Tageseinrichtungen

Landtag des Saarlandes - 12. Wahlperiode - 67 Sowohl die Befunde von Belows als auch die Ergebnisse der PISA-Studie machen deutlich, dass integrierte Schulmodelle mit hoher Durchlässigkeit und geringem Selektionsdruck (insbesondere in der frühen schulischen Laufbahn) die soziale Segregation der Jugendlichen vermindern und die Bildungschancen von Jugendlichen aus bildungsfernen Herkunftsfamilien erhöhen, ohne dass es zu einer Verminderung des Leistungsniveaus kommt. Im Gegenteil stellt die PISA-Studie fest: „dass einige Länder, die besonders erfolgreich in ihren Bemühungen waren, die Folgen sozialer Benachteiligung zu mildern, zugleich zu den Ländern mit dem insgesamt gesehen höchsten Schülerleistungsniveau zählen. (...) Daran zeigt sich, dass es durchaus möglich ist, ein vergleichsweise hohes Leistungsniveau und zugleich ein relativ geringes Maß an Bildungsungleichheit (...) zu erzielen" (PISA 2000, S. 227).

Vor diesem Hintergrund ist das saarländische Schulsystem im Hinblick auf eine verstärkte Förderung integrativer und teilintegrativer Angebote (Gesamtschulen, Erweiterte Realschulen) neu zu überdenken. Im Hinblick auf die Förderung sozial benachteiligter SchülerInnen sollte zudem ein qualifiziertes Betreuungsangebot im Bereich der Ganztagsschulen vorgehalten werden. Im Lichte der PISA-Studie sollte darüber hinaus eine Erhöhung der Autonomiegrade der einzelnen Schulen erfolgen, da in denjenigen Ländern, in denen die Schulen über ein höheres Maß an Autonomie ­ insbesondere was die Ausrichtung ihres Fächerangebotes angeht ­ verfügen, durchschnittlich höhere Werte bei der Lesekompetenz ihrer SchülerInnen erzielt werden.

Ein etwas weniger ausgeprägter positiver Zusammenhang zeigt sich zwischen dem Grad der Autonomie über die Finanzmittel der Schulen und dem insgesamt erreichten Leistungsniveau. Hier scheint der Stadtverband Saarbrücken einen guten Weg zu beschreiten, der zur Zeit mit den Schulen in seinem Zuständigkeitsbereich neue Regelungen zur Schulselbstverwaltung und jährlichen Budgetierung vereinbart. Für die Zukunft sollten den Schulen auch in Personalfragen gewisse Freiräume geschaffen werden, die es ihnen ermöglichen über die Einstellung von Lehrpersonal selbst zu entscheiden. Auf diese Weise würden die einzelnen Schulen in die Lage versetzt, ein eigenes Profil zu entwickeln und in einen Qualifizierungswettbewerb einzutreten (vgl. auch IHK des Saarlandes, R. Weber 2001).

Chancen und Risiken entlang der Bildungslaufbahn „

Seit den 60er Jahren hat sich in Deutschland in der Öffentlichkeit wie auch in der Jugendhilfe dieses Verständnis durchgesetzt, auch wenn der daraus abzuleitende Bedarf an Kindergartenplätzen nicht überall befriedigt wird. Zumindest der Kindergartenbesuch der Fünfjährigen ist allgemein als Standard anerkannt und es wird sogar wieder, wie zuletzt im Zusammenhang der Bildungsreformdebatte der sechziger Jahre, über eine Bildungspflicht für Fünfjährige diskutiert.

Im Zuge dieser Entwicklung haben sich in den vergangenen mehr als 30 Jahren auch die Vorstellungen zum Auftrag des Kindergartens verändert: Ihm wird heute über die traditionelle Betreuungsfunktion hinaus auch ein Erziehungs- und Bildungsauftrag zugeschrieben. Die pädagogische Konzipierung dieses pädagogischen Auftrags des Kindergartens wurde in Westdeutschland allerdings im Unterschied zur DDR und zu anderen auch westlichen Industrienationen durch Konzepte des Sozialen Lernens dominiert. Der „Situationsansatz" gilt bis heute als kennzeichnend für die pädagogische Arbeit im Kindergarten auch im Saarland (vgl. Erster Kinder- und Jugendbericht des Saarlandes, S.111; Erster Kinderbericht der Landeshauptstadt Saarbrücken, S.127). Die Konkretisierung dieses Ansatzes im „Curriculum Soziales Lernen" des Deutschen Jugendinstituts ist die entwickeltste Form derartiger kindergartenpädagogischer Konzepte. Der „Situationsansatz" blieb allerdings bis heute ein sehr offenes Konzept, in dem Standards der pädagogischen Qualität wenig entwickelt sind.

Solche Konzepte sozialen Lernens lieferten für die bis in die Mitte der siebziger Jahre in Westdeutschland geführte Debatte um die Zuordnung der Fünfjährigen zur Schule oder zum Kindergarten wichtige Argumente für eine sich gegenüber der Schule abgrenzende eigenständige Kindergartenpädagogik. Sie trugen damit wesentlich zur Legitimation der Abwehr der geplanten Einführung einer Grundschuleingangsstufe für die Fünf- und Sechsjährigen bei.

Es ist nicht klar zu ermitteln, wieweit die Konzepte des sozialen Lernens mit ihren weitreichenden Ansprüchen tatsächlich in den Kindergärten aufgegriffen und umgesetzt wurden.

Wesentliche Voraussetzungen für eine anspruchsvolle Implementation und Umsetzung des Konzepts jedenfalls wurden in Deutschland nicht verwirklicht. Sie betreffen insbesondere die Weiterentwicklung der Professionalität des Kindergartenpersonals. Die sinnvolle Forderung, für Gruppenleitungen im Kindergarten sozialpädagogische Fachkräfte mit einer Fachhochschulausbildung einzusetzen, ist in der Folgezeit nirgends ernsthaft aufgegriffen worden. Die neuerdings und nicht erst seit Veröffentlichung der PISA-Studie wieder geführte Diskussion um den Bildungsauftrag des Kindergartens wird unausweichlich auch die Frage nach der Qualifikation und dem beruflichem Status seiner pädagogischen Fachkräfte wieder aufgreifen müssen.

Mit der Konzentration auf den Situationsansatz als der grundlegenden pädagogischen Konzeption der Kindergartenarbeit hat sich Deutschland auch weitgehend von internationalen Entwicklungen der Kindergartenpädagogik abgekoppelt, die schon seit vielen Jahren durch eine deutliche Orientierung hin auf eine auch kognitive Förderung im Kindergarten sowie durch eine zunehmende Thematisierung sozialer Unterschiede und ihrer Herausforderungen für das Kindergartenangebot und seine pädagogische Ausgestaltung gekennzeichnet ist. Die Herausforderung, die in diesen Hinweisen auf internationale Entwicklungen liegt, meint keineswegs die Rückbesinnung auf traditionelle Formen der Schulvorbereitung im Kindergarten; vielmehr geht es darum, die neuen pädagogischen Konzepte vorschulischer Bildung und Erziehung zur Kenntnis zu nehmen, die heute die internationale Diskussion bestimmen und sie sowohl in die Konzepte zur Weiterentwicklung der pädagogischen Praxis in den Einrichtungen einzubeziehen als auch für die Aus- und Fortbildung der Fachkräfte zu beachten.

Auch die gegenwärtige dramatische Lage der öffentlichen Haushalte darf nicht daran hindern, darauf hinzuweisen, dass eine angemessene Umsetzung entsprechender Konzepte in den Kindertageseinrichtungen ohne eine Anhebung der professionellen Standards für das pädagogische Personal nicht systematisch gelingen kann. Neben der Bedeutung solcher Standards für die Anforderungen, die an die pädagogische Arbeit gestellt werden dürfen, führen die gegenwärtigen Unterschiede zwischen pädagogischen Fachkräften in Schulen und Kindertagesstätten auch in der Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und (Grund-)Schulen zu unübersehbaren Beeinträchtigungen: Denn die Verortung der pädagogischen Fachkräfte beider Bereiche auf unterschiedlichen Ebenen in der Hierarchie pädagogischer Berufe nährt insbesondere bei Lehrerinnen und Lehrern verbreitet das Missverständnis, dass es in der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kindertagesstätten ­ und dies gilt dann auch in ähnlicher Weise für andere Einrichtungen der Jugendhilfe als Kooperationspartner von Schule ­ vor allem darum ginge, diese für schulische Zwecke und die Erfüllung schulischer Anforderungen in Dienst zu nehmen.

Mit 35.229 Kindergartenplätzen für 36.240 Kinder in der Altergruppe der Drei- bis Sechseinhalbjährigen erreichte das Saarland 1998 eine Versorgungsquote von 97,2% und liegt damit deutlich über dem Durchschnitt der Bundesländer von 89,5%, insbesondere dem für das frühere Bundesgebiet, wo nur 86,8% erreicht wurden (Deutsches Jugendinstitut, S.121). Gegenüber 1994 mit einer Versorgungsquote von 83,6% wurde damit durch eine Ausweitung des Platzangebots bei sinkenden Kinderzahlen in der Altersgruppe eine erhebliche Verbesserung erzielt. Der Ausbau des Platzangebotes wurde seitdem fortgesetzt, was bei sinkenden Kinderzahlen zu einer weiteren Steigerung der Versorgungsquote führte. Deshalb konnte nach den Angaben des Vorschulentwicklungsplans „der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz seit 1.1.1999 im Saarland problemlos umgesetzt werden" (Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft, S.5).

Allerdings waren 1998 nur 8,7% der saarländischen Kindergartenplätze Ganztagsplätze und nur 0,2% waren Vor- oder Nachmittagsplätze mit einem Mittagessen. Damit lag das Saarland weit unter dem Bundesdurchschnitt von 29,4% für die Ganztagsplätze und 1,8% für die Vor- oder Nachmittagsplätze mit Mittagessen. Auch für das frühere Bundesgebiet lag der Durchschnittswert für Ganztagsplätze mit 18,8% mehr als doppelt so hoch wie im Saarland (Deutsches Jugendinstitut, S.124). Bezogen auf die Anzahl der Kinder in der Altersgruppe der Drei- bis Sechseinhalbjährigen erreichte das Saarland hier eine Versorgungsquote von nur 8,5%, ein Wert, der nur von Baden-Württemberg mit nur 4,6% unterboten wurde.

Allerdings gab es auch beim Ausbau des Angebots an Ganztagsplätzen im Saarland Fortschritte. Der Erste Kinderbericht der Landeshauptstadt Saarbrücken belegt, dass zumindest hier in jüngster Zeit veränderte Betreuungszeiten in Kindergärten eingeführt wurden. "Waren zu Beginn der 90er Jahre die klassischen Öffnungszeiten (8.00 bis 12.00 Uhr und 14.00 bis 16.00 Uhr) noch weit verbreitet, so sind im Laufe der Jahre die Öffnungszeiten mehr und mehr flexibilisiert worden. Entsprechend dem geänderten Nachfrageverhalten von Eltern bieten inzwischen fast alle Regelkindergärten flexible Öffnungszeiten zwischen 7.00/7. Uhr und 13.00/13.30 Uhr an (a.a.O., S.120). In jüngster Zeit gibt es darüber hinaus auch Bemühungen, so genannte „erweiterte Öffnungszeiten" bis 14.30 Uhr einzurichten, für die allerdings entsprechend einer Auflage des Landesjugendamtes die Anforderung besteht, den betreuten Kindern zusätzlich einen Imbiss oder eine kleine warme Mahlzeit anzubieten.

Von 821 Kindergartenplätzen in den städtischen Kindertagesstätten Saarbrückens sind im Jahr 2002 269 als Ganztagsplätze ausgewiesen und 71 als solche mit erweiterten Öffnungszeiten, so dass insgesamt 29% der Plätze des öffentlichen Trägers in Saarbrücken ein Betreuungsangebot mit Mittagessen und deutlich über die traditionelle Halbtagsbetreuung von maximal vier Stunden hinausreichende Betreuungszeiten bieten. Unter Einbeziehung des Platzangebots nicht-städtischer Einrichtungen gibt es für die Kinder in der Altersgruppe der Drei bis unter Sechsjährigen (Man beachte: der vom DJI vorgelegte Zahlenspiegel bezieht das Platzangebot realistisch auf die Altersgruppe der Drei- bis Sechseinhalbjährigen, denn angesichts nur eines Einschultermins zum Schuljahresbeginn ist die Hälfte der Sechs bis unter Siebenjährigen als Nachfragende für Kindergartenplätze einzubeziehen.) in der Landeshauptsstadt 991 Ganztagsplätze, was einem Versorgungsgrad von 20,7% entspricht.

Diese positive Entwicklung in der Landeshauptstadt erfolgte im Land insgesamt allerdings wesentlich langsamer. So weist der Vorschulentwicklungsplan des Ministeriums für Bildung, Kultur und Wissenschaft für das Jahr 2000 lediglich 3.324 der insgesamt 34.919 Kindergartenplätze als Ganztagsplätze aus, so dass im Landesdurchschnitt gerade 9,5% der Kindergartenplätze ganztägig in Anspruch genommen werden können.