Strafrechtliche und zivilrechtliche Maßnahmen gegen Stalking verbessern

Für den Begriff Stalking existiert keine Legaldefinition. Der aus dem englischen Sprachraum übernommene Begriff bezeichnet das wiederholte Verfolgen und (engl. Pirschjäger) handelt oft aus einer Wahnidee oder Zwangsvorstellung. Durch Auflauern, Beobachtung, Verfolgung und Ausforschung, durch belästigende Telefonanrufe (auch SMS oder E-Mails) bis hin zum Telefonterror oder durch Brief- und Geschenksendungen (als so genannte Liebesbeweise) versucht er Macht und Kontrolle über sein Opfer auszuüben ­ oft auch in bedrohender Weise. Stalking stellt entgegen immer noch weit verbreiteten Vorstellungen kein Phänomen dar, dem vorwiegend Prominente oder sonstige Personen des öffentlichen Lebens ausgesetzt sind. Stalking umfasst vielmehr ein sehr komplexes Geschehen, das in allen Bevölkerungsschichten auftreten kann. Täter und Opfer müssen sich nicht zwangsläufig vor Beginn der Belästigungen gekannt haben.

Im Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung (Gewaltschutzgesetz) wird das Phänomen Stalking nicht explizit genannt, jedoch in § 1 Abs. 2 Ziffer 2 b beschrieben : ... wenn eine Person widerrechtlich und vorsätzlich... eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.

Die Regelungen des Gewaltschutzgesetzes führen zu klaren zivilrechtlichen Rechtsgrundlagen für Schutzmaßnahmen vor Gewalt und Nachstellungen, insbesondere vor häuslicher Gewalt, mit dem erwähnten § 1 Abs. 2 Ziffer 2 b aber auch in Stalking-Fällen. Das Gewaltschutzgesetz sieht bei vorsätzlicher und widerrechtlicher Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit einer Person, bei widerrechtlichen Drohungen mit Rechtsgutverletzungen sowie bei bestimmten vor. Dies sind insbesondere das Verbot von Misshandlungen, Belästigungen, Kontakt und Näherung. Außerdem sieht das Gesetz einen Anspruch des Opfers häuslicher Gewalt auf Räumung und Überlassung einer Wohnung zur alleinigen Nutzung vor. Verletzungen dieser vollstreckbaren Schutzanordnungen sind gem. § 4 des Gewaltschutzgesetzes unter Strafe gestellt. Die Strafandrohung reicht von der Geldstrafe bis zur Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Flankierend wirkt das Bremische Polizeigesetz, nach dessen §§ 14 a und 15 die Polizei Sofortmaßnahmen ergreifen kann, und zwar bis hin zur zeitweiligen Ingewahrsamnahme des Belästigers.

1. In wie vielen Fällen kamen in Bremen seit dem 1. Januar 2002 die Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes zur Anwendung? In wie vielen Fällen haben die Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz ausgesprochen?

Verfahren nach dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetz fallen in die Zuständigkeit der Amtsgerichte. Dort werden sie in den Abteilungen für Zivilsachen und ­ wenn die Beteiligten einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führen oder innerhalb von sechs Monaten vor der Antragstellung geführt haben ­ in den Abteilungen für Familiensachen Kriterien statistisch erfasst. Die genaue Zahl der vor den genannten Terminen anhängig gewordenen Verfahren kann nicht mitgeteilt werden, da der mit einer Auszählung verbundene Aufwand unverhältnismäßig hoch wäre.

Im Jahre 2003 wurden 135 Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz vor den Familiengerichten des Landes Bremen gestellt. Im Jahre 2004 wurden vor den Familiengerichten 143 Anträge und vor den Zivilgerichten 119 Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz anhängig. Nach Mitteilung der Amtsgerichte wurden in nahezu allen Fällen Eilverfahren betrieben. Eine Differenzierung der Gewaltschutzsachen nach Stalking- und sonstigen Fällen ist nicht möglich.

2. Inwieweit wurden die nach den Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes getroffenen gerichtlichen Anordnungen beachtet? Sind der Polizei Verstöße gegen die nach dem Gewaltschutzgesetz getroffenen Anordnungen bekannt geworden?

Inwieweit die nach den Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes getroffenen gerichtlichen Anordnungen beachtet werden, ist aus der Sicht der Gerichte nur da in diesen Fällen die betroffenen Parteien zumindest teilweise von der Möglichkeit Gebrauch machen, einen Antrag auf Verurteilung zu einem Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, zu stellen. Zur Häufigkeit der Einhaltung bzw. des Verstoßes gegen getroffene gerichtliche Anordnungen kann indes keine Aussage getroffen werden; insbesondere kann nicht überprüft werden, welcher Prozentsatz von Verstößen überhaupt einen entsprechenden Antrag nach sich zieht. Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz enden nach Mitteilung der Gerichte häufig mit einem Vergleich und der im Beschlusswege angedrohten Verhängung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft für den Fall der Zuwiderhandlung.

Seit dem des Gewaltschutzgesetzes am 1. Januar 2002 wurden der Polizei Bremen 27 und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven 32 Zuwiderhandlungen gegen vollstreckbare Anordnungen im Sinne des § 4 des Gewaltschutzgesetzes bekannt und im (ISA) registriert. Die rechtlichen Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes beschränken sich jedoch nicht auf die Bekämpfung von Stalking, sondern erstrecken sich auch auf andere Kriminalitätsformen, insbesondere von Gewalt im häuslichen Bereich. Das weist den Hintergrund der Zuwiderhandlung nicht aus, so dass die genannten Zahlen auch Vorfälle enthalten, die nicht auf Stalking beruhen. Für eine auf Stalking begrenzte Erhebung wäre eine zeitintensive Auswertung der einzelnen Vorgänge erforderlich.

3. In wie vielen Fällen wurden strafrechtliche Ermittlungen angestellt, und was hatten diese für Ergebnisse?

Eine genaue Aussage darüber, in wie vielen Fällen strafrechtliche Ermittlungen aufgrund von Verstößen gegen die nach dem Gewaltschutzgesetz getroffenen Anordnungen angestellt wurden, ist nicht möglich. Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz erfolgen zumeist tateinheitlich mit Beleidigungen, Körperverletzungen, Nötigungen oder Bedrohungen (§§ 185 ff., 223 ff., 240, 241 die überwiegend als mit höherer Strafe bedrohte Tatbestände im eingetragen.

Gegenstand von Verfahren wegen Stalking sind ­ neben Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz ­ meist Beleidigungen, Körperverletzungen, Nötigungen oder Bedrohungen (§§ 185 ff., 223 ff., 240, 241 Verfahren, die die genannten Delikte zum Gegenstand haben, sind nach der Anordnung des Senators für Justiz und Verfassung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaft den Amtsanwälten übertragen. Zur Bearbeitung von Verfahren wegen Stalking sind in der Staatsanwaltschaft Bremen zwei amtsanwaltliche Dezernate eingerichtet worden. Diese sind zugleich zuständig für Verfahren wegen Gewalttaten gegen Frauen im Zusammenhang mit einer Ehe oder Lebensgemeinschaft.

In diesen beiden amtsanwaltlichen Dezernaten sind in den Monaten Januar bis November 2004 insgesamt 814 (2003: 812; 2002: 684) Verfahren eingegangen.

Im gleichen Zeitraum wurden 782 (2003: 855; 2002: 659) Verfahren abgeschlossen. Dabei wurden Anklagen gegen 45 (2003: 61) Personen erhoben und Strafbefehle gegen 75 (2003: 66) Personen beantragt. In 59 (2003: 24) Fällen wurden die Verfahren mit Auflagen zur Zahlung einer Geldbuße gemäß § 153 a Abs. 1 eingestellt.

Insgesamt 46 (2003: 63) Verfahren wurden im Hinblick auf schwerwiegendere andere strafrechtliche Vorwürfe nach § 154 Abs. 1 eingestellt. Durch Verweisung auf den Privatklageweg gemäß § 376 wurden 104 Verfahren abgeschlossen. Einstellungen aus anderen Gründen wie etwa wegen Fehlens oder Rücknahme eines Strafantrages gemäß § 170 Abs. 2 erfolgten in 293

(2003: 290) Verfahren. Verfahrensverbindungen erfolgten in den Monaten Januar bis November 2004 bei 59 Beschuldigten. Die genannten Zahlen beziehen sich auf sämtliche in den beiden Dezernaten erledigten Sachen, also sowohl auf die Verfahren wegen Stalking als auch wegen Gewalttaten gegen Frauen im Zusammenhang mit einer Ehe oder Lebensgemeinschaft. Eine Differenzierung wäre nur nach einer aufwändigen Aktenanalyse möglich, die mit dem vorhandenen Personal nicht zu leisten ist.

Eine Sonderzuständigkeit für die Bearbeitung von Stalking-Verfahren besteht auch in den von Staatsanwältinnen bearbeiteten Dezernaten, in denen nahezu ausschließlich Verfahren wegen sexueller Nötigung, Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs (§§ 177 bis 179 sowie Exhibitionismus (§§ 183, 183 a bearbeitet werden. Eine Auszählung und Auswertung der in diesen Dezernaten vereinzelt auch bearbeiteten Verfahren wegen Stalking wäre mit einem nicht zu vertretenden Aufwand verbunden.

4. Wie beurteilen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte die mit dem Gewaltschutzgesetz gemachten Erfahrungen? Inwiefern reichen nach Ansicht des Senats die Regelungen aus, oder ist eine Änderung bzw. Präzisierung erforderlich?

5. Teilt der Senat die Auffassung, dass die geltenden gesetzlichen Regelungen zur Effektivierung des Rechtschutzes gegenüber Stalking der Ergänzung bedürfen?

Sie sieht demzufolge keinen akuten Änderungsbedarf.

Aus der Sicht der strafrechtlichen Praxis gewährleistet die Strafbewehrung in den Fällen, in denen eine Verletzung der gerichtlichen Schutzanordnung droht oder der Täter ohnehin geschützte Rechtsgüter des Opfers beeinträchtigt, polizeiliches Einschreiten und im Fall der Verletzung eine strafrechtliche Sanktionierung. Sie stellt so ein durchaus wirksames Präventivinstrument dar. Allerdings erfüllen nicht alle unter den Begriff Stalking zu subsumierenden Verhaltensweisen einen Straftatbestand. Ferner erweist sich das Gewaltschutzgesetz in einigen wenigen Konstellationen als zu eng. Es erfasst nur bestimmte, dort beschriebene Fälle. Für darüber hinausgehende unzumutbare Belästigungen bietet das Gewaltschutzgesetz derzeit keine Handhabe. Insofern teilt der Senat die Auffassung, dass die geltenden gesetzlichen Regelungen der Ergänzung bedürfen. Derzeit werden einige Gesetzesvorschläge diskutiert, die nach Auffassung der Initiatoren Verbesserungen des zum Schutze von Stalking-Opfern zur Verfügung stehenden Instrumentariums bewirken sollen (vergleiche hierzu die Antworten zu den Fragen 6 und 7). Verbesserungsmöglichkeiten sieht der Senat bei der Gestaltung der Rechtsgrundlagen für die gegenseitige Information der mit Stalking-Vorgängen be