Insolvenz

Landtag des Saarlandes - 12. Wahlperiode - 37 Von Seiten der Behördenleitung wurde angeordnet, dass zum Ende des Jahres 2001 alle Protokoll- und Kassenbücher abzuschließen seien, die seit fünf und mehr Jahren im Gebrauch sind. Durch diese Bereinigung wird eine gewisse Abhilfe geschaffen, das Problem überlanger Aufbewahrungsfristen bei der Justiz ist damit allerdings noch nicht behoben (s. zuletzt 18. TB, TZ 5.2). Gemindert wird lediglich die Gefahr, dass Erkenntnisse aus Einzelfällen über Jahre hinweg bei den Schiedsleuten gespeichert bleiben, was in einer Eingabe moniert wurde, die jedoch nicht dieses Amtsgericht betraf.

Auf meinen Hinweis wurden des Weiteren die Geschäftsstellen und Protokollführer darauf aufmerksam gemacht, dass die Sitzungsrolle nicht den Verfahrensgegenstand, wie dies teilweise festgestellt wurde, enthalten soll.

Beim Einsatz der EDV soll zukünftig auf eine ordnungsgemäße Sicherung und frühzeitige Löschung der Dokumente geachtet werden. Das Aufstellen privater PCs darf nicht mehr zugelassen werden.

Im Hinblick auf die technisch-organisatorischen Voraussetzungen für den EDV-Einsatz gehe ich jedoch davon aus, dass die EDV-Koordinationsstelle beim Ministerium der Justiz alle Gerichte über die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen einer elektronischen Datenverarbeitung unterrichtet und für deren praktische Umsetzung Sorge trägt.

Insolvenz- und Zwangsversteigerungsverfahren im Internet Vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis gegenüber Bekanntmachungen in Printmedien hat sich der Gesetzgeber für eine Veröffentlichung der Daten von Insolvenzschuldnern im Internet ausgesprochen.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben schon in einem frühen Stadium auf die damit verbundenen Risiken für die Insolvenzschuldner hingewiesen, die zeitlebens weltweit abrufbar am Schulden-Pranger stehen können, obwohl dies keineswegs in der gesetzgeberischen Absicht gestanden hat. (s. Anlage 3) Das Insolvenzverfahren soll im Gegenteil in erster Linie zur Sanierung des Schuldners führen, so dass er nach einigen Jahren wieder in die Lage versetzt wird, unbelastet am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Insofern ist eine Internetveröffentlichung diesem Ziel grundsätzlich abträglich.

Auf die Nachfrage des Ministeriums der Justiz, ob Internetveröffentlichungen über Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsverfahren als zulässig angesehen werden, habe ich auf die in anderen Bundesländern aufgetretenen Probleme in diesem Zusammenhang hingewiesen. Abgesehen davon, dass in Zwangsvollstreckungsverfahren im Gegensatz zu Insolvenzverfahren keine normenklare Rechtsgrundlage für eine Internetveröffentlichung besteht, sind die Gefahren des Internets trotz der im Insolvenzverfahren geltenden Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen im Internet vom 12.2.2002 (BGBl. I S. 677) von Seiten des Gesetz-/Verordnungsgebers nur sehr schwer begrenzbar.

Um Eingaben von Schuldnern, die ihre Datenschutzrechte einfordern, hierzulande zu vermeiden, habe ich dem Ministerium der Justiz empfohlen, eine Internetveröffentlichung für Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsschuldner erst dann in die Wege zu leiten, wenn die damit zusammenhängenden Probleme umfassend gelöst sind.

Ich habe auch darum gebeten, den Vorschlag meiner nordrhein-westfälischen Kollegin und des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, die Justizministerkonferenz mit der Thematik zu befassen, von Seiten des Saarlandes zu unterstützen.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff „Gefahr im Verzug" im Strafverfahren

Von grundlegender Bedeutung für die Staatsanwaltschaft aber auch die Polizei war im Jahre 2001 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem vom Gesetzgeber des Öfteren verwandten Begriffes der „Gefahr im Verzug".

Der Datenschutz kann durch verfahrenssichernde Maßnahmen verstärkt werden. Zu diesen Maßnahmen zählt vor allem der Richtervorbehalt, wonach bestimmte, schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte nur nach einer richterlichen Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen zulässig sein sollen. Um jedoch in Eilverfahren, in denen ein Richter nicht erreichbar ist, die Durchführung einer Maßnahme nicht zu gefährden, wird auch eine Zuständigkeit anderer Amtsträger öffentlicher Stellen, deren schnellere Verfügbarkeit unterstellt wird, gesetzlich angeordnet. Die Zuständigkeit dieser Stellen ist bei Vorliegen der sogen. „Gefahr im Verzug" gegeben, deren Voraussetzungen das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit einer Wohnungsdurchsuchung in seiner Entscheidung vom 20.2.2001 (2 BVR 1444/00) ausführlich begründet hat.

Für den Datenschutz ist von besonderer Wichtigkeit, dass für den erheblichen Eingriff in die Privatsphäre eines Betroffenen, der stets mit Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden ist, Verfahrenssicherungen aufgestellt wurden, wonach der Eilfall sowohl zu begründen als auch vor allem in der Akte nachvollziehbar zu dokumentieren ist. Letzterer Gesichtspunkt dient ebenso der etwaigen Durchführung einer datenschutzrechtlichen Kontrolle.

Ich begrüße es sehr, dass der Generalstaatsanwalt des Saarlandes hierzu Hinweise gegeben hat, deren datenschutzrechtlichen Gehalt ich wiedergeben möchte; an diese Hinweise sind sowohl die Staatsanwaltschaft als auch deren Hilfsbeamte (Polizei) im Strafverfahren gebunden.

Im Einzelnen wurden folgende Richtlinien gegeben:

Der Begriff der „Gefahr im Verzug" ist eng auszulegen.

Die richterliche Anordnung muss die Regel und die nichtrichterliche Anordnung die Ausnahme sein. Die Strafverfolgungsbehörden müssen deshalb regelmäßig versuchen, eine Anordnung des instanziell und funktionell zuständigen Richters zu erlangen.

Zu diesem Zweck müssen sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die Ermittlungsrichter und die Justizverwaltung im Rahmen des Möglichen besondere tatsächliche und rechtliche Vorkehrungen treffen, die sicherstellen, dass die Regelzuständigkeit des Richters in der Praxis gewahrt wird. Dazu gehört auch die Einrichtung eines Eil- und Notdienstes bei den Gerichten. „Gefahr im Verzug" ist dann ­ und zwar immer nur dann ­ anzunehmen, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, insbesondere wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles ansonsten ein Beweismittelverlust zu besorgen wäre und wenn der Gefahr des Beweismittelverlustes nur dadurch begegnet werden kann, dass die Strafverfolgungsbehörden sofort handeln.

Die Annahme von „Gefahr im Verzug" muss mit bestimmten Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen und lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus. Ebenso reicht die bloße Möglichkeit eines Beweismittelverlusts nicht aus.

Die Annahme von „Gefahr im Verzug" darf ferner nicht allein mit dem abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht mehr zu erlangen.

Insbesondere dürfen die Strafverfolgungsbehörden die tatsächlichen Voraussetzungen für „Gefahr im Verzug" nicht dadurch selbst herbeiführen, dass sie so lange mit dem Antrag an den Ermittlungsrichter zuwarten, bis dieser nicht mehr erreichbar ist und/oder Beweismittelverlust droht.

Bei der Anwendung des Begriffs „Gefahr im Verzug" handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung. Den Behörden kommt in dieser Hinsicht auch kein Beurteilungsspielraum zu. Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen ­ auch nachträglichen ­ gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Deshalb müssen die Strafverfolgungsbehörden bei Annahme von „Gefahr im Verzug" ihre Entscheidung in den Ermittlungsakten dokumentieren und begründen.

Die Dokumentations- und Begründungspflicht hat nach Auffassung des BVerfG Verfassungsrang. Das BVerfG leitet sie aus Art. 19 Abs. 4 GG ab. Damit soll erreicht werden, dass der Eingriff messbar bleibt und die richterliche Kontrolle zumindest im Nachhinein als Instrument der Grundrechtssicherung praktisch wirksam werden kann, wenn sie schon im Vorhinein nicht durch Beachtung des Richtervorbehalts aktiviert wurde.

Die Dokumentations- und Begründungspflicht ist daher unbedingt zu beachten.

Das erfordert, dass der handelnde Beamte vor oder jedenfalls unmittelbar nach der Durchsuchung seine für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den Ermittlungsakten dokumentiert. Dazu gehört, dass er den Tatverdacht und die gesuchten Beweismittel in einem Aktenvermerk so genau beschreibt, dass der äußere Rahmen abgesteckt ist, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchgeführt werden soll bzw. durchgeführt worden ist. Darüber hinaus muss er die Umstände darlegen, auf die er die Gefahr des Beweismittelverlusts stützt. Allgemeine Formulierungen, die den Begriff nur mit anderen Worten („Leerformeln") oder nur die juristische Definition des Begriffs „Gefahr im Verzug" wiedergeben, reichen nicht aus. Insbesondere muss erkennbar sein, ob der Beamte versucht hat, den zuständigen Richter zu erreichen. Die Dokumentation muss so vollständig sein, dass der handelnde Beamte im Falle einer richterlichen Nachprüfung seines Handelns auf die dokumentierten Tatsachen verweisen kann.