Rechte Gewalt im Saarland

Vorbemerkung der Fragestellerin: „Die brutalen Angriffe auf Besucher des Homburger Jugendzentrums, die am 17.03.2005 von Jugendlichen, die offensichtlich dem rechtsradikalen Milieu angehören, verübt worden sind, haben in der Bevölkerung zu Bestürzung und Betroffenheit geführt und im ganzen Saarland für Aufsehen gesorgt."

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die nachfolgenden Begriffserklärungen finden im Bereich der Polizei Anwendung und dienen, zusammen mit einem Definitionssystem zur Erfassung entsprechender Straftaten, als Grundlage für eine bundesweit einheitliche Betrachtung dieses Themenfeldes, dessen Analyse und Bewertung.

Radikalismus: Unter (Rechts-) Radikalismus versteht man Bestrebungen zur grundsätzlichen (radikalen) Systemveränderung von einem deutlich von der allgemeinen freiheitlichen demokratischen Auffassung abweichenden Standpunkt aus. (Rechts-) Radikalismus bewegt sich innerhalb des Rahmens der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, solange er die Anwendung von Gewalt ablehnt, um seine Ziele zu erreichen.

Extremismus: Unter dem Begriff (Rechts-) Extremismus werden alle Bestrebungen verstanden, die sich - auch unter Anwendung von Gewalt - gegen den Kernbestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung richten (Systemüberwindung) und extrem andere Systemstrukturen anstreben. Er umfasst als Oberbegriff auch den (Rechts-) Terrorismus mit dessen Bestrebungen zur Systemüberwindung durch nachhaltig geführten, gewaltsamen Kampf.

Eine politisch (rechts-) radikale Haltung steht grundsätzlich unter dem Schutz der Artikel 4 und 5 Grundgesetz. Denn trotz Kritik oder Ablehnung der Grundordnung oder Teilen der Grundordnung bewegt sich die radikale Haltung innerhalb derselben, solange die Verfassungs- und Rechtsgebote beachtet werden.

Politisch motivierte Kriminalität ­ rechts: Diesem Bereich werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung einer "rechten" Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. Insbesondere sind Taten dazuzurechnen, wenn Bezüge zu völkischem Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren.

Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass die mutmaßlichen Täter minderjährig und laut Presseberichten und Aussagen der Staatsanwaltschaft zur Tatzeit stark alkoholisiert waren? Handelt es sich diesbezüglich um einen Einzelfall oder lassen Alter und soziales Umfeld der Täter Rückschlüsse auf ein neues Täterprofil im „rechten Spektrum" im Saarland zu?

Zu Frage 1: Die Anfrage bezieht sich offensichtlich auf einen Vorfall am 18. März 2005, bei dem es zu Übergriffen auf Besucher des Jugendzentrums in Homburg gekommen ist. Eine abschließende Bewertung ist angesichts der noch laufenden Ermittlungen nicht möglich. Das gilt insbesondere für den ersten Teil der Frage. Wie die Minderjährigkeit von Beschuldigten und eine eventuell gegebene Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt zu bewerten sind und wie mit Mitteln des Jugendstrafrechts zu reagieren ist, wird gegebenenfalls durch das Jugendschöffengericht Saarbrücken zu prüfen bzw. zu entscheiden sein.

Auch eine Beantwortung des zweiten Teils der Frage ist in diesem Stadium des Verfahrens nicht möglich. Die bekannt gewordenen Beschuldigten sind bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Sind der Landesregierung sonstige rechtsradikal motivierte Straftaten in den vergangen Jahren im Saarland bekannt? Wenn ja:

Wann und wo haben sich diese ereignet?

Zu Frage 2: Um eine bundeseinheitliche Erfassung und Bewertung politisch motivierter Straftaten bei der Polizei sicherzustellen werden seit 2001 derartige Delikte nach dem „Definitionssystem politisch motivierte Kriminalität" erfasst. Dieses neue Definitionssystem stellt die tatauslösende politische Motivation in den Mittelpunkt und lässt einen validen Vergleich mit den Zahlenwerten der Vorjahre nicht mehr zu. Daher umfasst die nachfolgende Betrachtung den Zeitraum von 2001 bis 2004. Diese Zahlen werden im Saarland regelmäßig zwischen Landeskriminalamt und Landesamt für Verfassungsschutz abgestimmt. Ingbert, Homburg und Sulzbach (je 6 Fälle).

Welche Informationen liegen der Landesregierung über Treffpunkte aktionsorientierter Rechtsextremisten im Saarland vor?

Zu Frage 3: Ein in einem Saarbrücker Stadtteil gelegenes Hotel ist seit Jahren eine bevorzugte Austragungsstätte für rechtsextremistische Veranstaltungen. Häufigster Nutzer ist diesbezüglich die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD).

Die gewaltbereite und rechtsextremistisch beeinflusste Skinhead-Szene trifft sich einzelne Privatwohnungen ausgenommen ­ vorwiegend in wechselnden Gaststätten oder jahreszeitabhängig auf öffentlichen Plätzen. Aktivisten der Köllertaler und der Saarlouiser Szene verfügten im Zeitraum von Ende 2001 bis Anfang 2003 in Heusweiler-Eiweiler über eigens angemietete Treffräume. Aktuell dienen angemietete Clubräume auf dem Gelände der stillgelegten Grube „Neyschacht" in Schwalbach als Anlaufstation.

1 Straftaten, die nach dem Normzweck als Staatsschutzdelikte zu verfolgen sind, auch wenn sie im Einzelfall ohne explizite politische Motivation begangen werden, wie z. B. das Verbreiten der „Auschwitz-Lüge", Volksverhetzung, Hakenkreuzschmierereien oder das öffentliche Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86 und 86 a Strafgesetzbuch) 2 sonstige Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit politisch motiviertem Hintergrund, z. B. Beleidigung, Sachbeschädigung, gemeinschädliche Sachbeschädigung, Landfriedensbruch, Brandstiftung 3 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz.