Naturschutz- statt Naturnutzgesetz!

Aufgrund seiner Rahmengesetzgebungskompetenz im Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege hat der Bund am 25. März 2002 das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften erlassen, in dessen Artikel 1 das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) neu gefasst wurde. Die Länder sind zu einer rahmenkonformen Anpassung ihrer Landesgesetze verpflichtet. Nach § 71 BNatSchG war diese Umsetzungsverpflichtung durch die Länder innerhalb von 3 Jahren nach In-Kraft-Treten des BNatSchG zu erfüllen. Das BNatSchG ist am 4. April 2002 in Kraft getreten, so dass die Umsetzungsverpflichtung der Länder bis zum 3. April 2005 zu erfüllen war. Dieser Verpflichtung ist das Saarland nicht fristgerecht nachgekommen.

Ziel des BNatSchG ist es, das Naturschutzrecht zu modernisieren und an die heutigen und künftigen Anforderungen des Naturschutzes und der Landschaftspflege anzupassen. Die Flächennutzung soll natur-, umwelt- und landschaftsverträglich gestaltet, ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Menschen an der Nutzung und dem besonderen Schutzinteresse der Natur gefördert und die Beteiligungsmöglichkeiten von Betroffenen und Vereinen gestärkt werden. Die Regelungen sind überwiegend als Mindestanforderungen anzusehen und bei der Umsetzung durch die Bundesländer weiter auszugestalten.

Der Referentenentwurf der saarländischen Landesregierung aus dem Jahre 2003 erfüllte diese Vorgaben nicht und kam gar nicht erst in das parlamentarische Verfahren.

Auch der neue Entwurf wird den Anforderungen nicht gerecht. Die Anhörung zu dem Gesetzentwurf hat zahlreiche Änderungsvorschläge aller angehörten Verbände und Organisationen ergeben. Alleine der NABU Saar hat über 100 Änderungen vorgeschlagen. Die minimalen Änderungen, die nun als Abänderungsantrag des Ausschusses für Umwelt vorliegen, berücksichtigen diese Vorschläge nur unzureichend und stellen teilweise sogar noch Verschlechterungen dar. Insgesamt wurden lediglich Minimal-Anpassungen an das Bundesrecht umgesetzt. Die Novelle des Naturschutzgesetzes schwächt nicht nur das Ehrenamt, sondern zerschlägt auch das bewährte Beiratswesen, privilegiert ohne sachliche Rechtfertigung Nutzergruppen und nutzt die gesetzlichen Möglichkeiten zur Umsetzung des Verbandsklagerechtes nicht aus. Zudem sind die Regelungen zum Biosphärenreservat Bliesgau unzureichend. Der Entwurf bleibt insgesamt weit hinter den gegebenen Möglichkeiten zurück. Zusammenfassend lässt sich sagen: Statt eines Naturschutzgesetzes wurde ein Naturnutzgesetz vorgelegt.

Die Novellierung des saarländischen Naturschutzgesetzes bietet die Chance, für Naturschutz und Landschaftspflege eine Perspektive für die kommenden Jahre zu entwickeln. Diese Chance sollte sinnvoll genutzt und nicht vertan werden.

Daher fordert der Landtag des Saarlandes die Landesregierung auf:

- einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, der das saarländische Naturschutzrecht nicht nur an die Rahmengesetzgebung des Bundes anpasst, sondern es darüber hinaus in der Weise weiterentwickelt, dass es den heutigen und zukünftigen Anforderungen an Naturschutz und Landschaftspflege gewachsen ist.

- Der Gesetzentwurf soll dabei insbesondere folgende Kernpunkte berücksichtigen:

· Biozentrischer Ansatz statt anthropozentrischem Ansatz: Gemäß § 1 BNatschG sind Natur und Landschaft aufgrund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlagen des Menschen zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und wiederherzustellen. Naturschutz stellt eine öffentliche Aufgabe dar und dient dem in Artikel 20a GG und Artikel 59 a SVerf verankerten Staatsziel. Im Zentrum des Naturschutzes steht die Natur um ihrer selbst willen.

- gute fachliche Praxis: Die Regelungen zur guten fachlichen Praxis sind daher aus Sicht des Naturschutzes festzulegen. Das Naturschutzgesetz soll zentral die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft, der Waldwirtschaft, der Jagd und der Fischerei regeln und konkrete Detail- und Verfahrensregelungen enthalten.

- keine Bevorzugung der Landnutzung: Privilegierungen einzelner Nutzergruppen (wie etwa Zulässigkeit von Jagd und Fischerei in der Kernzone der Biosphäre Bliesgau oder Privilegierungen bei der Durchführung von Veranstaltungen in der freien Landschaft) sollen im Naturschutzgesetz vermieden werden.

· Mitwirkungs- und Klagerechte anerkannter Vereine: Die Regelungen hierzu sollen vor allem die Verbesserung der Transparenz naturschutzrechtlicher Verwaltungsentscheidungen zum Ziel haben. Um Rechtssicherheit für die bisher nach saarländischem Recht anerkannten Naturschutzverbände zu schaffen, muss eine Regelung vorgenommen werden, die eine Weitergeltung der bisherigen Anerkennung vorsieht. Durch das Verstreichenlassen der Frist zur Umsetzung des Rahmenrechts des Bundes besteht Unklarheit darüber, ob derzeit die Klagebefugnis der Verbände überhaupt gegeben ist und die Verbände nicht sogar nunmehr eine neue Anerkennung beantragen müssen.

Das BNatSchG verfolgt das Ziel, die Position der Naturschutzverbände zu stärken. Die bundesrechtlich verankerten Rechte zur Mitwirkung und Klage der Umweltverbände sind erste wichtige Elemente zur Umsetzung der Verpflichtungen aus der Aarhus-Konvention. Deutschland ist als Signatarstaat der Aarhus-Konvention unter anderem zu einer Neuordnung des Verwaltungsrechtsschutzes in Deutschland verpflichtet und es besteht hinsichtlich der Verbandsklage weiterer Anpassungsbedarf. Gemäß der Aarhus-Konvention und entsprechenden EU-Richtlinien sollten Mitwirkungs- und Klagerechte ­ umfassender als bisher im BNatSchG verankert ­ für alle Verwaltungsakte mit Bezug zum Umweltrecht gestattet werden.

§ 60 BNatSchG enthält einen rahmenrechtlichen Mindestkatalog, der ausfüllungsbedürftig ist. Das saarländische Naturschutzgesetz soll nach dem Vorbild anderer Bundesländer von der Möglichkeit der Erweiterung über den Mindeststandard hinaus Gebrauch machen und nicht lediglich auf die Rahmenvorgaben des BNatSchG verweisen.

· Schutz unzerschnittener Räume: Unzerschnittene Räume sind vor einer Zerschneidung zu bewahren. Als Mindestgröße für die Festlegung eines unzerschnittenen Raumes soll eine Fläche von 10 Quadratkilometern angesetzt werden. In einem dicht besiedelten Bezugsraum wie dem Saarland besitzen schon kleinere zusammenhängende Landschaftsausschnitte erhebliche Bedeutung, die schützenswert sind. Um eine sinnvolle Vernetzung von Flächen zu erreichen und nicht nur räumlich am Rande des Saarlandes gelegene Flächen zu erfassen, ist es nicht sinnvoll, die Mindestgröße höher anzusetzen.

· Sicherung und Weiterentwicklung der Regelung von Eingriffen in Natur und Landschaft: Die Eingriffsregelung ist ein Grundpfeiler des Naturschutzes.

Ihre Substanz darf nicht abgeschwächt werden, damit ihre Zielsetzung ­ zumindest die Sicherung des Status quo von Natur und Landschaft in der Gesamtfläche ­ zum Tragen kommen kann. Durch Bundesrecht hat es bereits eine Abschwächung gegeben, indem der Unterschied zwischen Ausgleich und Ersatz praktisch aufgehoben wurde. Bei der weiteren Umsetzung des Rahmenrechts kommt es umso mehr darauf an, nicht noch weitere Verschlechterungen vorzunehmen und die bekannten Defizite, insbesondere beim Vollzug, durch gesetzliche Vorgaben abzubauen. Eingriffe in Biotope sollen grundsätzlich verboten sein.

· Ökokonto: Die Regelungen sind so zu fassen, dass die rechtlich erforderliche dauerhafte Sicherung von Ausgleichsflächen nicht zugunsten einer beliebigen Anhäufung zufälliger Einzelmaßnahmen verloren geht und keine besondere Privilegierung von Landnutzern vorgenommen wird.