Vollzugsdefizit im Kampf gegen Jugendkriminalität beheben und Erziehungsgedanken stärken

Die Jugendkriminalität stellt immer noch ein zu großes gesellschaftliches Problem dar.

So bewegt sich die Jugendkriminalität nach Einschätzung des Berichts des Landeskriminalamts über Stand und Entwicklung der Kriminalität im Saarland für 2006 weiterhin auf einem hohen Niveau. Während bei den meisten jugendtypischen Delikten ein Rückgang zu verzeichnen ist, gab es Steigerungen im Bereich der Straftaten mit Gewaltkomponenten. Dabei haben es die Strafverfolgungsbehörden oft mit so genannten Intensivtätern zu tun, die wiederholt straffällig werden.

Die Anhebung der Höchststrafe im Jugendstrafrecht von 10 auf 15 Jahre ist die falsche Antwort auf das Problem der Jugendkriminalität, weil schon der bestehende Strafrahmen nur in den seltensten Fällen ausgeschöpft wird und eine höhere Strafandrohung auf die Täter keine abschreckende Wirkung ausübt.

Auch die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht bei Heranwachsenden ist nach geltendem Recht bereits möglich und vom Gesetz selbst sogar als Regelfall vorgesehen.

Ob Erwachsenenstrafrecht oder Jugendstrafrecht Anwendung findet, entscheidet das Gericht, das dazu im konkreten Einzelfall den Täter und seine Tat bewerten muss und den besten Einblick in den Fall hat. Außerdem bietet das Jugendstrafrecht, das vom Erziehungsgedanken getragen ist, dem Richter einen weiten Spielraum für Sanktionen, die auf den Täter zugeschnitten sind.

Die so genannten „Bootcamps" in den USA, die durch Drill und menschenunwürdige Behandlung in die Schlagzeilen geraten sind, haben sich nicht nur als wirkungslos erwiesen, sondern sind mit unserem grundgesetzlich garantierten Verständnis der Menschenwürde unvereinbar und deshalb abzulehnen.

Wichtig ist vielmehr, dass Polizei und Justizbehörden personell besser ausgestattet sind, damit eine nicht nur umfassende, sondern auch zügige Strafverfolgung möglich ist. Denn wenn die Gerichtsverhandlung bereits kurz nach der Tat erfolgt und die Strafe kurz nach dem Urteil angetreten wird ­ was nach dem jetzt schon geltenden Recht möglich ist ­, kann der Täter eher einen Zusammenhang zwischen seiner Tat und dem Urteil erkennen.

Eine bessere Ausstattung ist auch für die Bewährungshilfe erforderlich. Denn sie leistet im Saarland einen großen Beitrag dazu, dass Täter nicht mehr rückfällig werden, und kann eine hohe Erfolgsquote vorweisen.

Projekte, die vom Erziehungsgedanken getragen sind und Intensivtäter an feste Regeln und das Leben in einer Gruppe gewöhnen, bieten die Chance, die hohe Rückfallquote gerade bei der noch relativ kleinen Gruppe von Tätern zu senken, die für eine große Zahl schwerer Straftaten verantwortlich ist. Ermutigende Beispiele dazu mit unterschiedlichen Ansätzen, zum Beispiel durch Sportprävention, gibt es bereits in einigen Bundesländern. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze in diesen Einrichtungen ist jedoch sehr gering.

Maßnahmen wie Anti-Aggressionskurse, die künftige Gewalttaten verhindern helfen, müssen verstärkt werden. Der Kampf gegen Jugendgewalt darf nicht daran scheitern, dass nicht genügend Plätze in den Kursen vorhanden sind, wie es in der Vergangenheit schon der Fall gewesen ist.

Schließlich kennen einige Bundesländer so genannte „Teen Courts", bei denen Schüler über eine Tat verhandeln und dem Täter als Sanktion eine Auflage machen. Wenn der Täter die Auflage erfüllt, stellt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ein. Zwar stellen „Teen Courts" kein Mittel gegen Gewaltkriminalität dar, doch können sie bei der Bekämpfung der Bagatellkriminalität helfen. So erhöht sich die Chance, dass eine Bagatellstraftat nicht mehr den Einstieg in eine kriminelle Karriere darstellt.

Da Jugendkriminalität und Jugendgewalt häufig Folgen einer von den Jugendlichen empfundenen Perspektivlosigkeit sind, muss vor allem diese entschieden bekämpft werden. So sind eine gute Bildung und Ausbildung Voraussetzungen für Chancen auf dem Arbeitsmarkt und damit verbunden für sozialen Aufstieg. Wer beruflich und sozial integriert ist, der sieht Perspektiven und wird seltener straffällig. Grundvoraussetzung dafür ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Gerade Kinder mit Migrationshintergrund müssen deshalb mit Fördermaßnahmen erreicht werden. Auch muss die Prävention an Schulen durch Schulpsychologen gestärkt werden. Mittel, die in Prävention investiert werden, verringern die Kosten für Strafverfolgung und weitere Folgekosten.

Neben dem Bildungsbereich stellt das Sport- und Vereinsleben einen wichtigen Baustein zur sozialen Integration dar, der Ausgrenzung und ein Abdriften in die Kriminalität verhindern helfen kann. In diesen Bereichen muss deshalb weiterhin ein Schwerpunkt der Landespolitik liegen.

Der Landtag des Saarlandes:

· lehnt eine verstärkte Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Heranwachsende sowie eine Erhöhung der Höchststrafe von 10 auf 15 Jahre bei der Jugendstrafe ab;

· sieht den Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht als wichtiges Mittel an, um kriminelle Karrieren zu beenden und die Gesellschaft vor künftigen Straftaten zu schützen;

· erkennt in Bildung, Sprachförderung und sozialer Integration Schlüssel zur Vorbeugung gegen Jugendkriminalität.

Der Landtag des Saarlandes fordert von der Landesregierung:

· eine bessere personelle Ausstattung in der Strafverfolgung bei Jugendsachen, um Verfahren zu beschleunigen und die Strafe „auf dem Fuße" folgen zu lassen und damit die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten besser auszuschöpfen;

· eine bessere personelle Ausstattung und Stärkung der Bewährungshilfe;

· ein Erziehungsprojekt, das sich gezielt an jugendliche und heranwachsende Intensivtäter richtet;

· ein verstärktes Angebot von Maßnahmen wie zum Beispiel Anti-Aggressionskursen, damit den Jugendgerichten solche wirksamen Mittel gegen Jugendgewalt auch tatsächlich in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen;

· die Einrichtung eines „Teen-Court"-Modellprojektes zur Bekämpfung von Bagatellkriminalität;

· den Ausbau bestehender und die Entwicklung von weiteren Präventionsprojekten und Integrationsmaßnahmen im Bildungsbereich, wie zum Beispiel „Wir im Verein mit dir" und „Früh Deutsch lernen", sowie den verstärkten Einsatz von Schulpsychologen.