Verkehrssicherheit für Kinder optimieren

Die Fraktionen der CDU und der SPD haben unter Drucksache 16/488 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet.

Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt:

1. Welchen besonderen Risiken sind Kinder im Straßenverkehr ausgesetzt, und wie stellen sich diese im Vergleich zu den Hauptunfallursachen der Erwachsenen dar?

Erwachsene leben von der Erfahrung in verschiedenen Verkehrssituationen.

Gefahren im Straßenverkehr werden in der Regel schnell erkannt und sofort verarbeitet.

Dadurch erfolgt automatisch die Umsetzung zur situationsbedingten, richtigen Verhaltensweise.

Kinder sind jedoch aus den verschiedensten Gründen (z. B. Entwicklung des Gehirns) noch nicht in der Lage, die Komplexität des Straßenverkehrs zu erfassen.

Der Orientierungssinn, das Gehör und das Sichtfeld sind bei Kindern nur begrenzt entwickelt. So werden z. B. Geschwindigkeiten und Entfernungen falsch eingeschätzt. Die Reaktionszeit ist gegenüber den Erwachsenen dreimal so lang. Außerdem fällt es Kindern oft schwer, rechts und links voneinander zu unterscheiden oder mit dem Gehör zu erfassen, aus welcher Richtung ein Fahrzeug kommt.

Hinzu kommt, dass Kinder sich ihre Umwelt vor allem spielerisch aneignen.

Dabei ist die Konzentration auf den Straßenverkehr und das verstandesmäßige Handeln dem kindlichen Denken fremd. Aus diesem Grund überqueren Kinder auch völlig spontan eine Straße, ohne dabei auf den Verkehr zu achten.

Kinder sind demnach als Fußgänger und Radfahrer aus den oben genannten Gründen besonderen Risiken ausgesetzt.

Die häufigste Unfallart bei zu Fuß gehenden Kindern sind die so genannten Querungsunfälle. Hier ist das plötzliche Hervortreten hinter Sichthindernissen (z. B. parkende Fahrzeuge) gemeint. Bei den Rad fahrenden Kindern wird etwa die Hälfte der Unfälle durch beteiligte Autofahrer verursacht, die andere Hälfte durch die Kinder selbst. Ursachen hier sind Fehler beim Einfahren in den Nutzung anderer Straßenteile).

Die Hauptunfallursachen bei Erwachsenen ergeben sich im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen. Ein Vergleich ist demnach schwierig.

Fehler beim Wenden und Rückwärtsfahren, Vorfahrtsverletzungen und nicht angepasste Geschwindigkeit als Hauptunfallursachen genannt.

2. Wie stellen sich die neusten Erkenntnisse hinsichtlich der Schutzwirkung von Fahrradhelmen dar, und welche Konsequenzen lassen sich daraus für Bremen und Bremerhaven hinsichtlich der Einsetzung einer Helmpflicht für Kinder schließen?

Nach Einschätzungen von Fachleuten und verschiedenen Fachpublikationen kann das Verletzungsrisiko durch den Helm deutlich reduziert werden. Viele der getöteten Radfahrer könnten noch leben, wenn sie einen Helm getragen hätten. Diese Aussagen gelten für Radfahrer im Allgemeinen und sind nicht spezielle Ergebnisse im Bereich der Kinder.

Bei den untersuchten Verkehrsunfällen mit Kindern als Radfahrer im Land Bremen, wurden keine schwerwiegenden Kopfverletzungen, die durch das Tragen eines Helmes hätten vermieden werden können, festgestellt.

Die Frage der Einführung einer Helmpflicht für Kinder wurde schon häufiger thematisiert. Zu bedenken sind hierbei folgende Aspekte:

- die Einhaltung einer gesetzlichen Vorschrift müsste zu ihrer wirksamen verbunden werden; Kinder bis 14 Jahre sind aber nicht strafmündig bzw. handeln im Sinne des Ordnungswidrigkeitengesetzes nicht vorwerfbar,

- eine Buß- oder Verwarnungsgeldandrohung an die Personensorgeberechtigten (z. B. Eltern) scheidet aus, da sie nicht für das Verhalten der Kinder außerhalb ihres Blickfeldes strafrechtlich oder im Sinne des verantwortlich gemacht werden können,

- Kinder und noch stärker Jugendliche würden eine gesetzliche Pflicht, die nur sie trifft und die Erwachsenen ausnimmt, wegen der fehlenden Vorbildfunktion der Erwachsenen nur eingeschränkt akzeptieren. Sie würden der Vorschrift freiwillig kaum Folge leisten.

Die aus dem letzten Aspekt herzuleitende Konsequenz wäre die Einführung einer gesetzlichen Helmtragepflicht für alle Radfahrer im Land Bremen. Hierbei ist jedoch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu beachten. Der Straßenverkehr ist eine Materie der konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bund hat davon insbesondere mit dem Straßenverkehrsgesetz und der Straßenverkehrs-Ordnung Gebrauch gemacht und das Thema Helmpflicht in § 21 a Abs. 2 geregelt. Radfahrer hat der Bundesgesetzgeber dabei nicht in die Pflicht genommen. Für eine ergänzende Regelung des Landes Bremen ist somit kein Raum.

Es wäre wünschenswert, wenn sich Erwachsene als Vorbild verhalten würden und somit Kinder veranlassen, ebenfalls einen Helm zu tragen. Die Einsicht in die Sinnhaftigkeit ist wichtiger als eine Gebotsvorschrift oder gar eine Sanktionsbewehrung.

Rund drei von fünf Kindern in den ersten sechs Lebensjahren tragen einen Helm. Bei den bis Zehnjährigen sind es nur noch zwei von fünf. Bei den Jugendlichen ist es höchstens einer von zehn. Je älter die Radfahrer sind, desto mehr tendiert die Helmtragequote gegen Null.

3. Welche Verkehrssicherheitsmaßnahmen sieht der Senat kurz-, mittel- und langfristig vor, um das hohe Risiko Rad fahrender Kinder zu verringern?

Das Thema Verkehrssicherheit umfasst neben polizeilichen und verkehrserzieherischen Maßnahmen, auf die vor allem in der Antwort zu Frage 10 hingewiesen wird, im hohen Maße auch die Verkehrsführung im Wegenetz und damit die gebaute Infrastruktur.

Die Überprüfung der Verkehrssicherheit für den Radverkehr war daher ein wichtiges Thema bei der Erstellung des Programms Zielplanung Fahrrad, bei dem es inhaltlich um die Entwicklung des Radverkehrs der nächsten zehn Jahre in Bremen geht. Danach konnte bezüglich der Auswertung von Unfällen in den Jahren 1999 bis 2000 ein vergleichsweise überraschend geringer Anteil von Kindern und Jugendlichen festgestellt werden. Etwa 20 % der hier an Unfällen beteiligten Radfahrer waren bis zu 18 Jahre alt, im Bundesdurchschnitt liegt dieser Anteil in der Regel fast doppelt so hoch. Dennoch ist in der Gesamtunfallbilanz genug Anlass gegeben, dem Thema Verkehrssicherheit weiterhin den höchsten Stellenwert bei der Gestaltung des Radverkehrsnetzes einzuräumen.

Demzufolge ist das zurzeit bereits in Umsetzung befindliche Maßnahmenprogramm aus der Zielplanung in erster Linie auf die Erhöhung der Verkehrssicherheit ausgerichtet. Dabei geht es insbesondere um die Verbesserung der Sichtbeziehungen zwischen Kfz- und Radverkehr an Strecken und Verkehrsknoten und die verkehrssichere bauliche Gestaltung von Radwegen im Bereich von Grundstückszufahrten und Einmündungen, an denen sich ein Großteil der Unfälle ereignet. Die technischen Regelwerke halten hierfür bewährte und in deren Ausgestaltung auch die Ergebnisse der Unfallforschung der letzten Jahre eingeflossen sind.

Eine Überprüfung der Situationen vor den Grundschulen hat ergeben, dass die Grundschulen entweder bereits mit Fußgängerüberwegen oder Lichtsignalanlagen ausgestattet sind oder sich im Bereich von Tempo-30-Zonen befinden.

Dadurch sind die Risiken bereits verringert, sodass gegenwärtig keine weiteren Maßnahmen vorgesehen sind, es sei denn, im Einzelfall ergibt sich die Notwendigkeit für weitere Maßnahmen.

Eine weitere Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit war die Einführung der Verkehrsunfallkommission im Jahre 2000. Auf ihre Zusammensetzung und Arbeitsweise wird in Frage 8 detailliert hingewiesen.

Die Stadt Bremerhaven veranstaltet als eine von zehn Städten im Bundesgebiet einen Runden Tisch Radverkehr, dessen Ergebnisse in einem Leitfaden zur kommunalen Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans genutzt werden soll.

Im Rahmen dieser Veranstaltung sollen in Diskussionen mit dem Bürger nicht nur Themen zur Verbesserung der Infrastruktur des Radverkehrs, sondern auch Themen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit erörtert werden.

4. Wie beurteilt der Senat die Möglichkeiten, Informationsveranstaltungen zum neuesten Entwicklungsstand in der Verkehrssicherheitsforschung ähnlich dem gerade in Bremen durchgeführten Aktionstag zu initiieren, zu fördern und zu veranstalten? sind zu begrüßen und finden anlass- bzw. projektbezogen regelmäßig statt. Sie zu initiieren verlangt eine enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ressorts (Bildung, Verkehr, Inneres). Je nach gewähltem Themengebiet sollten darüber hinaus weitere Institutionen mit einbezogen werden (ADAC, ADFC, Verkehrswacht, Deutscher Verkehrssicherheitsrat, Gesamtverband Deutscher Versicherer u. a.). Bekannte Aktionen sind aus Bremen das Projekt Fairkehr und aus Bremerhaven Ähnliche Aktionen sind auch in der Zukunft geplant.

5. als Trainings- und Informationszentrum für Kinder einzurichten? gemeinsam mit dem Schulamt, dem Beirat für Verkehrserziehung (Schule), dem Amt für Sport und Freizeit und der Verkehrswacht Bremerhaven geplant, in Bremerhaven eine zentrale Jugendverkehrsschule (Verkehrsübungsplatz als Trainings- und Informationszentrum für Kinder) einzurichten.

Diese multifunktionale Anlage zur Förderung der sicherheitsrelevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten (insbesondere Motorik- und Wahrnehmungstraining) soll Kindern unter Anleitung der Eltern auch nachmittags zum Üben zur Verfügung stehen.

Die Finanzierung des Projektes hat der Förderverein für polizeiliche Prävention und Polizeigeschichte Bremerhaven e. V. zugesagt. Die Planungen gehen je nach Ausbau von ca. 10.000 bis 30.000 Euro Kosten aus. Die für eine Umsetzung erforderliche politische Entscheidung steht allerdings noch aus.