Bericht der Kommission „IndustrieKultur Saar"

Mit der Erhaltung und Nutzbarmachung industrieller Standorte wird ein Stück saarländischer Geschichte und Identität mitgenommen ins 21. Jahrhundert. Dieser industriekulturelle Ansatz im Bericht der Kommission "IndustrieKultur Saar" wird vom Landtag des Saarlandes grundsätzlich mitgetragen. Mit dem Bekenntnis des Standortes zu seiner schwer-industriellen Vergangenheit verbindet der Landtag zugleich den Hinweis auf die weiterhin bedeutende Rolle des saarländischen produzierenden Gewerbes.

Das Projekt Industriekultur wird deshalb keineswegs als Abschied vom Industrieland Saarland gesehen, sondern als Hinweis auf die traditionellen Stärken des Landes und seiner Bevölkerung.

Mit dem Rückgang der Montanindustrie ist in den industriell geprägten Teilen des Saarlandes ein beispielloser Strukturwandel eingeleitet worden. Die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit und die mangelhafte Finanzkraft zeugen von einem längst nicht bewältigten Strukturproblem. Diese drängenden Gegenwartsprobleme hat das GanserGutachten weitgehend ausgeblendet. Möglicherweise war hier auch der Auftrag an die Kommission der saarländischen Problemlage nicht angemessen. Die Standorte mit ihren erhaltenswerten Zeugnissen der Industriekultur müssen aber in erster Linie Kristallisationspunkte für neue wirtschaftliche Tätigkeit und zukunftssichere Arbeitsplätze sein. Zu dieser notwendigen Instrumentalisierung von "Industriekultur" gibt es angesichts des ökonomischen Nachholbedarfs keine Alternative. Ikonen können nur erhalten werden, wenn in ihrem Umfeld Geld verdient wird.

In der Verbindung von industriekultureller Kulisse und modernsten Infrastrukturstandards kann ein hervorragendes Produkt für erfolgreiches Standortmarketing geschaffen werden. Die Aussagen der Ganser-Kommission, "quantitative Beschäftigungseffekte dürfe man nicht erwarten", sind nicht akzeptabel. Als kurzfristiges Ziel sollte die Schaffung von mindestens 1.000 Arbeitsplätzen an jedem Hauptstandort angestrebt werden.

"Was ist aussagekräftiger als vorhandene und geschaffene Dauerarbeitsplätze?" (Anhörung). Dem im Ganser-Gutachten propagierten "Zufallsprinzip" bei der ökonomischen Entwicklung einzelner Standorte wird ausdrücklich widersprochen. Damit kann der hohen Erwartungshaltung der betroffenen Kommunen und Regionen und den arbeitsmarkpolitischen Notwendigkeiten nicht Rechnung getragen werden. Auch eine sich daraus ableitende Ungleichzeitigkeit der Hauptprojekte würde auf keinerlei Akzeptanz stoßen.

Das Saarland braucht angesichts seines wirtschaftspolitischen Rückstandes und der Dynamik in anderen Regionen mehr als durchschnittliche Lösungen. Deshalb braucht jeder Standort Alleinstellungsmerkmale durch innovative Leitinvestitionen und ein klares Standortprofil. Die Profile müssen Zukunftsfelder, auf denen das Saarland im 21. Jahrhundert Spitzenleistungen erbringen will, widerspiegeln. Die Umsetzung des "Industriekulturprojekts" ist nur dann effektiv, wenn es sich in einen strukturpolitischen Masterplan einpassen kann, der allerdings in fortgeschriebener Form für das Saarland nicht existiert. Es gibt im Saarland allerdings gute Beispiele für die Entstehung neuen wirtschaftlichen Lebens auf traditionellen Industrieflächen (Beispiel Saarterrassen, 1.000 Arbeitsplätze), an denen man sich orientieren kann.

Der große Wurf scheint angesichts der sich wieder verschlechternden finanzpolitischen Rahmenbedingungen des Landes kaum finanzierbar. Das bedeutet zugleich, dass ohne starke Partner von außerhalb des Landes die Ziele nicht erreicht werden können.

DSK und RAG stehen hier in einer besonderen Verantwortung. Eine Reihe von Erwartungen an diese beiden Partner sind bisher nicht erfüllt worden. Insbesondere gibt es keine Hinweise auf ein stärkeres saarländisches Engagement der Unternehmen auf neuen Geschäftsfeldern - auch im Nicht-Energiebereich. Ein erweitertes Eckpunktepapier muss diesem Anspruch des Saarlandes gerecht werden. Die bisherigen Aussagen der Landesregierung zur Finanzierung des Gesamtprojekts sind mehr als dürftig. Der Landeshaushalt weist bisher auch nicht annähernd die Mittel aus, die im GanserGutachten (40 Millionen pro Jahr) für notwendig gehalten werden. Abgesehen davon wird auch dieser Rahmen nicht ausreichen, um an allen Hauptstandorten eine dynamische Entwicklung einzuleiten. Das Saarmemorandum muss gemeinsam mit der Bundesregierung in seinem Maßnahmenkatalog und seinem Finanzierungsrahmen überarbeitet und den besonderen Herausforderungen des Industriekulturprojekts angepasst werden. In diesem Zusammenhang hat die Arbeitskammer des Saarlandes mehrfach eine Neuordnung der Wirtschaftsförderung angeregt und vorgeschlagen, die einzelbetriebliche Förderung zielgenauer zu gestalten und die Förderung "hochwertiger Infrastruktur" auszuweiten.

Die Anhörungen im saarländischen Landtag geben insbesondere Anlass, die Erwartungen an den Industrietourismus auf eine realistische Basis zu stellen. Außer dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte hat kein Standort die Chance, in besonderer Weise zu einer weit über das Saarland ausstrahlenden Attraktion zu werden. Auch das Weltkulturerbe wird ohne Entwicklung eines attraktiven Umfeldes nur begrenzt touristisch vermarktbar sein. Das Gutachten liefert keinen Beweis für seine These, dass Kulturwirtschaft und Tourismus "ein Wirtschaftssektor mit krisensicherer Wachstumsprognose" ist. Auch die IBA Emscherpark hat trotz Investitionen von 6 Milliarden DM nicht zu einer nachhaltigen Steigerung des Industrietourismus geführt. Auch in der Befragung des Europäischen Tourismusinstituts für den touristischen Masterplan waren „Industriegeschichte und Industriekultur" nur „auf eher zurückhaltende Zustimmung" gestoßen.

- 3 Deshalb ist eine Einbindung der Industriekultur in ein touristisches Gesamtkonzept dringend erforderlich. Es muss eine enge Verknüpfung des Weltkulturerbes in Völklingen mit vorhandenen Fremdenverkehrseinrichtungen mit hoher Besucherfrequenz geben.

Unklar ist, ob und von wem innerhalb der Landesregierung das Industriekulturprojekt koordiniert wird: Wer hat welche Verantwortung bzw. welche "Kompetenzen"? Eine führende Rolle des Wirtschaftsministeriums ist wünschenswert, aber nicht erkennbar.

Das Umweltministerium hat einen isolierten Vorschlag für den Standort Reden vorgelegt. Inzwischen ist mit der "Industriekultur Saar GmbH" eine vom Land und einzelnen Gebietskörperschaften getragene Gesellschaft zur Umsetzung des Industriekulturprojekts gegründet worden. Grundsätzlich muss bezweifelt werden, dass diese behördenähnliche Struktur dem innovativen Charakter des Projekts gerecht wird. Ob das fehlende privatwirtschaftliche Element durch einen entsprechend besetzten Beirat eingebracht werden kann, ist fraglich. In jedem Fall muss jede der betroffenen Standortgemeinden im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten sein.

Das Industriekulturprojekt kann nur in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Kommunen erfolgreich sein. Zum einen spielen sich alle Vorhaben des Projekts im Zuständigkeitsbereich und Planungsgebiet der jeweiligen Kommunen ab. Zum anderen haben betroffene Kommunen seit geraumer Zeit Aktivitäten gestartet, die sich mit der Zukunft der aufgegebenen Standorte befassen. Diese Ansätze müssen in die Überlegungen mit einbezogen werden. Man gewinnt den Eindruck, dass die Gutachter das kommunale Umfeld und die örtlichen Befindlichkeiten bei ihren Überlegungen vernachlässigt haben. Projekte der Industriekultur bzw. Zukunftsprojekte wird man aber den Kommunen nicht "überstülpen" können. Man muss die Akzeptanz vor Ort durch umfassende und faire Bürgerbeteiligung an dem Prozess schaffen. Von ihrem jeweiligen kommunalen Umfeld isolierte "Ikonen" haben keine Chance auf Akzeptanz. In die weiteren Planungen müssen die Hochschulen der Region mit einbezogen werden. Es ist anzustreben, dass an jedem der drei Zukunftsstandorte eine Hochschuleinrichtung angesiedelt wird.

Dem Gutachten fehlt weitgehend die grenzüberschreitende Perspektive. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal, das es an anderen Industriekultur-Standorten in Deutschland nicht gibt. Weil gerade darin der besondere Charme vieler Projekte in der Saar-LorLux- Region liegt und weil sich grenzüberschreitend am besten Modellhaftes realisieren lässt, muss an dieser Stelle nachgearbeitet werden. Das von deutschen und französischen Gemeinden auf den Weg gebrachte "Zukunftsprogramm Rosseltal", eingebettet zwischen den beiden "Leuchttürmen" Alte Völklinger Hütte und Le carreau Wendel, muss integraler Bestandteil des Industriekulturprozesses werden

2. Standortbezogene Betrachtungen Grube Göttelborn:

Am Standort Göttelborn ist die eigentliche Herausforderung noch sehr zeitnah sichtbar.

Im Jahr 2000 gingen dort rund 3.000 Arbeitsplätze verloren. Die Notwendigkeit der Ansiedlung neuer zukunftsfähiger Betriebe war bereits vor der Schließung als Ziel definiert worden. Es sind aber bis heute keine erkennbaren Fortschritte erzielt worden. Der Standort Göttelborn weist als erhaltenswertes Denkmal der Industriekultur im Wesentlichen das neue Fördergerüst auf, eine weithin sichtbare und profilgebende Landmarke.

Darüber hinaus liegt der Reiz des Standorts in der großflächig von Bergbau und Energiewirtschaft geprägten Landschaft.