Diese Unbedenklichkeitsbescheinigung gibt Auskunft ob das Unternehmen regelmäßig seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkommt

Landtag des Saarlandes - 12. Wahlperiode - 32 Bescheinigung des zuständigen Finanzamtes über Steuerrückstände

Der Bestand bzw. die Höhe der Steuerrückstände des Unternehmens ist ein entscheidender Faktor bei der Vergabe von Landesbürgschaften.

Die nach Ziffer 8.1.2 der Richtlinien beizubringende Bescheinigung des zuständigen Finanzamtes der Firmengruppe Michels wurde von dieser nicht eingereicht und auch vom Ministerium der Finanzen nicht angefordert.

Diese Unbedenklichkeitsbescheinigung gibt Auskunft ob das Unternehmen regelmäßig seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkommt. Bezüglich der Anforderung dieser Bescheinigung durch das Ministerium für Finanzen sah der Staatssekretär erstaunlicherweise das Problem des Steuergeheimnisses verletzt.

Wer, wenn nicht das Finanzministerium, als oberste Behörde der Finanzämter, könnte denn dann noch eine Auskunft bei diesen einholen?

Durch die regelmäßigen Mitteilungen von den Finanzämtern über Groß-Steuerrückstände wird das Ministerium über die Größenordnung der Steuerrückstände sowieso informiert.

Zwar hätte die Fachabteilung des Ministeriums im Rahmen der turnusmäßigen Besprechung der sogenannten Großrückstände mit dem Finanzamt Saarlouis am 4. Juli 2002 einen Termin gehabt, dies wäre aber im Falle des ergangenen Vorratsbeschlusses vom 25. Juni 2002 für die Landesbürgschaft zu spät gewesen. Hinsichtlich eines Antrags auf eine nicht unbeträchtliche Landesbürgschaft waren damit diese entscheidenden Fakten nicht verfügbar.

Schneller und unbürokratischer wäre es natürlich, wenn das Ministerium für Finanzen als oberster Fiskus beim zuständigen Finanzamt selbst die besagte Auskunft angefordert bzw. eingesehen hätte.

Die Zeugeneinvernahme eines leitenden Beamten des Wirtschaftsministeriums ergab, dass die eigenen Richtlinien als nicht handhabbar bezeichnet und die Bescheinigung des Finanzamtes über Steuerrückstände als schlicht nicht aussagekräftig abstempelt wurde. Die Umschreibung „nicht aussagekräftig" ist in diesem Fall relativ zu sehen, da die Probleme der Firmengruppe Michels im Ministerium wohl bereits bekannt gewesen sind. Laut Bericht eines Ministerialrates im Ausschusses für Haushalt und Finanzen hat das Unternehmen seine Steuerschulden nie zu früh gezahlt. Auch musste man, um die überfälligen Steuerschulden einzutreiben, auch hin und wieder grob gegenüber der Firmengruppe werden und sogar mit der Insolvenz drohen. (23.10.2002 Seite 22 und 37) Es war also im Ministerium bekannt, dass die Firmengruppe Michels ihren steuerlichen Verpflichtungen nur unter Druck nachkam.

Nach Aussage der Staatssekretäre hätten die angeforderten Bilanzen eine wesentlich bessere Übersicht über die Steuerrückstände und die Unternehmensstruktur insgesamt geben sollen. Die Bilanzen hätten in diesem Fall aber nicht zur korrekten Entscheidungsfindung beitragen können, da sie bedauerlicherweise „gefälscht" waren.

Die Größenordnung der Steuerrückstände war jedoch schwerwiegend und hätte im Falle einer endgültigen Bürgschaftsvergabe als neuer gewichtiger Abwägungspunkt Beachtung finden müssen.

Diese beliefen sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Kabinett laut Auskunft von Finanzminister Jacoby in der Landtagssitzung vom 30.10.2002 wie folgt: Lohnsteuerrückstände 2002 für den Anlagenbau, Lebach: 1,1 Mio. Euro Steuerrückstände 2002 für den Komponentenbau, Saarlouis: 400.000 Euro Steuerrückstände 2002 für Unternehmen in Saarbrücken: 500.000 Euro

Und von diesen, in ihrer Höhe wohl durchaus aussagekräftigen Steuerrückständen, hatte die Landesregierung bei dem besagten Vorratsbeschluss zur Bürgschaftsvergabe vom 25. Juni 2002 keinerlei Kenntnis.

Fazit:

Die konsequente Anwendung der Richtlinien hätte dies verhindert. Obwohl man die Richtlinien als nicht handhabbar abgestempelt hat, ist es ein Erfolg des Untersuchungsausschusses, dass man dazu übergegangen ist bei jeder Bürgschaftsvergabe nunmehr eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung" vom zuständigen Finanzamt anzufordern.

Die Frage, wie es überhaupt zu einen Steuerrückstand von rund 2 Mio. Euro kommen konnte, über den die CDU-Landesregierung bei der Antragstellung für die Landesbürgschaft nicht informiert war, stellt sich unweigerlich. Aber die CDU hatte die Schuldigen schnell gefunden es handelte sich um die „kleinen Beamten" der zuständigen Finanzämter. „Schlamperei" beim Finanzamt (Zitat Ministerpräsident Peter Müller, SZ vom 23.10.2002) die Vergabe der Steuernummer

Hierzu stellte er die Frage: „Reicht die Kontrolldichte, um in Zukunft solche Schlampereien auszuschließen?" Leider konnte der Betroffene Müller sich bei seiner Vernehmung am 10.12.2002 (Protokoll 12/2 Seite 137 unten) an den Gebrauch des Terminus „Schlamperei" nicht mehr erinnern.

Folgender Geschehensablauf soll nun die „Schlamperei" durchleuchten:

Der Anlagenbau Lebach war zum 01.01.2002 neu gegründet worden. Für diese Neugründung war das Finanzamt Saarlouis zuständig und hatte die Aufgabe, eine Steuernummer zu vergeben.

Zu der Vergabe einer Steuernummer gehört bei einer Firmenneugründung, dass das Unternehmen einen Fragebogen ausfüllt. Dieser wird vom Finanzamt benötigt, um sich ein besseres Bild über die Aktivität des Unternehmens machen zu können.

Dieser Fragebogen (abgesandt Anfang Februar) wurde trotz mehrfacher Anmahnungen von Seiten des Finanzamtes bis Juni 2002 vom Steuerberater nicht eingereicht.

Dann wurde Anfang Juni vom Finanzamt eine Steuernummer zugewiesen, ohne dass der Fragebogen vorlag. Begründet wurde dies von der zuständigen Mitarbeiterin der Lohnsteuerstelle durch die Notwendigkeit der Einbuchung der aufgelaufenen LohnsteuerVoranmeldungen in Höhe von mittlerweile 1,1 Mio. Euro. (Protokoll 12/7 Seite 5 oben). Der Finanzbeamte, der zuständig für die Vergabe der Steuernummer war, vergab diese aufgrund des Drängens seiner Kollegin und weil er den Fall vor seinem Urlaubsantritt vom Tisch haben wollte (Protokoll 12/7 Seite 27). Angeprangert wurde von Seiten der Landesregierung daraufhin, dass die Steuernummer vom Finanzamt nicht zeitnah vergeben wurde. Selbst Staatssekretär Wack führte in seiner Stellungnahme dazu aus: „Eine sorgfältige Beachtung der bundeseinheitlich geltenden Regelungen für Lohnsteueranmeldungen in der BuchO und in der Arbeitsanleitung MÜST und der hierzu ergangenen Verfügung des MfB, hier vornehmlich vom 24. Oktober 2001, hätten bewirken müssen, dass die - und die hätten auch bewirkt - beim Finanzamt Saarlouis abgegebenen Lohnsteuervoranmeldungen kassenmäßig früher erfasst und zeitnah zum Soll gestellt worden wären" (12/3 Seite 6).

Zu diesem Zeitpunkt war aber nach den Vorgaben für die Finanzämter nicht erkennbar, was unter einer zeitnahen Erteilung der Steuernummer zu verstehen ist. Eine konkrete Angabe eines Zeitraumes, innerhalb dessen eine Steuernummer vergeben werden muss, war nicht existent.

Der Vorwurf der Schlamperei beim Finanzamt durch die CDU-Landesregierung entbehrt somit jeglicher Grundlage, da die handelnden Finanzbeamten gegen keine diesbezügliche Anweisung verstoßen hatten. Die CDU hatte sich hier die falschen „Sündenböcke" ausgesucht.

Fakt ist vielmehr, dass ab Ende der 1. Juni-Woche 2002, und somit im entscheidenden Zeitraum vor der Beschlussfassung über die Bürgschaft zugunsten der Firmengruppe Michels, die Steuerschulden der Michelsgruppe durch eine einfache Abfrage beim Finanzamt Saarlouis möglich gewesen wären. Die Anforderung der Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt nach den Richtlinien, die über den steuerlichen Zustand des Unternehmens Auskunft gegeben hätte, ist jedoch innerhalb der immerhin zwei Wochen zwischen Eingang des Bürgschaftsantrages (10.06.2002) und dem Vorratsbeschluss des Kabinetts (25.06.2002) überhaupt nicht erfolgt.

Im Übrigen hatte das Finanzministerium Kenntnis über die steuerlichen Ungereimtheiten und die schlechte Zahlungsmoral der Firmengruppe Michels. Die Anforderung der Unbedenklichkeitsbescheinigung blieb jedoch aus.

Steuerrückstände beim Finanzamt Saarbrücken

Auch die Steuerrückstände von 500.000 Euro der Firmengruppe Michels, welche allein beim Finanzamt Saarbrücken zum Zeitpunkt der Bürgschaftsbeschlussfassung aufgelaufen waren, hätten jederzeit problemlos von den zuständigen Stellen abgerufen werden können.

Das Kabinett erhielt hiervon angeblich ebenfalls erst Kenntnis nach der Befassung mit dem konditionierten Vorratsbeschluss bzw. nach der Selbstanzeige des Herrn Steiner.

Wieder stellt sich hier die Frage nach der Unbedenklichkeitsbescheinigung, die nach den Richtlinien für die Vergabe von Bürgschaften für die Wirtschaft durch das Saarland nach Ziffer 8.1.2 rechtzeitig hätte angefordert werden müssen.

Fazit:

Die Bescheinigungen der Finanzämter über Steuerrückstände als wesentliche Grundlagen zur Abschätzung des Bürgschaftsrisikos lagen somit durch ein eindeutiges Fehlverhalten der CDU-Landesregierung bei der Entscheidungsfindung nicht vor.

Hohe Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Landes aus der Bürgschaft

Nach Ziffer 5 der Vergabe-Verordnung (VV) zu § 39 LHO des Saarlandes dürfen Bürgschaften nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Landes gerechnet werden muss.

Eine der Hauptfragen, die den Ausschuss beschäftigte, war der Zeitpunkt ab dem die CDU-Landesregierung über die schlechten finanziellen Verhältnisse der Firmengruppe Michels informiert war.