Sportoffensive an saarländischen Kindergärten und Schulen für eine Ausweitung der Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung im Saarland
Bewegungsmangel und falsches Ernährungsverhalten, aber auch Lernstress und die Dominanz neuer Medien im Alltag prägen heutzutage zunehmend die gesundheitliche Situation von Kindern und Jugendlichen. Diese Entwicklung führt wissenschaftlichen Studien zufolge schon bei 8- bis 18-Jährigen zu gravierenden Folgeerkrankungen wie Übergewicht, Muskelschwächen und Haltungsfehlern, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes-Typ 2, Bluthochdruck und emotional-sozialen Problemen. Gleichzeitig ist die sportliche Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren um 10 - 15 Prozent zurückgegangen Heranwachsende leiden verstärkt unter Störungen der Grob- und Feinmotorik sowie der Koordinationsfähigkeit.
Vor diesem Hintergrund erhalten Bewegung, Spiel und Sport als integrative Bestandteile des frühkindlichen und schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrages eine zentrale Bedeutung für die körperliche Betätigung, gesundheitliche Entwicklung und Heranführung an lebenslanges Sporttreiben der Kinder und Jugendlichen. Der Schulsport erreicht alle Kinder und Jugendliche, prägt deren Einstellung zu Bewegung, Spiel und Sport in entscheidendem Maße, wirkt sich positiv auf Lernen, Behalten und Erinnern aus und hat insgesamt erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur in unserer Gesellschaft. Bewegung und Sport in Kindergärten und Schulen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Gesundheitsförderung und damit zur gesundheitlichen Prävention im Kindes- und Jugendalter. Darüber hinaus erfüllt der Schulsport eine wesentliche Funktion in Bezug auf die Vorbeugung gegen Aggression und Gewalt an Schulen. Die Bewegungs- und Persönlichkeitsförderung aller Schülerinnen und Schüler ist essentielles Anliegen des Schulsports das schließt die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit motorischen Defiziten genauso ein wie die Förderung sportlicher Talente.
Die erste bundesweite, breit angelegte Untersuchung zur Situation des Schulsports in Deutschland, die sog. „Sprint-Studie" 2004/2005 des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), hat noch einmal deutlich die seit langem bekannten Probleme des Schulsports kritisch beleuchtet: über 30% Unterrichtsausfall, schulformspezifische Benachteiligungen, fachfremder Unterricht, Überalterung der Sportlehrerschaft akuter Handlungsbedarf für zukünftige Konzeptionen sowie zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Schulsport werden mehr denn je sichtbar.
Die zahlreichen Aktivitäten und Modellprojekte des Landessportverbandes für das Saarland, die Kooperationen von Schul- und Vereinssport sowie die vielfältigen Initiativen der Verbände sind notwendig und sinnvoll - jedoch stets nur Ergänzungen und kein Ersatz für ausreichenden und qualifizierten Sportunterricht für alle Schülerinnen und Schüler. Zudem haben nicht alle Kinder die Chance, in einem Verein Sport zu treiben, denn die Teilhabe am außerschulischen Sport hängt in entscheidendem Maße von Bildungsniveau und sozialer Herkunft ab. Eine Qualitätsoffensive für bessere Bildung muss auch eine Qualitätsoffensive für mehr und besseren Sportunterricht beinhalten.
Im Hinblick auf diese Entwicklung vertritt der Landtag die Auffassung, dass
· die frühkindliche und schulische Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung eine hohe bildungs-, gesundheits-, sozial- und sportpolitische Bedeutung hat,
· die Förderung des Schulsports eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben der Sportpolitik ist,
· die Stärkung und Qualitätsentwicklung des Schulsports, die Gesundheitsförderung und Gewaltprävention, die Integration von Bewegung, Spiel und Sport in Schulprogramme und Schulprofile sowie die Zusammenarbeit von Schulen und Sportvereinen (einschließlich der Talentsuche und Talentförderung im Sport) bedeutsame Schwerpunkte für den Schulsport sind.
Deshalb fordert der Landtag u. a. zur Umsetzung folgender Initiativen auf:
· die Verankerung der Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung im Elementarbereich mit adäquatem Stellenwert im Bildungsprogramm für saarländische Kindergärten sowie innerhalb der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher.
· die stärkere Förderung der Zusammenarbeit von Kindergärten und Schulen mit Sportvereinen und anderen Partnern.
· die Wiedereinführung der dritten Sportstunde für alle weiterführenden Schulen, gegebenenfalls die Erteilung von vier Wochenstunden Sport an den Grundschulen, im Rahmen der Ausweitung der Stundentafeln.
· die Prüfung der Auflage eines wissenschaftlich begleiteten Pilotprojektes zur Durchführung einer täglichen Sportstunde an ausgewählten Grundschulen.
· die Festlegung der Leitidee „Bewegungsfreudige Schule" in möglichst vielen Schulprofilen auf der Grundlage entsprechender Qualitätskriterien.
· die Sicherstellung eines regelmäßigen Sportunterrichts an den berufsbildenden Schulen.
· die Vermeidung von Unterrichtsausfall und Unterrichtskürzungen zu Lasten des Bewegungsfachs Sport, bezogen auf alle Schularten.
· die Verpflichtung zur Einhaltung der „täglichen Bewegungszeit" in den Grundschulen durch Lehrplanverankerung.
· die Einführung von Sportförderunterricht für Kinder mit motorischen und körperlichen Defiziten.
· die Koppelung des Ganztagsbetriebs an Kindergärten und Schulen mit dem Ausbau und der Qualitätsentwicklung von Bewegungs-, Spiel- und Sportangeboten im Ganztag zur Vermeidung einseitiger Lern- und Arbeitssituationen.
· die Integration des Themas „Entwicklungs- und Lernförderung durch Bewegung" in die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern aller Fächer und Schulstufen.
· die Einbindung von „Mädchen und Jungen im Sportunterricht" als Schwerpunkt im Rahmen der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Sport zur Förderung des Bewusstseins für einen Bedarf nach geschlechtergerechtem und geschlechterdifferenzierten Sportunterricht.
· die deutliche Verbesserung der Ausbildungs-, Einstellungs- und Fortbildungssituation der Sportlehrkräfte in allen Schulformen, insbesondere im Bereich der Grundschulen.
· die Möglichkeit zum Erwerb der Schwimmfähigkeit im Rahmen des Schulsports für alle Schülerinnen und Schüler.
· die Bereitstellung der für Sport und Bewegung entsprechenden Räumlichkeiten und Außenflächen, die Sicherstellung von Schwimmsportstätten sowie einen neuen Blick für die Gestaltungen der Schulhöfe und Klassenzimmer im Zusammenspiel von Schulleitungen, Schulträgern und Land.
· die Gewährleistung des Zugangs zu Sporteinrichtungen für alle Kinder und Jugendliche, unabhängig vom Einkommen der Eltern, gegebenenfalls in Form einer Beitragsbefreiung.
· eine landesweite Initiative zur Förderung der Elternmitwirkung bei Sport und Bewegung zunächst im Elementarbereich und im Bereich der Primarstufe.
· die Einrichtung eines „Runden Tisches Schulsport" mit Vertreterinnen und Vertretern aus Schüler-, Eltern-, und Lehrerschaft, der Sportärzteschaft, des Sportwissenschaftlichen Instituts der Universität des Saarlandes sowie des Landessportverbandes für das Saarland zur Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs zur Steigerung von Quantität und Qualität des Schulsports.
· ein Netzwerk „Bewegung und Ernährung" zur Bündelung der Aktivitäten, u. a. mit dem Ziel einer besseren Berücksichtigung in Konzepten der Schulsportentwicklung sowie bei der Fortentwicklung von Ganztagsschulen.
· den Aufbau einer Internetplattform „SCHULSPORTPORTAL SAAR" als Instrument der Qualitätsentwicklung des Schulsports.
Begründung: Erfolgt mündlich.