Überschüssen bzw. Ausgaben zur Deckung von Fehlbeträgen aus Vorjahren (Obergruppe 36 bzw. 96) wird die strukturelle Haushaltslage des laufenden Jahres nicht tangiert. Der Überschuss im Sinne des § 25 LHO ergibt sich aus dem Betrag, um den die Gesamteinnahmen die getätigten Ausgaben übersteigen. Einnahmen aus haushaltstechnischen Verrechnungen (Obergruppe 38) müssen den Ausgaben aus haushaltstechnischen Verrechnun10 gen (Obergruppe 98) in der Regel entsprechen. Es handelt sich um Verrechnungen zwischen den Kapiteln des Haushalts oder um durchlaufende Posten, also nicht um strukturelle Einnahmen und Ausgaben.

Die Bereinigungen in den Nummern 1 und 2 beziehen sich allein auf den Kernhaushalt. Sie entsprechen den Bereinigungsschritten zur Berechnung der bereinigten Einnahmen, der bereinigten Ausgaben und des Finanzierungssaldos im Landeshaushalt nach § 13 Abs. 4 Nr. 2 LHO.

Weiter sind die Einnahmen und Ausgaben um einnahme- bzw. ausgabeseitige finanzielle Transaktionen zu vermindern (Nummer 3). Der Grundgedanke besteht darin, dass Einnahmen und Ausgaben, die den Forderungs- bzw. Netto-Finanzvermögensbestand des Landes unverändert lassen, nicht strukturell sind.

Einnahmen aus finanziellen Transaktionen, die den NettoFinanzvermögensbestand unverändert lassen (z. B. Privatisierungserlöse) stellen damit künftig nicht länger Einnahmen dar, die zum Haushaltsausgleich verwendet werden können. Stattdessen ziehen solche Einnahmen im Rahmen der neuen Schuldenregel für sich genommen die Verpflichtung nach sich, den Schuldenstand des Landes im gleichen Umfang zu vermindern. Umgekehrt bewirken Ausgaben für finanzielle Transaktionen, dass der Forderungs- bzw. Netto-Finanzvermögensbestand des Landes zunimmt, weshalb für sich genommen eine Kreditfinanzierung der entsprechenden Transaktionen zulässig ist.

Nach erfolgter Bereinigung um einnahmeseitige finanzielle Transaktionen gelten als strukturelle Einnahmen die Einnahmen, die in dem betreffenden Haushaltsjahr in der konjunkturellen Normallage, d. h. bei ausgeglichener Konjunktur vereinnahmt würden (Nummer 4). Die Konjunkturkomponente entspricht der Abweichung der unter Beachtung des Grundsatzes der Einheit und Vollständigkeit des Haushalts gemäß Artikel 116 Abs. 1 Satz 1 LV veranschlagten Steuereinnahmen von den Steuereinnahmen in der konjunkturellen Normallage, wenn für das Haushaltsjahr eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung erwartet wird. Die Einnahmen in der konjunkturellen Normallage geben das strukturelle Niveau der Einnahmen des Landes an. Dabei wird davon ausgegangen, dass die nicht steuerlichen Einnahmen nicht signifikant von konjunkturellen Schwankungen betroffen sind. Kennzeichen eines Abschwungs ­ im Sinne einer im Vergleich zur konjunkturellen Normallage schlechten Konjunktur ­ ist es, dass die veranschlagten Steuereinnahmen die strukturellen Steuereinnahmen automatisch, d. h. ohne aktive Einwirkung der Finanz- und Haushaltspolitik, unterschreiten.

Umgekehrt liegen die veranschlagten Steuereinnahmen im Aufschwung automatisch höher als die strukturellen Steuereinnahmen.

Der Begriff der konjunkturellen Normallage nimmt Bezug auf die Verwendung des Begriffs in Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 GG.

Der Rechtsbegriff der Normallage fand im Grundgesetz selbst bis zur Föderalismusreform II keine Anwendung, wurde vom Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Urteilen zum früheren Artikel 115 GG aber allgemein als der Regelfall interpretiert, in dem eine Kreditaufnahme nur bis zur Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen zulässig war. Als Gegenbegriff diente die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, deren Feststellung die Neuverschuldungsspielräume entsprechend erweitern konnte. Abweichend hier von ist die konjunkturelle Normallage im Sinne der neuen Schuldenregel in der Landesverfassung und in der Verwendung des vorliegenden Gesetzes gerade nicht als der „Regelfall" im Sinne der empirisch am häufigsten oder mit der höchsten Wahrscheinlichkeit auftretenden Situation zu interpretieren.

Der Begriff beschreibt vielmehr einen ­ empirisch eher selten zu beobachtenden ­ Zustand, in dem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ausgeglichen im Sinne einer Normalauslastung der Produktionskapazitäten ist.

In die Bestimmung der Konjunkturkomponente gehen ausschließlich die konjunkturell bedingten Schwankungen der Einnahmen im Landeshaushalt ein. Die Regelung geht von der Überlegung aus, dass sich die Messung der konjunkturellen Wirkungen auf den Landeshaushalt auf die Einnahmeseite beschränken kann, weil die Haushalte der Länder in ihrer gegenwärtigen Struktur von der konjunkturellen Entwicklung

­ anders als z. B. der stärker von Sozialleistungen geprägte und damit unmittelbar auch von der Lage auf dem Arbeitsmarkt abhängige Bundeshaushalt ­ ganz überwiegend bei den Steuereinnahmen (einschließlich der Einnahmen aus dem Finanzausgleich unter den Ländern sowie der Bundesergänzungszuweisungen) betroffen sind.

In die Ermittlung des strukturellen Einnahmen und strukturellen Ausgaben werden nach Nummer 5 im Sinne einer umfassenden, nicht auf den Kernhaushalt beschränkten Betrachtungsweise positive oder negative Salden der Einnahmen und Ausgaben der Rücklage nach § 2 des Landesgesetzes über den Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung Rheinland-Pfalz, des Sondervermögens „Wissen schafft Zukunft ­ Sonderfinanzierung" sowie der Versorgungsrücklage nach § 3 a des Landesgesetzes über den Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung Rheinland-Pfalz einbezogen. Zur Ermittlung der Salden sind die Einnahmen und Ausgaben der oben genannten Vermögen um die Verwendung von Überschüssen (z. B. Vergabe von Darlehen) oder die Finanzierung von Defiziten (z. B. aus Rücklagenentnahme) zu bereinigen. Daher wird auf die strukturellen Finanzierungssalden (Differenz zwischen den Bereinigten Einnahmen ohne einnahmeseitige finanzielle Transaktionen und den Bereinigten Ausgaben ohne ausgabeseitige finanzielle Transaktionen) abgestellt.

Konkret verbessern positive Salden der betrachteten Vermögen den strukturellen Saldo des Landes; technisch wird dies durch eine Erhöhung der nach Nummer 4 verbleibenden Einnahmen erreicht. Negative Salden verschlechtern hingegen den strukturellen Saldo des Landes; technisch wird dies durch eine Erhöhung der nach Nummer 4 verbleibenden Ausgaben erreicht. Die erweiterte Sichtweise orientiert sich konzeptionell am sogenannten Schalenkonzept des Statistischen Bundesamts und entspricht der Abgrenzung der Daten, die vom Stabilitätsrat im Rahmen der regelmäßigen Haushaltsbeobachtung herangezogen werden. Inhaltlich wird um Bestandsveränderungen der aufgeführten Vermögen des Landes außerhalb des Kernhaushaltes bereinigt. Vorweggenommene Belastungen des Kernhaushalts durch Zahlungen an die aufgeführten Vermögensmassen, die dort zu einer Vermögensmehrung (positive Salden) und damit zu einer Erhöhung der strukturellen Einnahmen führen, werden durch die Einbeziehung der Einnahmen in den strukturellen Saldo neutralisiert. Einnahmen im Landeshaushalt aus den betreffenden Vermögensmassen, die dort zu einer Vermögensminderung (negative Salden) und damit zu einer Erhöhung der strukturellen Ausgaben führen, werden durch die Einbeziehung der Ausgaben in den strukturellen Saldo ebenfalls neutralisiert. Das Vorgehen entspricht dem Vorgehen bei Rücklagenoperationen (Nummer 2) und Vermögensoperationen im Bereich der finanziellen Transaktionen (Nummer 3).

In Nummer 6 werden, ebenfalls im Sinne einer umfassenden, nicht auf den Kernhaushalt beschränkten Betrachtungsweise, die Belastungen der Vermögenslage des Landes durch Nettokreditaufnahme am Kreditmarkt für die Landesbetriebe oder Nettokreditaufnahme von juristischen Personen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 in den strukturellen Saldo einbezogen. Wie in Nummer 5 der negative Saldo stellt die Nettokreditaufnahme außerhalb des Kernhaushalts einen Vermögensverlust und damit eine strukturelle Belastung des Landes dar. Dies wird technisch durch eine entsprechende Verminderung der strukturellen Einnahmen dargestellt.

Spiegelbildlich werden auch mögliche Verbesserungen der Vermögenslage des Landes durch Nettotilgung am Kreditmarkt der für Landesbetriebe aufgenommenen Kredite oder Nettotilgung der Kredite von juristischen Personen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 in den strukturellen Saldo einbezogen.

Nettotilgungen, also der Abbau von Schulden des Landes außerhalb des Kernhaushalts, sind als strukturelle Verbesserung für das Land zu werten. Hierzu werden die strukturellen Ausgaben entsprechend reduziert.

In Nummer 7 werden die verbleibenden Einnahmen oder verbleibenden Ausgaben um diejenigen erheblichen Einmaleffekte bereinigt, aufgrund derer eine Kreditaufnahme nach Artikel 117 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LV zulässig ist. Entsprechende nichtdauerhafte Einnahmeausfälle stellen keine strukturellen Mindereinnahmen dar, erhebliche nichtdauerhafte Mehrausgaben werden nicht als strukturelle Ausgaben behandelt, sofern die Voraussetzungen des § 4 oder des § 5 vorliegen. Die Abgrenzung von Einmaleffekten, die an sich nicht als strukturell zu werten sind, ist in der Praxis kaum möglich. Die Vielzahl kleinerer gegenläufiger Einmaleffekte in einem Landeshaushalt neutralisiert sich gegenseitig. Daher werden hier Einmaleffekte allein auf die Gegebenheiten beschränkt, in denen zur Finanzierung Kredite in außergewöhnlichen Notsituationen oder Strukturanpassungskredite gesondert begründet durch Landtagsbeschluss legitimiert werden. Spiegelbildlich erhöhen die vorzunehmenden Tilgungen der hierzu aufgenommenen Kredite die strukturellen Ausgaben. Die Einmalbelastungen werden dadurch in der strukturellen Darstellung geglättet und zeitlich über mehrere Jahre verteilt.

Absatz 4 ist die Berechnungsvorschrift zur Ermittlung der zulässigen Nettokreditaufnahme des Landes am Kreditmarkt bzw. der vorgeschriebenen Nettotilgung von Schulden des Landes am Kreditmarkt im jeweiligen Haushaltsjahr.

Die Summe aus den Salden der Bereinigungen in Absatz 3 Nr. 2 (im Wesentlichen Rücklagensaldo) und Absatz 3 Nr. 3

(Saldo der finanziellen Transaktionen) und der Konjunkturkomponente (Absatz 3 Nr. 4) abzüglich der Salden der Vermögen nach Absatz 3 Nr. 5 wird als zulässiger Saldo bezeichnet (Satz 1). Dabei sind die Anpassungen gemäß § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 für Kredite in außergewöhnlichen Notsituationen und Strukturanpassungskredite sowie eine ggf. bestehende Tilgungsverpflichtung in Bezug auf negative Salden des KonDrucksache 16/503 Landtag Rheinland-Pfalz ­ 16.Wahlperiode trollkontos nach § 6 zu berücksichtigen. Eine (Netto-)Kreditaufnahme ist zulässig, wenn der zulässige Saldo negativ ist; die veranschlagte Kreditaufnahme darf den Betrag des zulässigen Saldos in diesem Fall nicht überschreiten (Satz 2). Ist der zulässige Saldo positiv, ist eine (Netto-)Tilgung von Schulden des Landes in Höhe des zulässigen Saldos zu veranschlagen (Satz 3).

Die Vorschrift ermittelt aus den zur Berechnung des strukturellen Saldos notwendigen Bereinigungen des Absatz 3 Nummer 2 bis 5 quasi spiegelbildlich die „unschädliche" (Netto-) Kreditaufnahme bzw. „notwendige" (Netto-)Tilgung, die mit einem strukturellen Saldo von Null vereinbar ist. Zusätzlich ergeben sich durch die in den §§ 4 bis 6 (Kredite in außergewöhnlichen Notsituationen, Strukturanpassungskredite sowie Kontrollkonto) ausnahmsweise erlaubten Kreditaufnahmen und Tilgungsverpflichtungen weitere Korrekturen.

Im Ergebnis der Regelung vermindert eine Auflösung von Rücklagen, Vermögenseinnahmen (einnahmeseitige finanzielle Transaktionen) oder negativen Salden (Defizite) bei den Vermögen nach Absatz 3 Nr. 5 die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen oder begründet die Verpflichtung zu tilgen. Umgekehrt erlaubt die Rücklagenbildung, die Vermögensbildung oder positive Salden bei den Vermögen nach Absatz 3 Nr. 5 eine strukturell unschädliche und vermögensneutrale Kreditaufnahme.

Gleichzeitig sieht die Konjunkturbereinigung im Rahmen der neuen Schuldenregel zur Vermeidung einer prozyklischen Fiskalpolitik für sich genommen entweder die Zulässigkeit einer Kreditaufnahme (negative Konjunkturkomponente) oder eine Verpflichtung zur Schuldentilgung (positive Konjunkturkomponente) in der entsprechenden Höhe vor. Konjunkturell bedingt überhöhte Steuereinnahmen müssen einer Tilgung zugeführt werden, konjunkturell bedingte Steuerausfälle dürfen durch Kredite ausgeglichen werden. Ein solchermaßen ausgestaltetes Verfahren wird gleichzeitig der Symmetrievorgabe in Artikel 117 Abs. 1 Satz 5 LV gerecht.

Zwar darf gemäß Artikel 2 des Siebenunddreißigsten Landesgesetzes zur Änderung der Verfassung für Rheinland-Pfalz bis zum 31. Dezember 2019 von den Vorgaben des Artikels 117 Abs. 1 LV nach Maßgabe des bisher geltenden Rechts abgewichen werden, sodass der Nachteil der bisherigen investitionsgebundenen Kreditaufnahmebeschränkung, in Rezessionsphasen einen tendenziell zu knappen und in konjunkturellen Boomphasen einen tendenziell zu weiten Kreditaufnahmespielraum abzustecken, zunächst bestehen bleibt. Hierdurch kann es im Übergangszeitraum zu Inkonsistenzen zur neuen Schuldenregel kommen. Diese möglichen Inkonsistenzen sind indes aus drei Gründen hinzunehmen.

Mit dem regelmäßigen Abbau des strukturellen Defizits sinkt die Wahrscheinlichkeit für Inkonsistenzen. Zudem verbleibt die Möglichkeit, in konjunkturell günstigen Jahren über eine Rücklagenbildung für konjunkturell schlechtere Jahre vorzusorgen und so eine konjunkturell bedingte Kreditaufnahme über die eigenfinanzierten Investitionen hinaus durch Auflösung von Rücklagen zu vermeiden. Darüber hinaus verbleibt im Falle einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts weiterhin die Ausnahmeregelung des bisherigen Artikels 117 LV.

Zu § 2 (Finanzielle Transaktionen)

Die neue Schuldenregel in Artikel 117 Abs. 1 LV enthält einen Regelungsauftrag an den einfachen Gesetzgeber, der nach der Gesetzesbegründung „auch Regelungen zur Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen" erfasst. Der von der neuen Schuldenregel vorgeschriebene Ausgleich des Haushalts ohne Einnahmen aus Krediten bezieht sich gemäß § 1 Abs. 2 auf strukturelle Werte für die Einnahmen und Ausgaben im Landeshaushalt. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 sind die Einnahmen und Ausgaben jeweils um die finanziellen Transaktionen zu vermindern.

Als finanzielle Transaktionen gelten all diejenigen Finanztransaktionen im Landeshaushalt, die den Forderungs- bzw. Netto-Finanzvermögensbestand des Landes für sich genommen unverändert lassen. Dies trägt zum einen dem einmaligen, nichtstrukturellen Charakter solcher Finanztransaktionen Rechnung. Zum anderen ändert zum Beispiel der kreditfinanzierte Erwerb einer Beteiligung oder die Privatisierung landeseigenen Vermögens nicht die Netto-Vermögensposition des Landes und zieht deshalb für sich genommen auch weder eine Belastung (Beteiligungserwerb) noch eine Entlastung (Beteiligungsveräußerung) künftiger Generationen nach sich. Die neue Schuldenregel nimmt insbesondere auch die intergenerativen Verteilungswirkungen haushaltspolitischer Entscheidungen anhand von Veränderungen des künftigen Generationen hinterlassenen Vermögens- bzw. Forderungsbestands in den Blick. Es ist deshalb im Sinne der neuen Schuldenregel folgerichtig, solche reinen Vermögensumschichtungen bei der Ermittlung der zulässigen Kreditaufnahme herauszurechnen.

In der Konsequenz sind Einnahmen aus Finanztransaktionen (zum Beispiel Privatisierungserlöse) künftig für sich genommen zur Schuldentilgung zu verwenden, während Ausgaben für Finanztransaktionen für sich genommen einen Kreditaufnahmespielraum in gleicher Höhe nach sich ziehen. Gleiches gilt für die Vergabe von Darlehen (Anstieg des Forderungsbestands des Landes), wobei die Rückzahlung der Darlehen bei der Ermittlung der strukturellen Einnahmen dann spiegelbildlich ebenfalls unbeachtlich bleibt.

Die Abgrenzung der finanziellen Transaktionen orientiert sich an der Ermittlung des staatlichen Finanzierungssaldos im Rahmen der „Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR)", der auch den Defizitregeln des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts zugrunde liegt. Aus Gründen der Einfachheit, Praktikabilität und Transparenz erfolgt die Bereinigung

­ anders als bei der Ermittlung des Finanzierungssaldos in der Abgrenzung der VGR ­ nur im Hinblick auf diejenigen Größen, die dem Haushaltsplan unmittelbar zu entnehmen sind. Dies entspricht der Regelung für den Bundeshaushalt im Artikel 115-Gesetz (G 115) vom 10. August 2009 (BGBl. I S. 2702 ­ 2704).

Im Einzelnen zählen nach Absatz 1 als einnahmeseitige finanzielle Transaktionen die Einnahmen aus der Veräußerung von Beteiligungen und sonstigem Kapitalvermögen (Gruppierung 133), aus Kapitalrückzahlungen (Gruppierung 134), aus der Inanspruchnahme von Gewährleistungen (Obergruppe 14), aus Darlehensrückflüssen (Obergruppen 17 und 18) sowie aus der Schuldenaufnahme bei Gebietskörperschaften, Sondervermögen und gebietskörperschaftlichen Zusammenschlüssen (Obergruppe 31).