Finanzamt

Landtag des Saarlandes - 12. Wahlperiode - 75 Einschränkungen auch für ein Großteil der Fälle, die nach Durchführung der Veranlagung nicht zu einer Steuer führen (sog. Null-Fälle). Die Anzahl der Null- und NV-Fälle, die bisher von der Steuerverwaltung nicht getrennt voneinander aufgezeichnet wurden, ist indessen relativ hoch. Immerhin liegt ihr Anteil beispielsweise bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags im langjährigen Durchschnitt bei mehr als 50 v.H. Zudem schwankt der Anteil der Null- und NV-Fälle von Jahr zu Jahr und vor allen Dingen auch von Finanzamt zu Finanzamt recht deutlich. Bei der Ermittlung des tatsächlichen Arbeitsanfalls ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass in den Veranlagungsstellen neben den Veranlagungsarbeiten insbesondere bei Gesetzesänderungen weitere Arbeiten anfallen, die in den Fallzahlen nicht zum Ausdruck kommen. Der RH verweist in diesem Zusammenhang z. B. auf die erhebliche Mehrarbeit im Zusammenhang mit der Ausstellung von Freistellungsbescheinigungen anlässlich der Neuregelung der Besteuerung der Teilzeitbeschäftigten (sog. 630,- DM-Jobs).

Der vom RH festgestellte Arbeitsstand der Veranlagungsstellen war deutlich schlechter als der durchschnittliche Arbeitsstand der anderen Länder.

Bemerkenswert war, dass der Abstand zu den anderen Ländern mit zunehmendem Fortgang der Veranlagungsarbeiten größer wurde. Bei einer großen Anzahl von Steuerfällen war in den Arbeitnehmerstellen 2 Jahre und im übrigen Veranlagungsbereich selbst 3 Jahre nach Ablauf des Veranlagungszeitraums noch keine Veranlagung durchgeführt, obwohl der Lohnsteueraußendienst wiederholt zur Aufarbeitung von Arbeitsrückständen der Arbeitnehmerstellen zweckentfremdet wurde und zu Tage getretene Rückstände der Arbeitnehmerstellen unter extensiver Auslegung der Abgabenordnung abgearbeitet wurden.

Nach den Feststellungen des RH gingen die Steuererklärungen bei den saarländischen Finanzämtern im Allgemeinen auch später als im Durchschnitt der anderen Länder ein. Dies hatte zur Folge, dass der jeweilige Bestand der saarländischen Finanzämter an noch zu bearbeitenden Steuererklärungen selbst dann nicht ausgereicht hätte, den durchschnittlichen Arbeitsstand der anderen Länder zu erreichen, wenn die Finanzämter alle eingegangenen Steuererklärungen unverzüglich abschließend bearbeitet hätten. Der RH muss jedoch offen lassen, ob dies die eigentliche Ursache für den Arbeitsrückstand der saarländischen Veranlagungsstellen ist. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass die Finanzämter mit dem verfügbaren Personalbestand auf der Grundlage des seinerzeitigen Standes der Automation nicht in der Lage waren, wesentlich mehr Fälle zu bearbeiten, als sie tatsächlich erledigt haben, auch wenn eine gewisse Abhängigkeit der Anzahl der erledigten Fälle von der Anzahl der eingegangenen Steuererklärungen feststellbar war. Das Leitungsinstrumentarium der Steuerverwaltung reicht nicht aus, die Ursachen für den Arbeitsrückstand zweifelsfrei erkennen zu können. Insbesondere fällt ins Gewicht, dass Arbeitsanfall und Personalbedarf der Finanzämter letztmals zum 1.1.1988 auf der Grundlage der Ergebnisse der von den Ländern eingesetzten Arbeitsgruppe „Personalbemessung" ermittelt wurden.

Der Arbeitsrückstand der saarländischen Finanzämter ist mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren und darf auch aus fiskalischen Überlegungen nicht auf Dauer hingenommen wer - 76 den. Der RH hat deshalb die aufgezeigten Informationsdefizite zum Anlass genommen, zunächst Verbesserungen bei der Planung, Steuerung und Kontrolle des Veranlagungsgeschäfts zu fordern. Nach seiner Auffassung sollte das bestehende Informationssystem der Steuerverwaltung zu einem controlling-orientierten, die gebotene Transparenz sicherstellenden Berichtswesen weiterentwickelt werden. Die Steuerverwaltung ist im Interesse eines effizienten Personaleinsatzes allein schon von ihrer Größe her auf moderne Steuerungsinstrumente angewiesen. Die anfallenden Kosten werden sich, sobald die einmaligen Vorarbeiten abgeschlossen sind, nach Auffassung des RH in einem angemessenen Rahmen bewegen, weil die erforderlichen Daten danach weitgehend automationsgestützt bereitgestellt werden können. Sodann müssen alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, den Arbeitsrückstand abzubauen.

Konkret hat der RH insbesondere empfohlen

· die Fallzahlen um die ohnehin nur vermeidbaren Verwaltungsaufwand verursachenden „Karteileichen" zu bereinigen

· die Null- und NV-Fälle getrennt von einander aufzuzeichnen

· den Arbeitsrückstand zu definieren

· den für die Bewältigung der laufenden Veranlagungsarbeiten und ­ solange vorhanden ­ des Arbeitsrückstands erforderlichen Personalbedarf periodisch festzustellen und auf der Grundlage der Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Personalbemessung" zu quantifizieren

· die Personalbedarfsberechnung mit einer bedarfsorientierten mittelfristigen Personalplanung zu verbinden

· in Ansehung der parallel laufenden Veranlagungszeiträume konkrete und realistische Arbeitsziele unter Gewichtung der erledigten Fälle zu definieren und zur Grundlage individueller Leistungsvereinbarungen mit den Mitarbeitern zu machen

· Personaleinstellungen, die durch (altersbedingtes) Ausscheiden von Bediensteten notwendig werden, vorzuziehen, wenn der Arbeitsrückstand mit dem verfügbaren Personalbestand nicht in angemessener Zeit bewältigt werden kann

· die Arbeitszeit der Beschäftigten in den Veranlagungsstellen zu budgetieren

· den Ressourcenverbrauch und die erreichten Ziele aufzuzeichnen

· regelmäßig Soll-Ist-Vergleiche und Abweichungsanalysen zu erstellen

· die Kompetenzen der Finanzämter im Personalbereich zu erweitern und ihre Eigenverantwortung zu stärken

· das Leistungsprinzip, insbesondere auch in Bezug auf das Management, stärker als bisher herauszustellen

· die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten nachvollziehbar durch leistungsfördernde Maßnahmen zu heben

Das Ministerium für Finanzen und Bundesangelegenheiten teilt die Auffassung des RH, dass das bestehende Informationssystem weiterentwickelt werden muss. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung sei durch die Übernahme des bayerischen automatisierten Besteuerungsverfahrens zum 1.1.2000 bereits getan worden. Nunmehr würden automationsgestützte Auswertungen, wie sie vom RH empfohlen wurden, grundsätzlich möglich.

Zunächst sei vorgesehen, die Null- und NV-Fälle mit dem Ziel der Verringerung der Fallzahlen maschinell zu überprüfen und getrennt von einander aufzuzeichnen. Bei der Verteilung des Personals auf die Finanzämter sollen sie zudem nur noch eingeschränkt berücksichtigt werden. Letzteres soll zu einer gerechteren, weil stärker am tatsächlichen Arbeitsanfall orientierten Personalverteilung beitragen. Außerdem seien geeignete Maßnahmen ergriffen worden, den Eingang der Steuererklärungen zu beschleunigen. Es werde auch erwogen, den Personalbedarf nach den Erkenntnissen der Arbeitsgruppe „Personalbemessung" zu ermitteln. Nachdem im Frühjahr 1998 auf Bundesebene eine Arbeitsgruppe „Kosten- und Leistungsrechnung in der Steuerverwaltung" ins Leben gerufen worden sei, sei des Weiteren davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit detaillierte Kosten- und Leistungsvergleiche zwischen den Ländern möglich würden. Schließlich verspreche sich das Ministerium auch bereits durch das aus Bayern übernommene Automationsverfahren eine Verringerung des Arbeitsrückstands zu den anderen Ländern.

Dazu ist allerdings zu bemerken, dass auch die anderen Länder Verbesserungen bei der Automationsunterstützung anstreben. Von daher kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das neue Automationsverfahren zu einer nachhaltigen Verminderung des Arbeitsrückstands zu den anderen Ländern führen wird.