Die Rechtfertigung der Funktionsschutzklausel auch im Bereich des Krankentransportes ergibt sich aus Gründen des Gemeinwohls

Landtag des Saarlandes - 12. Wahlperiode - 31 2. Die Änderungen in Absatz 2 sind Folgeänderungen aus der Beschränkung des Genehmigungsverfahrens auf den Krankentransport und aus der Neufassung des § 3.

Zu Nummer 19 (§ 16 Voraussetzungen der Genehmigung)

1. Die Zulässigkeit der mit § 16 Abs. 2 Satz 1 SRettG wortgleichen Vorschrift des § 18 Abs. 3 des Rettungsdienstgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz (sog. Funktionsschutzklausel) war Gegenstand einer Vorlage des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der EuGH hat mit Urteil vom 25. Oktober 2001 ­ C ­ 475/99 ­ entschieden, dass eine Vorschrift wie § 18 Abs. 3 RettDG gerechtfertigt ist, soweit sie nicht ausschließt, dass unabhängigen Unternehmern eine Genehmigung erteilt wird, falls die mit dem Rettungsdienst betrauten Sanitätsorganisationen offensichtlich nicht in der Lage sind, die Nachfrage im Bereich der Leistungen des Notfall- und des Krankentransportes zu decken. Der neue Absatz 2 Satz 3 zieht die gesetzliche Konsequenz aus dieser Rechtsprechung. Im Genehmigungsverfahren ist diese Prämisse von den Genehmigungsbehörden zu prüfen. Der EuGH bestätigt im Grundsatz, dass der Landesgesetzgeber auf gesicherter verfassungsrechtlicher Grundlage befugt ist, in bezug auf das Genehmigungsverfahren zur Zulassung zum Rettungsdienst nicht nur subjektive Zulassungsvoraussetzungen vorzusehen, sondern auch eine objektive Zulassungsschranke einzubauen. Ohne eine Prüfung der Systemverträglichkeit könnte sich durch nichtbedarfsgerechte unwirtschaftliche Kapazitäten eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes ergeben.

Die Rechtfertigung der Funktionsschutzklausel auch im Bereich des Krankentransportes ergibt sich aus Gründen des Gemeinwohls. Die Verpflichtung zur Sicherstellung eines flächendeckenden, Tag und Nacht einsatzbereiten Rettungsdienstes zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger rechtfertigt objektive Zulassungsvoraussetzungen wie sie die Regelung des § 16 Abs. 2 SRettG darstellt. Auf der Grundlage der in § 16 Abs. 2 Satz 2 SRettG enthaltenen Parameter hat die Genehmigungsbehörde eine Prognoseentscheidung zu treffen, in welchem Umfang private Unternehmer zum Krankentransport zugelassen werden können, ohne dass es zu einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst kommt. Dazu bedarf es auch einer Abschätzung des voraussichtlich auf den privaten Unternehmer entfallenden Auftragsvolumens. Die Genehmigungsbehörden haben als Verträglichkeitsprüfung eine prognostische Entscheidung wertenden Charakters zu treffen.

Bei der Wertung ist zu berücksichtigen, dass das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst auch bestimmt wird durch ein Interesse an einer wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung und einer leistungsfähigen Organisation. Deshalb ist auch der Aspekt zu beachten, dass bei geringer Auslastung der Fahrzeuge die ohnehin defizitäre Entwicklung der Kosten- und Ertragslage noch beschleunigt werden kann und die Kosten je Einsatz ansteigen, weil die unabhängig von der Einsatzzahl anfallenden Kosten (Vorhaltekosten) auf eine geringere Zahl von Einsätzen umzulegen sind. Nicht bedarfsgerechte, unwirtschaftliche Kapazitäten stellen eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes dar, weil dadurch die Kosten- und Ertragslage des optimalen Gesamtsystems zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten und auch der Steuerzahler verschlechtert wird.

Die saarländische Verwaltungsgerichtsbarkeit ging in ihren Entscheidungen zum SRettG bisher davon aus, dass das Nebeneinander eines bedarfsgerecht ausgebauten öffentlichen Rettungsdienstes und in diesem Bereich selbstständig tätigen privaten Unternehmen ersichtlich vom Gesetzgeber ­ vorbehaltlich der Verträglichkeitsgrenze - vorgesehen bzw. sogar gewollt sei. Deshalb müsse auch dann, wenn der öffentliche Rettungsdienst seiner Aufgabe gerecht werde, Raum für die Zulassung selbstständiger privater Anbieter sein.

Das System Rettungsdienst kann aber seine Funktion nur erfüllen, wenn es wirtschaftlich arbeitet. Die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes wird dann beeinträchtigt, wenn das System nicht ausgelastet ist. Sinn und Zweck des Versagungsgrundes in § 16 Abs. 2 bestehen gerade darin, das Hinzutreten zusätzlicher Kapazitäten zu verhindern, solange das von der öffentlichen Hand vorgehaltene und finanzierte System nicht sinnvoll ausgelastet ist. Die Genehmigung ist daher bereits dann zu versagen, wenn zu erwarten ist, dass die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit dadurch beeinträchtigt wird, dass freie Kapazitäten des (öffentlichen) Rettungsdienstes ungenutzt bleiben. Das Entstehen einer Überkapazität begründet zwangsläufig die Gefahr einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes.

Andererseits darf die Erteilung einer Genehmigung an einen privaten Anbieter nicht verweigert werden, wenn das System Rettungsdienst die Auslastungsgrenze erreicht hat. Die Funktionsschutzklausel kommt somit nur zur Anwendung, solange eine bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung mit Leistungen des Krankentransports durch den Rettungsdienst sichergestellt ist.

2. In Absatz 3 werden die Landesverbände der im Rettungsdienst tätigen Hilfsorganisationen zur Vermeidung jeglicher Konkurrenzsituation von der Anhörung im Genehmigungsverfahren ausgenommen. Die für die Prüfung der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes notwendigen Angaben liefert der Rettungszweckverband. Die zuständigen Behörden treffen die Entscheidung über Erteilung oder Versagung der Genehmigung einseitig und in alleiniger Verantwortung.

Zu Nummer 20 (§ 17 Nebenbestimmungen)

1. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass von Nebenbestimmungen entsprechend der bisherigen Nummer 2 (Hilfeleistungsfristen) und der Nummer 4 in bezug auf den Nachweis der Zusammenarbeit mit Notärzten ist entbehrlich, da sich die Genehmigungspflicht nur noch auf den Krankentransport bezieht.

2. Die neue Nummer 2 sieht die Möglichkeit einer Nebenbestimmung vor, wonach die Einhaltung bestimmter Wartezeiten in Form einer Auflage zur Genehmigung vorgeschrieben werden kann.

3. In Nummer 3 ersetzt der Oberbegriff Desinfektion die Begriffe Entwesung und Entseuchung.

Zu Nummer 21 (§ 20 Leistungspflicht)

1. Die Änderungen der Buchstaben a bis c sind Folgeänderungen aus der Beschränkung der Genehmigungspflicht auf den Krankentransport, der Neufassung des § 3 und der Neuregelung des Betriebsbereichs.

2. Der neue Absatz 4 Satz 1 verpflichtet im Krankentransport tätige Unternehmer im Einzelfall zur Übernahme von Notfallrettungseinsätzen auf Anforderung der Rettungsleitstelle. Fälle, bei denen ein Notfallrettungsmittel nicht zeitgerecht zur Verfügung steht oder bei denen die Kapazitäten für die Notfallrettung nicht ausreichen, können den Einsatz von Krankentransportmitteln durch die Rettungsleitstelle erforderlich machen. Die Nichteinhaltung der Anforderungen an Personal und Fahrzeuge ist in entsprechenden Fällen im Rahmen eines rechtfertigenden Notstandes gerechtfertigt.

Zu Nummer 23 (§ 21 Datenschutz)

1. Die Dokumentation der bei der Rettungsleitstelle eingehenden Anrufe stellt nicht selten ein Beweismittel in gerichtlichen Verfahren dar. Nach dem bisherigen Verfahren ergab sich durch die limitierte Vorhaltung der für die Sprachdokumentation benutzten Bänder eine Löschung der Aufzeichnungen nach unterschiedlichen Zeiträumen durch Überspielen. Die Aufzeichnungen waren jedoch spätestens nach 14 Wochen zu löschen. Dieses Verfahren mit einem vom Einsatzaufkommen abhängigen Dokumentationszeitraum hat sich als nicht zweckdienlich erwiesen.

Auch wurde bei einem Ausfall von Bändern durch technische Ursachen der Dokumentationszeitraum weiter verkürzt. Des Weiteren hat sich der Maximalzeitraum der Aufbewahrung von 14 Wochen als zu kurz erwiesen. Der neue Absatz 3 trifft nun eine eindeutige gesetzliche Regelung, dass die Sprachdokumentation grundsätzlich nach sechs Monaten zu löschen ist.

2. Der neue Absatz 4 regelt erstmals die Auswertung der in der Notfallrettung erstellten Dokumentation in nicht patientenbezogener Form für Zwecke der Qualitätssicherung und der Effizienzkontrolle auf gesetzlicher Grundlage. Entsprechende Dokumentationen sind auf der Grundlage des Notarzteinsatzprotokolls, des Rettungsassistenteneinsatzprotokolls und des Notfalleinsatzprotokolls der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin im saarländischen Rettungsdienst bereits eingeführt.

Zu Nummer 24 (§ 21a Ärztlicher Leiter Rettungsdienst und Qualitätssicherung)

1. Mit der Implementierung des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst soll die medizinische Effektivität und die ökonomische Effizienz im Rettungsdienst verbessert werden. Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst hat als Aufgabe das medizinische Qualitätsmanagement der Patientenversorgung und ­betreuung. Er legt hierzu die erforderlichen Grundsätze fest und wirkt daran mit, dass im Rettungsdienst die notwendigen Strukturen aufgebaut und Prozessabläufe konstant sach-, zeit- und bedarfsgerecht erbracht werden. Der Aufgabenbereich bezieht sich auf den gesamten Rettungsdienst, also auf den bodengebundenen Rettungsdienst und auf die Luftrettung. Zur Erfüllung seiner Aufgaben hat der Ärztliche Leiter Rettungsdienst gegenüber den in der Notfallrettung beteiligten Personen und Stellen ein umfassendes Auskunftsrecht. Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst wird vom Rettungszweckverband auf Vorschlag des Ministeriums für Inneres und Sport bestellt. Der Vorschlag erfolgt im Benehmen mit der Ärztekammer des Saarlandes und der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland.