Bekämpfung der Kinderpornografie
Vorbemerkung der Fragestellerin: „Kinderpornografie, ein Delikt, das es bereits seit langem gibt, hat durch das Medium Internet eine neue Dimension erfahren. Die neuen Begehungsformen als solche stellen die Polizei vor neue Herausforderungen. Gleiches gilt aber auch für die ganz erhebliche Zunahme dieses Deliktes. Die derzeitige Auswertepraxis weist erhebliche Defizite auf. So vergehen in der Regel 18 Monate zwischen der Sicherstellung von Datenträgern und deren Auswertung. Dies führt dazu, dass weitere Maßnahmen zur Verbrechensaufklärung nicht mehr ergriffen werden können, dass Erkenntnisse aus der Ermittlungsarbeit für zusätzlich bekannt gewordene Straftaten des sexuellen Kindesmissbrauchs nicht mehr zeitnah zur Verfügung stehen, dass im Falle einer Verurteilung wegen der langen Verfahrensdauer immer ein erheblicher Strafrabatt durch die Gerichte zu gewähren ist und sogar die Gefahr besteht, dass vor einer Auswertung beschlagnahmte Gegenstände durch Gerichtsbeschluss herausgegeben werden müssen. Kinderpornografisches Material, dem tatsächlicher Kindesmissbrauch zu Grunde liegt, wird somit erst nach 18 Monaten bekannt. Da nach dem TKG Kommunikationsdaten nur 80 Tage gespeichert werden, sind notwendige Ermittlungen zur Tataufklärung dann nicht mehr möglich. Ebenso besteht die Gefahr, dass bei Herausgabeverpflichtung durch Gerichtsbeschluss wegen der langen Verfahrensdauer sexueller Kindesmissbrauch unentdeckt bleibt.
Ausgegeben: 02.05.2005 (29.03.2005)
Insbesondere in Bayern erfolgt die Lösung dieser Problematik durch die Beauftragung externer Gutachter, was unmittelbar zu einer ganz enormen Verkürzung der Auswertungszeiten geführt hat und zu einer deutlichen Entlastung der entsprechenden Polizeidienste. Ebenso erfolgt eine deutliche Entlastung der öffentlichen Haushalte, da bei der externen Begutachtung die Kosten im Falle einer Verurteilung auf den Beschuldigten übertragen werden können."
Vorbemerkung der Landesregierung:
Das mit der (technischen) EDV-Beweissicherung und auswertung betraute Sachgebiet 224 des Landeskriminalamts (LKA) hatte anstelle von 413 Gigabyte im Jahr 2000 im Jahr 2004 fast das 40-fache Datenvolumen, nämlich 16.422 Gigabyte auszuwerten.
Diese Entwicklung ist nicht spezifisch für das Saarland, sondern entspricht einem bundesweit zu beobachtenden Trend. Der erhebliche Anstieg führt auch im Saarland zu tendenziell längeren Bearbeitungszeiten bei der Auswertung elektronischer Datenträger. Dabei können Auswertungen in Einzelfällen 18 Monaten dauern, ohne dass eine solch lange Bearbeitungszeit aber die Regel wäre.
Für das betroffene Sachgebiet des LKA ist deswegen u.a. die Verstärkung des Personals um fünf zusätzliche, besonders ausgebildete Mitarbeiter vorgesehen; davon können derzeit bereits drei zusätzliche Beamte im Sachgebiet 224 eingesetzt werden.
Wesentlich ist auch die fortwährende Anpassung der sachlichen Ausstattung der Dienststelle. In dringenden Fällen hat die Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit in Absprache mit der Polizei jeweils eine bevorzugte Bearbeitung veranlassen können.
Mit diesen Maßnahmen konnte im Saarland bislang vermieden werden, dass Gerichte die Herausgabe elektronischer Datenträger wegen überlanger Dauer der Auswertung anordnen mussten.
Im Hinblick auf die steigenden Belastungen des für die Auswertung elektronischer Datenträger zuständigen Sachgebiets wird die Beauftragung privater Unternehmen gleichwohl auch im Saarland in Aussicht genommen.
Ausschlaggebend für eine solche Entscheidung ist die Frage einer angemessenen Förderung strafrechtlicher Ermittlungen. Dabei muss sichergestellt sein, dass die im engeren Sinne kriminalistische Arbeit in der unmittelbaren Verantwortung der Strafverfolgungsbehörden verbleibt. Schon aus rechtlichen Gründen kein Argument ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob bei Verfahrensabschluss die Auswertekosten dem Beschuldigten (nach den §§ 464, 465 Strafprozessordnung) als Verfahrenskosten auferlegt werden können, wie dieses der letzte Satz in der Vorbemerkung der Fragestellerin nahe legt; die Beauftragung privater Unternehmen ist dafür keine Voraussetzung.
Welche Möglichkeiten sieht die saarländische Landesregierung, der Bekämpfung von Kinderpornografie durch die Beauftragung speziell ausgewählter Gutachter wirksamer entgegentreten zu können?
Zu Frage 1: Bei der strafrechtlichen Verfolgung von Kinderpornografie ist jedenfalls in den Fällen, in denen kinderpornografische Produkte in elektronischer Form Gegenstand der Ermittlungen sind, regelmäßig erst durch die Auswertung von Datenträgern ein Nachweis z. B. der Herstellung, der Verbreitung oder des Besitzes von Kinderpornografie zu führen. Die technische Auswertung, d.h. die reproduzierbare Bearbeitung und Dokumentation von Datenbeständen (einschließlich manipulierter, verschlüsselter oder gelöschter Daten), erfolgt nach forensisch abgesicherten Methoden. Diese Auswertung erfolgte im Saarland in der Vergangenheit allein durch die Polizei. Dass die Bearbeitung dort einer wirksamen (strafrechtlichen) Bekämpfung der Kinderpornografie entgegengestanden hätte, ist hier bislang nicht bekannt geworden. Ausschließlich aufgrund der z.T. erheblichen Bearbeitungszeiten bei der Datenauswertung, die auf eine wesentliche Steigerung des auszuwertenden Datenvolumens zurückzuführen sind, nimmt die Staatsanwaltschaft in Absprache mit der Polizei in Aussicht, zukünftig in geeigneten Fällen private Unternehmen mit den hier gegenständlichen Auswertungen zu beauftragen.
Dazu werden insbesondere hinsichtlich der Auswahl geeigneter Unternehmen einschließlich einer Überprüfung und Kontrolle der Unternehmen im Hinblick auf deren Sicherheit, Zuverlässigkeit und Arbeitsqualität strenge Maßstäbe angelegt werden müssen. Bei einer Prüfung, welche Unternehmen dafür in Betracht kommen, zeigte sich, dass nur ganz wenige der dazu kontaktierten Unternehmen den Erfordernissen der Strafverfolgungsbehörden genügen. Insbesondere fiel auf, dass es den Unternehmen häufig an qualifiziertem Personal, hinreichender Erfahrung mit dem spezifischen Rechercheinstrumentarium, hinreichenden Rechtskenntnissen und zureichenden Sicherheitsstandards fehlte. Als geeignet erschienen zwei (auch in der bundesweiten Diskussion in diesem Zusammenhang regelmäßig genannte) Firmen mit Sitz in Bayern. Inwieweit die geringe Anzahl geeigneter Unternehmen die intendierte Beschleunigung der Auswertung elektronischer Datenträger zukünftig limitiert, kann aus hiesiger Kenntnis nicht vorweg genommen werden.
Sieht die saarländische Landesregierung Möglichkeiten, die zuständigen sachbearbeitenden Dienststellen durch externe Begutachtung in einer Weise zu entlasten, dass die von der technischen Seite unabhängigen Ermittlungen zeitnah durchgeführt werden können?
Zu Frage 2: Es ist das Ziel der Beauftragung privater Unternehmen, die für die technische Auswertung elektronischer Datenträger benötigte Zeit zu verkürzen, damit sich daran anschließende weitere Ermittlungen möglichst zeitnah durchgeführt werden können.
Das Ziel ist insoweit zu erreichen, als private mit der Auswertung elektronischer Datenträger beauftragte Unternehmen rasch und zuverlässig arbeiten und dadurch zugleich das Sachgebiet 224 des LKA bei der Bearbeitung dort vorzunehmender Auswertungen entlasten.
Welche Möglichkeiten sieht die saarländische Landesregierung, zwingend notwendige Parallelermittlungen in Verfahren wegen sexuellen Kindesmissbrauchs und Kinderpornografie zu beschleunigen und verstärkt Synergieeffekte sowie strategisches Optimierungspotential zu nutzen?
Zu Frage 3: Die Frage wird hier so verstanden, dass auf den Zusammenhang zwischen der Ermittlung kinderpornografischen Materials einerseits und Bemühungen um die Ermittlung des Missbrauchenden und des Opfers mit dem Ziel der Verhinderung weiterer Missbrauchsfälle andererseits eingegangen werden soll.
Ergibt sich bei der Auswertung kinderpornografischen Materials der Anfangsverdacht damit in Verbindung stehenden sexuellen Missbrauchs von Kindern, sind Polizei und Staatsanwaltschaft aufgrund des Legalitätsprinzips zur Aufnahme entsprechender Ermittlungen grundsätzlich verpflichtet. Soweit sich ein solcher Zusammenhang bereits dadurch ergibt, dass der Besitzer kinderpornografischer Daten erkennbar auch für einen abgebildeten sexuellen Missbrauch in Betracht kommt, ergeben sich keine Besonderheiten in der Führung des Ermittlungsverfahrens.
Stellt sich bei der Datenauswertung heraus, dass der Besitzer der kinderpornografischen Daten nicht der Missbrauchende ist, und wird offensichtlich, dass die Daten über das Internet versandt wurden, werden die Daten zur Identifizierung von Tätern und Opfern an das Bundeskriminalamt weitergeleitet. Dort werden sie in eine Vergleichssammlung eingestellt, mittels derer Zusammenhänge zwischen Taten, Tätern und Opfern erkannt werden können. Diese werden wiederum an die jeweils in den Ländern für die weiteren Ermittlungen zuständigen Polizeidienststellen übermittelt.
Dabei sind bei der saarländischen Polizei für die Ermittlungen in Zusammenhang mit Delikten der Kinderpornografie die gleichen Dienststellen zuständig, die auch in Fällen des sexuellen Missbrauchs ermitteln. Parallel wegen kinderpornografischer Sachverhalte und wegen sexuellen Missbrauchs notwendige Ermittlungen können damit innerhalb der gleichen Dienststelle geführt werden, ohne dass insoweit die Gefahr von Informationsverlusten besteht. Gleiches gilt für die Staatsanwaltschaft Saarbrücken, bei der die für die Verfolgung von Kinderpornografie und die für die Verfolgung sexuellen Missbrauchs zuständigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte eng zusammenarbeiten. Soweit Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Missbrauchsfälle getroffen werden müssen, ist damit zugleich eine schnelle Information der betroffenen Behörden gewährleistet.