Für die allgemeinmedizinische Versorgung sind zwei hauptamtliche Ärzte zuständig

561 Der Rechnungshof kann zwar nachvollziehen, dass eine generelle Änderung der bisherigen Praxis nur bundeseinheitlich möglich ist. Er erwartet deshalb vom Ressort entsprechende Initiativen auf Bundesebene. Daneben ist es nach Auffassung des Rechnungshofs zweifelhaft, dass es dem Ressort nicht möglich ist, in eigener Kompetenz die Folgen des GMG in Teilbereichen auch für Gefangene umzusetzen (s. Tz. 559), zumal JUDIT erklärt hat, dass seit dem 1. Oktober 2004 die Gefangenen alle rezeptfreien Medikamente selbst bezahlen müssen. Der Rechnungshof hat diese Maßnahme begrüßt.

Ärztliche Versorgung - Die ärztliche Versorgung der Gefangenen ist nach § 158 durch hauptamtliche Ärzte sicherzustellen. Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Ärzten übertragen werden.

Für die allgemeinmedizinische Versorgung sind zwei hauptamtliche Ärzte zuständig. Daneben gab es im Prüfungszeitraum noch vier Vertragsärzte (zwei für Allgemeinmedizin für Bremerhaven und Blockland und zwei für die zahnärztliche Versorgung für Oslebshausen und Blockland). Sofern erforderlich wurden frei praktizierende Ärzte konsultiert (z. B. Augenarzt, Urologe, Hautarzt oder Zahnarzt für Bremerhaven). - Soweit die ärztliche Versorgung der Gefangenen nicht auf andere Weise gewährleistet werden kann, stellt außerhalb der Dienstzeiten der Anstaltsärzte die Kassenärztliche Vereinigung die Notfallversorgung sicher (§ 75 Abs. 4 SGB V).

Bedarfsberechnung - Für das hauptamtliche Personal, die Vertragsärzte und die frei praktizierenden Ärzte gibt es keine auf nachvollziehbaren Kriterien beruhende Berechnung des Personalbedarfs. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Strukturveränderungen im Vollzugsbereich hält der Rechnungshof eine fundierte Berechnung auf Basis entsprechender Kennzahlen zum Umfang der notwendigen Personalausstattung für die gesundheitliche Versorgung der durchschnittlich 780 Gefangenen für unumgänglich.

Deshalb hat der Rechnungshof beispielhaft für den allgemeinmedizinischen Dienst ermittelt, wie viel Zeit für die ärztliche Versorgung pro Gefangenem zur Verfügung steht.

Danach könnten für die allgemeinmedizinische Versorgung zwischen rund 35 bis 40 Wochenstunden eingespart werden. Der gesamte Bedarf läge einschließlich der allgemeinen Aufgaben des Leitenden Anstaltsarztes damit bei insgesamt nur 60 Wochenstunden (1,5 Stellen). Diese Zielzahl entspräche auch den Gegebenheiten in den JVA anderer Bundesländer, beispielsweise Nordrhein-Westfalens. Dort wird von einem Betreuungsverhältnis von rund 500 bis 600 Gefangenen je Arzt (Stand 1996) ausgegangen.

JUDIT hält diese Bedarfsberechnung für nicht praxisgerecht. Sie berücksichtige z. B. nicht den unterschiedlichen Aufwand für die Zuführung der Gefangenen oder die bestehenden erheblichen Unterschiede in der gesundheitlichen Konstitution von Jugendlichen, Frauen und Männern. Dennoch würde der Ansatz begrüßt, rechnerisch einen Bedarf an Ärzten zu ermitteln. Die Forderung des Rechnungshofs nach nachvollziehbaren Kriterien für den ärztlichen Personalbedarf werde aufgegriffen. Der ärztliche Dienst werde angewiesen, entsprechende Daten zu erheben.

Der Rechnungshof versteht seine Berechnung als eine mögliche Variante, den Bedarf zu ermitteln. Sofern darüber hinaus objektiv nachvollziehbare Kriterien vorliegen, sind sie bei einer Berechnung zu berücksichtigen und können zu anderen Ergebnissen führen.

Der Rechnungshof hat JUDIT aufgefordert, auch über Alternativen bei den Dienstzeiten für die hauptamtlichen Ärzte nachzudenken. Er hält es für sachgerecht, die Dienstzeiten der hauptamtlichen Anstaltsärzte durch die Einführung eines Schichtdienstes dem überwiegend anfallenden Einsatzgeschehen anzupassen.

JUDIT hat erklärt, zukünftig für die hauptamtlichen Ärzte eine versetzte Dienstzeit einzuführen. Im Ergebnis soll zwischen 7.00 und 19.00 Uhr ein Arzt anwesend sein.

Der Rechnungshof begrüßt diese Entscheidung. Er hat das Ressort jedoch gebeten, vor einer Festlegung neuer Dienstzeiten das Einsatzgeschehen der letzten zwei bis drei Jahre auszuwerten und erst daraufhin die Dienstzeiten der Ärzte neu festzulegen.

Einsatz der hauptamtlichen Ärzte - Besondere Dienstzeiten hat JUDIT mit den beiden hauptamtlichen Ärzten nicht vereinbart. Ihren Dienst verrichten sie nach festgelegten Sprechstunden im Rahmen der allgemein für die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst bestehende Gleitzeitregelung in Oslebshausen. Falls erforderlich, stehen sie außerhalb der Dienstzeiten im wöchentlichen Wechsel über Mobiltelefon für eine Beratung des diensthabenden Sanitäters zur Verfügung. Eine Pflicht, im Notfall in der Anstalt zu erscheinen, besteht nicht. Als Ausgleich haben sie zusätzlich zum Erholungsurlaub bisher jeweils zehn Tage pro Jahr dienstfrei erhalten. Die Regelung entspricht der der Hafenärzte.

Nach § 71 Abs. 3 sind Zeiten einer sog. Rufbereitschaft zu einem Achtel durch Dienstbefreiung auszugleichen. Für eine Anrechnung gemäß § 71 Abs. 3 reicht allein eine telefonische Erreichbarkeit nicht aus. Es muss auch die Verpflichtung bestehen, in Notfällen den Dienst aufzunehmen.

Die beschriebene Praxis der Rufbereitschaft widerspricht der Rechtslage. Die hauptamtlichen Ärzte haben unzulässigerweise zusätzlich freie Tage erhalten. Der Rechnungshof hat darum gebeten, diese Praxis zu beenden oder aber entsprechend

§ 71 Abs. 3 zu verfahren.

JUDIT hat mitgeteilt, es sei beabsichtigt, die bestehende Praxis zu beenden. Eine Anordnung nach § 71 Abs. 3 werde nicht angestrebt. Eine versetzte Dienstzeit für die hauptamtlichen Ärzte sei geplant (s. Tz. 571). Für die Zeit zwischen 19.00 und 7.00 Uhr solle vermehrt der kassenärztliche Notdienst herangezogen werden. Hierdurch zu erwartende Mehrkosten könnten zzt. nicht beziffert werden.

Der Rechnungshof hat die beabsichtigte Verfahrensänderung begrüßt. Er hat angeregt zu prüfen, inwieweit bei der Festlegung der jeweiligen Aufgabenbeschreibungen für die hauptamtlichen Ärzte fernmündliche Konsultationen auf die Normalarbeitszeit angerechnet werden können.

Leistungen Dritter zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung - Um der Verantwortung für die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen gerecht werden zu können (s. Tz. 555), hat der Eigenbetrieb neben den hauptamtlichen Ärzten die darüber hinaus erforderliche ärztliche und zahnärztliche Versorgung durch Verträge oder durch die Inanspruchnahme von Konsiliarärzten abgesichert.

Für medizinisch notwendige Therapiemaßnahmen hat JUDIT Vereinbarungen mit Therapeuten abgeschlossen. Die vom ärztlichen Dienst benötigten Arznei-, Verband- und Heilmittel liefert eine freie Apotheke, die organisatorisch als Zweigstelle dem ärztlichen Dienst zugeordnet ist.

Einsatz von Vertragsärzten - Für die allgemeinmedizinische Versorgung der Gefangenen wurden insbesondere in Bremerhaven und Blockland Vertragsärzte tätig. Weder die zuständigen Mitarbeiter von JUDIT noch der Leitende Anstaltsarzt ­ obwohl für die Gesundheitsversorgung aller Teilanstalten zuständig ­ hatten einen genauen Überblick über die tatsächlichen wöchentlichen Leistungen dieser Ärzte.

Die Vertragsärzte haben mehr als vereinbart gearbeitet. Gleichwohl haben sie hierfür eine Vergütung erhalten. Allein in Bremerhaven sind im Jahr 2002 rund 12 T mehr an Vergütung gezahlt worden, als nach dem Vertrag notwendig gewesen wäre.

JUDIT hat die Feststellungen im Ergebnis bestätigt. Der Eigenbetrieb hält jedoch die Mehrausgaben in Bremerhaven für vertretbar, weil der dortige Vertragsarzt abweichend vom Vertrag morgens Medikamente (Methadon) an suchterkrankte Gefangene ausgegeben hat. Dies wäre mit dem Leitenden Anstaltsarzt so abgesprochen worden. Deshalb hätten diese Mehrleistungen auch entsprechend vergütet werden müssen.

Es ist zwar richtig, dass der Arzt die Leistungen erbracht hat. Ein Nachweis über diese Absprache war den geprüften Unterlagen nicht zu entnehmen (s. Tz. 580).

Der Rechnungshof vertritt trotzdem die Auffassung, dass die dadurch entstandenen Mehrausgaben vermeidbar gewesen wären. Mitarbeiter des Sanitätsdienstes haben in Oslebshausen und Blockland Methadon ausgegeben. Dieses Verfahren hat sich der Leitende Anstaltsarzt aufsichtsrechtlich genehmigen lassen. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, warum hierfür in Bremerhaven ein Vertragsarzt eingesetzt wurde, zumal dieser nur an fünf Tagen in der Woche tätig geworden ist und die restlichen Tage die Sanitätsbediensteten Methadon ausgegeben haben.

JUDIT hätte nach Auffassung des Rechnungshofs das Verfahren kostenbewusster steuern müssen.

Einsatz von Zahnärzten - Für die zahnärztliche Versorgung in Oslebshausen und Blockland hat JUDIT zuletzt mit Wirkung vom 1. Juli 2000 Verträge mit zwei Zahnärzten abgeschlossen. Sie halten dort ihre Sprechstunden ab.

Vor Vertragsabschluss hat JUDIT auch andere, im Vergleich mit den Verhältnissen vor 2000, kostengünstigere Alternativen zur Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung durchgerechnet. Ob vor Abschluss der Verträge auch die zu erwartenden finanziellen Folgen berechnet wurden, konnte der Rechnungshof wegen fehlender Unterlagen nicht ermitteln. Ebenso konnte er nicht nachvollziehen, warum die günstigeren Alternativen nicht weiter verfolgt wurden.

Die Ausgaben für die freiberuflich tätigen Zahnärzte betrugen 2001 rund 155 T und 2002 rund 164 T. Nach einer Vergleichsrechnung des Rechnungshofs hätten bei der zahnärztlichen Behandlung mit eigenem Personal rund 12,4 T in 2001 und rund 16,6 T im Jahr 2002 eingespart werden können.

Wegen fehlender Daten konnte nicht genau ermittelt werden, wie viel Stunden in der Woche die Zahnärzte Gefangene behandelt haben. Es war nur bekannt, dass die Ärzte pro Woche insgesamt fünf mal Sprechstunden abgehalten haben. Für die Vergleichsrechnung hat der Rechnungshof großzügig einen zahnärztlichen Versorgungsumfang von wöchentlich 40 Stunden unterstellt. Er hat jedoch erhebliche Zweifel, ob eine zahnärztliche Versorgung der Gefangenen mit täglich acht Stunden erforderlich ist. Insofern erwartet er bei einer fundierten Bedarfsberechnung (s. Tz. 565) höhere Einsparungen. hat erklärt, es sei beabsichtigt, die Möglichkeiten zur Einstellung eigenen Personals oder aber einer Kooperation mit dem Gesundheitsamt zu prüfen. Die Verträge mit den Zahnärzten seien gekündigt worden.

Inanspruchnahme von Konsiliarärzten - Konsiliarärzte werden nur dann herangezogen, wenn eine Behandlung durch die eigenen Ärzte aus fachlicher Sicht nicht möglich ist. Mit diesen Ärzten bestehen keine Verträge. Die Leistungen werden regelmäßig nach der Gebührenordnung für Ärzte/Gebührenordnung für Zahnärzte (GOÄ/GOZ) abgerechnet.

Gemäß § 11 GOÄ sind ärztliche Leistungen für öffentlich-rechtliche Kostenträger grundsätzlich nach den Einfachsätzen des Gebührenverzeichnisses abzurechnen.

In etlichen Fällen wurde mit einem höheren Faktor abgerechnet.

JUDIT hat angemerkt, die Abweichung von § 11 GOÄ sei unter Abwägung der Kosten für eine ambulante und stationäre Behandlung gebilligt worden. Zukünftig werde strikt nach GOÄ verfahren.

Abrechnung von therapeutischen Leistungen - Therapeuten haben für die Durchführung von Psychotherapien überwiegend nach der GOÄ abgerechnet. Sie hätten ihre Leistungen stets nur mit dem einfachen Gebührensatz vergütet bekommen dürfen. Dies ist in den meisten Fällen nicht geschehen. Für den Abrechnungszeitraum 2002 hätten dadurch rund 10 T eingespart werden können. In Einzelfällen wurden die Leistungen auch mit z. T. unterschiedlichen Stundensätzen vergütet. Eine Vereinbarung gab es nicht. Auch ist nicht verglichen worden, ob in diesen Fällen eine Abrechnung nach der GOÄ kostengünstiger gewesen wäre.

JUDIT hat erklärt, künftig bereits bei der Auftragsvergabe auf die Abrechnung nach GOÄ (einfacher Gebührensatz) hinzuweisen.