Zollbahnhof Kirkel-Altstadt

Der „Zollbahnhof" ist ein über 50 ha großes Areal, das zu etwa vier Fünfteln auf der Gemarkung der Gemeinde Kirkel, Ortsteil Altstadt, und zu einem Fünftel auf der Gemarkung der Stadt Homburg liegt. Es erstreckt sich unmittelbar parallel-nördlich zur L 119 (ehemalige B 40) zwischen dem Kirkeler Ortsteil Limbach und Homburg (Saar).

Der namensgebende „Zollbahnhof" wurde 1925 infolge der Vereinbarungen des Versailler Vertrages als Grenzbahnhof zwischen dem Deutschen Reich und dem Saargebiet errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die verbliebenen Anlagen Zug um Zug demontiert. Ein kleinerer Teil des Geländes diente der Lagerung von Material zum Bau und Erhalt des Bahnkörpers. Größere Flächen fielen brach und stellten zunehmend ein hochwertiges ökologisches Biotop dar, das im Landesentwicklungsplan „Umwelt" des Saarlandes mittlerweile den Status „Vorranggebiet für Naturschutz" erhalten hat. Die Fläche hatte sich zum Refugium für zahlreiche bedrohte Tierarten wie etwa Mauereidechse, Kreuzkröte oder Wiedehopf entwickelt. Im Flächennutzungsplan der Gemeinde Kirkel, der sich gegenwärtig in der Aufstellung befindet, ist die Ausweisung als Naturschutzgebiet vorgesehen.

Im Jahr 2005 wurde dort von der Firma BahnLog eine große gewerbliche Anlage zur Aufbereitung von schadstoffbelastetem Bahnschotter und zur Zerlegung von Bahnschwellen errichtet und in Betrieb genommen. Die industrielle Nutzung des Zollbahnhofes und die Ansiedlung der Firma BahnLog fanden unter der Berufung darauf statt, dass der Zollbahnhof ein für eisenbahnbetriebliche („bahnaffine") Zwecke planfestgestelltes Gelände sei. Ein Planfeststellungsverfahren hat allerdings nie stattgefunden.

Ebenso wenig gab es Mitsprachemöglichkeiten oder Anhörungen der Gemeinden Kirkel und Homburg oder der örtlichen Umweltverbände. Neben BahnLog sind auf dem Zollbahnhof-Gelände fünf weitere Unternehmen tätig. Zu diesen gehört die Firma Oberrhein-Handels-Union (Iffezheim), die bis vor kurzem in der örtlichen Presse mit der Frei-Haus-Lieferung von u.a. Rheinkies-Produkten und Recycling-Schotter geworben hat. Des Weiteren wird bearbeiteter Schotter, vermischt mit hoch belastetem Material, an Privatkunden verkauft und auch im öffentlichen Straßenbau eingesetzt. Ein Teil, der in Deutschland nicht verwertet werden kann und eigentlich als Sondermüll zu entsorgen wäre, wird nach Frankreich geliefert.

Die Bürger von Altstadt, Lappentascherhof, Beeden und Limbach sowie die dort lebenden Pflanzen und Tiere sind seither beträchtlichen Belastungen ausgesetzt: Mit dem Betrieb der Anlage ist extremer Lärm, die Emission von Staub durch die Bearbeitung von Materialien unter anderem der Schadstoffklasse Z3, die Einleitung schadstoffbelasteter Abwässer ins Erdreich, ein dramatisch erhöhter Schwerlastverkehr und ein drastischer Rückgang der teilweise seltenen Tier- und Pflanzenarten im Umfeld verbunden. Die Anlage liegt in einem Wasserschutzgebiet (Wasserschutzzone 3); nicht weit davon entfernt sind Trinkwasserbrunnen. 2006 hat das Umweltdezernat des Saarpfalz-Kreises Anzeige wegen Verletzung des Wasserrechts erstattet.

Bereits Ende der 1980-er Jahre wurde in den Brunnen des Wassergewinnungsgebietes Beeden, zu dem auch das Areal des Zollbahnhofes gehört, erstmals die Kontaminierung mit dem Totalherbizid Bromazil nachgewiesen. Dieses Pflanzenvernichtungsmittel wurde ausschließlich von der damaligen Bundesbahn verwendet; die dafür eingesetzten Spritzzüge wurden auf dem Gelände des Zollbahnhofs gereinigt.

Dennoch gab es langwierige Konflikte bei der Klärung der Verursacherfrage. Die Untersuchung des Kontaminierungsursache zeigte auch, dass es sich bei dem Areal des Zollbahnhofs um ein höchst sensibles Gelände handelt, was die Durchlässigkeit auch von Schadstoffen in grundwasserführende Schichten anbelangt. Diese besondere Sensibilität war zuvor durch ein hydrogeologisches Gutachten im Auftrag des saarländischen Umweltministeriums in den 1980er Jahren besonders betont worden, als es Planungen der damaligen Saarbergwerke gab, auf dem Gelände eine Kohlehalde anzulegen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Regierung des Saarlandes:

1. Wie erklärt sich die Behauptung u. a. des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz (im Schreiben vom 18.12.2008), beim „sog. Gleisbauhof [handele es sich] um ein zu Bahnzwecken des Bundes planfestgestelltes Gelände"? Hat die Landesregierung beim Eisenbahnbundesamt nachgefragt, auf welcher rechtlichen Grundlage die Firma BahnLog ihre Anlagen betreibt (BImSchG, Planfeststellungsverfahren nach § 18 Eisenbahngesetz, ...)? Ist der Landesregierung bekannt, wie die Ansiedlung der Firma BahnLog und die industrielle Erschließung des Zollbahnhofes durch das EBA geprüft wurden, wie die erteilte Genehmigung aussieht und welche Auflagen darin gemacht werden?

2. Wieso wurde für die seit 2005 mehrfach vorgenommenen Gleisverlegungen, die Neuanlage von Gleisen und die Errichtung der Recycling-Anlage kein (nach § 18 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes eigentlich erforderliches) Planfeststellungsverfahren durchgeführt?

3. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Ansiedlung der übrigen auf dem Zollbahnhof-Gelände tätigen Unternehmen, die keine öffentlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen sind und zum Teil auch keine "bahnaffinen" Tätigkeiten ausüben?

4. Wurde das Eisenbahnbundesamt in jenen Verfahren beteiligt und angehört, in denen der Zollbahnhof als Wasserschutzzone 3 im Wasserschutzgebiet Beeden, Vorranggebiet für Naturschutz im Landesentwicklungsplan Umwelt (LEP) und als Pflegezone in der Biosphärenregion und im angestrebten Biosphärenreservat Bliesgau festgelegt wurde? Wenn ja, welche Stellungnahmen wurden seitens des EBA dazu abgegeben?

5. Wer hat BahnLog den rechtlichen Status eines „Öffentlichen Eisenbahnverkehrsunternehmens" verliehen und welches Institut hat die BahnLog als „Entsorgungsfachbetrieb" zertifiziert?

6. Ist das Land (wie von einem Vertreter der Firma behauptet) stiller Teilhaber der Firma BahnLog? Wenn ja, warum?

7. Warum wird die Anzeige des Saarpfalz-Kreises wegen Verletzung des Wasserrechts nicht weiter verfolgt?

8. Wer prüft und überwacht die Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen durch die auf dem Zollbahnhof-Gelände ansässigen Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Materialen der Schadstoffklasse Z3 (LAGA) und im Hinblick auf die Staub- und Lärmemissionen?

9. Aus welchen Gründen wurde kein ökologisches Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem die Wertigkeit des Zollbahnhofes insbesondere vor dem Hintergrund der Artenvielfalt dokumentiert wird? Wie erklärt sich die Landesregierung, dass das Vorkommen zahlreicher FFH-Arten bei der industriellen Erschließung des Zollbahnhofes vorsätzlich missachtet wurde? Aus welchen Gründen wurden keine Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die großräumige Zerstörung von wertvollen Biotopflächen und die Vernichtung zahlreicher seltener Tier- und Pflanzenarten angeordnet, obwohl selbst die damalige Bundesbahn bei ihrer Planung, den Zollbahnhof durch eine ICE-Trasse zu queren, davon ausging, dass solche in diesem Fall zwingend und in großem Stil erforderlich seien?

10. Wie prüft die Landesregierung die Unbedenklichkeit der in unmittelbarer Nähe zum Zollbahnhof geernteten landwirtschaftlichen Produkte, die in die Nahrungskette gelangen, und wer haftet für die Folgen einer eventuellen Grundwasserverschmutzung? Mit welchen schädlichen Stoffen ist die Luft, die die Anwohner einatmen, belastet? Ist der Staub, der sich auf den Pflanzen und auf dem Boden der Grundstücke auch in der weiteren Umgebung niederschlägt, gesundheitlich unbedenklich?