Anwendung des Pfändungs- und Vollstreckungsschutzes auf Abschiebehäftlinge

Wir fragen den Senat:

1. Ist der Senat der Auffassung dass der Pfändungs- und Vollstreckungsschutz der Zivilprozessordnung, nach dem Betroffenen ein Geldbetrag belassen werden soll, der ausreicht, um sich vier Wochen lang die erforderlichen Nahrungsmittel zu beschaffen, auch auf Abschiebehäftlinge anzuwenden ist?

2. Kommt es vor, dass Personen mittellos oder nahezu mittellos abgeschoben werden?

3. Erhalten Personen, deren Rückführung auf dem Flughafen einer größeren Stadt im Herkunftsland endet, eine finanzielle Unterstützung, damit sie in ihr Herkunftsgebiet zurückkehren können? Falls ja, welche Behörde ist für das Auszahlen dieser Unterstützung zuständig? Wie hoch ist der vorgesehene Etat für diese Unterstützung für die Haushalte 2000/2001? Wie viel Geld wurde in den Jahren 1995 bis 1999 für diesen Zweck verwendet? An wie viel Personen wurde in den Jahren 1995 bis 1999 eine Unterstützung ausgezahlt?

4. Wird den Abschiebehäftlingen eine Quittung über die abgenommenen Ersparnisse ausgestellt?

5. Werden die Abschiebehäftlinge darüber informiert, dass sie die Kosten der Abschiebung tragen müssen? Wie und zu welchem Zeitpunkt findet diese Information statt? Werden Sie in ihrer jeweiligen Landessprache informiert?

6. Wird Ausländern/-innen, die aus der Strafhaft abgeschoben werden, ihr während der Strafhaft verdienter Lohn ausbezahlt oder zur Deckung der Abschiebekosten von der Ausländerbehörde eingezogen?

7. Auf welche Höhe belaufen sich die von den Abschiebehäftlingen einbehaltenen Geldmittel in den Jahren 1995 bis 1999?

8. Welcher Betrag wird den Abschiebehäftlingen belassen? Wird dieser Betrag einheitlich festgelegt oder individuell von Fall zu Fall bestimmt? Falls einheitlich, auf welcher Grundlage erfolgt die Festlegung?

9. Kommt es vor, dass Ausländern vor ihrer Abschiebung sämtliche Ersparnisse abgenommen werden, um die Abschiebekosten zu decken?

10. Sind dem Senat Fälle bekannt, bei denen der Bundesgrenzschutz Personen, die abgeschoben werden, Geld abnimmt, obwohl ihnen bereits von der Ausländerbehörde eine Sicherheitsleistung für ihre Rückführung abverlangt worden ist?

Falls ja, wie beurteilt der Senat diese Praxis und was gedenkt er in dieser Hinsicht zu tun?

11. Ist der Landesregierung bekannt, dass es Länder gibt, in denen Menschen - unter ihnen abgeschobene Asylbewerber - festgenommen werden und ohne Strafverfahren in Haft bleiben, der sie nur durch die Zahlung von Bestechungsgelder entgehen können?

Die o. a. Anfrage beantwortet der Senat wie folgt:

Zu Frage 1.: Ist der Senat der Auffassung dass der Pfändungs- und Vollstreckungsschutz der Zivilprozessordnung, nach dem Betroffenen ein Geldbetrag belassen werden soll, der ausreicht, um sich vier Wochen lang die erforderlichen Nahrungsmittel zu beschaffen, auch auf Abschiebehäftlinge anzuwenden ist?

Der mit der Frage angesprochene § 811 Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gilt unmittelbar nur bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen aus zivilgerichtlichen Urteilen und anderen Vollstreckungstiteln nach der Zivilprozessordnung. Im Wege der Verweisung gilt die Vorschrift auch bei der Vollstreckung von Geldforderungen aus verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen und bei Vollstreckungen nach dem Bremischen Gesetz über die Vollstreckung von Geldforderungen im Verwaltungswege. Für den Vollzug einer Abschiebung gilt § 811 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht.

Zu Frage 2.: Kommt es vor, dass Personen mittellos oder nahezu mittellos abgeschoben werden?

Sofern die Betroffenen über keine eigenen Barmittel verfügen, erhalten Sie auf Anforderung von der Ausländerbehörde eine finanzielle Unterstützung für die Kosten, die unmittelbar nach Ankunft im Herkunftsland, z. B. für die Weiterfahrt in den früheren Wohnort oder das Herkunftsgebiet, entstehen.

Es wird entsprechend der Umstände des Einzelfalles ein Betrag in Höhe von 50 DM bis 200 DM zur Verfügung gestellt.

Zu Frage 3.: Erhalten Personen, deren Rückführung auf dem Flughafen einer größeren Stadt im Herkunftsland endet, eine finanzielle Unterstützung, damit sie in ihr Herkunftsgebiet zurückkehren können? Falls ja, welche Behörde ist für das Auszahlen dieser Unterstützung zuständig? Wie hoch ist der vorgesehene Etat für diese Unterstützung für die Haushalte 2000/2001? Wie viel Geld wurde in den Jahren 1995 bis 1999 für diesen Zweck verwendet? An wie viel Personen wurde in den Jahren 1995 bis 1999 eine Unterstützung ausgezahlt?

Zum Umfang der zur Verfügung gestellten Mittel wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

Einen gesonderten Etat hierfür gibt es nicht; die Kosten werden aus der Haushaltsstelle Abschiebungskosten gezahlt.

Die Höhe der ausgezahlten Beträge und die Anzahl der begünstigten Personen wird statistisch nicht erfasst, so dass hierüber keine Angaben gemacht werden können.

Zu Frage 4.: Wird den Abschiebehäftlingen eine Quittung über die abgenommenen Ersparnisse ausgestellt?

Die Abschiebungshäftlinge erhalten Bescheinigungen über abgenommene Geldbeträge.

Zu Frage 5.: Werden die Abschiebehäftlinge darüber informiert, dass sie die Kosten der Abschiebung tragen müssen? Wie und zu welchem Zeitpunkt findet diese Information statt? Werden Sie in ihrer jeweiligen Landessprache informiert?

Der Hinweis, dass der Ausländer die Kosten der Abschiebung zu tragen hat, ergibt sich aus den Bescheiden der Ausländerbehörde. Eine Verpflichtung zur Übersetzung in die jeweilige Landessprache enthält das Verwaltungsverfahrensrecht nicht.

Die Betroffenen sind in der Regel jedoch anwaltlich vertreten, so dass auch insofern eine hinreichende Information der Ausländer unterstellt werden kann. Im Übrigen werden die Betroffenen bei der Anhörung nach der Festnahme in Anwesenheit eines Dolmetschers über die Kostentragungspflicht unterrichtet.

In der von der Ausländerbeauftragten in sieben Sprachen (Arabisch, Englisch, Französisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Türkisch) herausgegebenen INFOBroschüre für Menschen in Abschiebehaft wird darüber informiert, dass die Kosten zu tragen sind. Diese INFO-Broschüre soll den Insassen des Abschiebegewahrsams bei Einlieferung übergeben werden.

Zu Frage 6.: Wird Ausländern/-innen, die aus der Strafhaft abgeschoben werden, ihr während der Strafhaft verdienter Lohn ausbezahlt oder zur Deckung der Abschiebekosten von der Ausländerbehörde eingezogen?

Gefangene, die aus der Strafhaft in die Abschiebungshaft verlegt werden, bekommen ihr bei der Justizvollzugsanstalt vorhandenes Guthaben (ggf. Eigengeld, Hausgeld und Überbrückungsgeld) ausbezahlt. Die Einziehung von Überbrückungsgeld ist nach derzeit geltender Rechtslage wegen dessen genereller Unpfändbarkeit nicht zulässig.

Aus ausländerrechtlicher Sicht ist die damit einhergehende Ungleichbehandlung unbefriedigend, weil den aus der Strafhaft abgeschobenen Ausländern das Überbrückungsgeld in voller Höhe belassen wird. Den Ausländern, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen sind, im Übrigen aber keine Straftat begangen haben, steht ein solcher unpfändbarer Betrag nicht zur Verfügung. Eine Änderung der Rechtslage wird derzeit geprüft.

Zu Frage 7.: Auf welche Höhe belaufen sich die von den Abschiebehäftlingen einbehaltenen Geldmittel in den Jahren 1995 bis 1999?

Die Höhe der einbehaltenen Geldmittel lässt sich nicht ermitteln, da statistische Erfassungen nicht erfolgen.

Zu Frage 8.: Welcher Betrag wird den Abschiebehäftlingen belassen? Wird dieser Betrag einheitlich festgelegt oder individuell von Fall zu Fall bestimmt? Falls einheitlich, auf welcher Grundlage erfolgt die Festlegung?

Siehe Antwort zu Frage 2 und 3.

Zu Frage 9.: Kommt es vor, dass Ausländern vor ihrer Abschiebung sämtliche Ersparnisse abgenommen werden, um die Abschiebekosten zu decken?

Siehe Antwort zu Frage 2 und 3.

Zu Frage 10.: Sind dem Senat Fälle bekannt, bei denen der Bundesgrenzschutz Personen, die abgeschoben werden, Geld abnimmt, obwohl ihnen bereits von der Ausländerbehörde eine Sicherheitsleistung für ihre Rückführung abverlangt worden ist? Falls ja, wie beurteilt der Senat diese Praxis und was gedenkt er in dieser Hinsicht zu tun?

Derartige Fälle sind nicht bekannt.

Zu Frage 11.: Ist der Landesregierung bekannt, dass es Länder gibt, in denen Menschen - unter ihnen abgeschobene Asylbewerber - festgenommen werden und ohne Strafverfahren in Haft bleiben, der sie nur durch die Zahlung von Bestechungsgelder entgehen können?

Derartige Fälle sind nicht bekannt.