Acrylamid in Lebensmitteln

Vorbemerkung der Fragestellerin: „Acrylamid kommt in Lebensmitteln seit Generationen vor. Es entsteht bei der Zubereitung von Lebensmitteln, insbesondere bei Vorgängen wie Backen, Frittieren, Braten, Rösten und Grillieren. Die Aufnahme dieser Substanzen mit der Nahrung ist mit Risiken verbunden, insbesondere soll Acrylamid krebserregend sein. Im „Spiegel" war im Mai dieses Jahres zu lesen, dass im Vergleich zum vergangenen Jahr die Belastung von Kartoffelchips mit Acrylamid zum Teil drastisch zugenommen habe. Messungen der Verbraucherorganisation „Foodwatch" haben ergeben, dass sich die Werte bei 6 der 10 untersuchten gängigen Produkte gesteigert habe. Bei einer Sorte von Chips verdreifachte sich sogar die AcrylamidKonzentration. Sie lag weit über dem Signalwert der Bundesregierung, der bei einem Milligramm pro Kilogramm liegt."

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die Bildung von Acrylamid ist bei der Herstellung und Zubereitung bestimmter trocken erhitzter stärkereicher Lebensmittel nicht völlig zu verhindern. Um den Acrylamidgehalt dennoch im Rahmen der Möglichkeiten zu begrenzen, wurde vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Zusammenarbeit mit den Ländern ein Minimierungskonzept erarbeitet. Hierbei wurden unter Einbeziehung der ermittelten Gehalte für die einzelnen Produktgruppen sogenannte Signalwerte festgelegt und eine Strategie zur Minimierung abgeleitet. Als Signalwert wurde jeweils der unterste Wert der 10 % am höchsten belasteten Lebensmittel einer Produktgruppe festgelegt, höchstens jedoch 1000 µg/kg. Die Signalwerte werden regelmäßig überprüft und gegebenenfalls nach unten korrigiert.

Nach den Ergebnissen des BVL zur 4. Berechnung der Signalwerte vom 18. November 2004, der auf von den Bundesländern ermittelten Untersuchungsergebnissen beruht, hat sich der Beobachtungswert im Vergleich zur 3. Berechnung von 1470 auf 1029 µg/kg verringert. Der Beobachtungswert beruht auf dem gleichen Berechnungsschema wie der Signalwert, jedoch ohne die Vorgabe, dass er nicht höher als 1000 µg/kg liegen darf.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass aus der Literatur bekannt ist, dass der Acrylamidgehalt bei Kartoffelchips starken jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt. Unmittelbar nach der Kartoffelernte im Herbst sind die Gehalte relativ niedrig, mit der Lagerung steigt in den Kartoffeln der Gehalt an reduzierenden Zuckern durch enzymatischen Stärkeabbau an, was erfahrungsgemäß zu einem Anstieg des Acrylamidgehaltes im fertigen Produkt führt. In der Beeinflussung dieses biochemischen Vorganges durch bessere Lagerbedingungen (z. B. Lagertemperatur) und in der Auswahl möglicherweise besser geeigneter Kartoffelsorten wird vom BVL und den Ländern noch ein Minimierungspotential gesehen.

Kennt die Landesregierung Betriebe, in denen Produktionsprozesse zur Minderung des Gehaltes von Acrylamid in Lebensmitteln umgestellt wurden? Wenn ja, welche?

Welche Rolle hat die Landesregierung im Rahmen der Umstellung von Produktionsprozessen übernommen?

Ist mit den Produktionsprozess-Umstellungen jeweils eine Risikominimierung erfolgt? Falls ja, mit welchen Daten ist sie belegbar? Wie hoch waren die jeweiligen Kosten bei den erfolgten Produktionsumstellungen?

Zu den Fragen 2, 3 und 4: Industrielle Hersteller der am stärksten belasteten Produkte (Chips, Lebkuchen, Kekse, etc.) sind im Saarland bis auf größere Backbetriebe nicht ansässig. In den Produkten größerer Backbetriebe wurden keine Signalwertüberschreitungen festgestellt. Die von Kleinherstellern wie Bäckereien, Restaurant- und Imbissbetrieben hergestellten oder zubereiteten Lebensmittel werden im LSGV überwacht. Hier wurden Überschreitungen der Signalwerte festgestellt.

In diesen Fällen der Signalwertüberschreitung werden im Gutachten des LSGV Maßnahmen zur Verringerung des Acrylamidgehalts vorgeschlagen. Diese Maßnahmen können die Temperatur bei der Herstellung oder Zubereitung ebenso betreffen wie die angewandten Rezepturen und Rohstoffe. So wurde beispielsweise bei Signalwertüberschreitungen in Lebkuchen den Gutachten ein Merkblatt mit genauen Empfehlungen zur Reduktion des Acrylamidgehalts bei Lebkuchen und anderem Weihnachtsgebäck beigegeben. Soweit dies gewünscht wird und möglich ist, wird auch darüber hinaus vom LSGV fachliche Beratung geleistet.

Die Erfahrungen mit diesen intensiven Beratungen sind uneingeschränkt positiv, denn die Hersteller haben ihrerseits ein großes Interesse an einer Reduktion des Acrylamidgehalts. In der Regel sind die Maßnahmen in Kleinbetrieben nicht kostenrelevant, da sie wie dargestellt häufig Temperaturänderungen, Backzeiten oder einfache Rezepturänderungen betreffen. Dass die Betriebe der Landesregierung bzw. dem LSGV namentlich bekannt sind, versteht sich bei vorangegangener Beprobung und Signalwertüberschreitung von selbst.

Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor über die Preisentwicklung der betroffenen Produkte?

Zu Frage 5: Der Landesregierung liegen über die Preisentwicklung der betroffenen Produkte keine Erkenntnisse vor.

Welche Schritte hat die Landesregierung unternommen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren von Acrylamid zu informieren?

Zu Frage 6: Durch die Landesregierung wird regelmäßig über die Ergebnisse der Beprobung saarländischer Lebensmittel informiert. Darüber hinaus werden Informationen zum Umgang mit Lebensmitteln gegeben. Des Weiteren ist im Internet unter http://www.justizsoziales.saarland.de/soziales/acrylamid.htm eine Info-Seite mit weiteren Hinweisen und Verweisen eingerichtet. Auf dieses Informationsangebot wurde und wird auch künftig in den Medien breit hingewiesen.

Das Krebsrisiko durch Acrylamid, so der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen in seinem jüngsten Bericht, sei als „nicht mehr tolerabel" einzustufen. Deshalb die Frage: welche Maßnahmen hat die Landesregierung für die Risikominimierung eingeleitet? Wie oft kontrolliert die Landesregierung solche Produkte? Wie oft ist der Signalwert überschritten worden? Welche Maßnahmen hat die Landesregierung daraufhin eingeleitet?

Zu Frage 7: Auf die Vorbemerkung der Landesregierung zur Vorbemerkung der Fragestellerin wird insoweit verwiesen, als nach übereinstimmender Einschätzung aller Fachinstitutionen die Bildung von Acrylamid bei der Herstellung und Zubereitung bestimmter stärkereicher Lebensmittel nicht völlig zu verhindern ist. Auch die Landesregierung geht nach den derzeitigen Erkenntnissen von einer mit hohen Acrylamidgehalten verbundenen Erhöhung von Krebsrisiken aus, wenngleich die Bewertungen des Sachverständigenrates der Bundesregierung für Umweltfragen und Erkenntnisse des Bundesinstituts für Risikoforschung sowie anderer Institute hinsichtlich der Bewertung der konkreten gesundheitlichen Gefahren von Acrylamid nicht vollständig deckungsgleich sind. Insoweit sind die vorliegenden Forschungsergebnisse noch nicht vollständig gesichert.

Unbeschadet dieser noch bestehenden Ungewissheiten muss im Interesse eines wirksamen vorbeugenden Verbraucherschutzes eine Politik der Risikominimierung betrieben werden. Diesem Ziel fühlt sich die Landesregierung selbstverständlich verpflichtet.

Deshalb haben wir gemeinsam mit den anderen Ländern und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) das in der Vorbemerkung erwähnte Minimierungskonzept erarbeitet. Wir übermitteln die hier im Lande gewonnenen Probenergebnisse und weiteren Erkenntnisse auch fortlaufend an das BVL und wirken so ebenso wie bei der Diskussion auf politischer Ebene im Rahmen von Gesundheits- und Verbraucherschutzministerkonferenzen und auf Fachebene an der permanenten Fortschreibung des Minimierungskonzeptes mit.

Die Untersuchung auf Acrylamid wird im LSGV seit 2002 durchgeführt. Von insgesamt 141 untersuchten Lebensmittelproben überschritten 12 Proben den Signalwert.

In den Fällen von Signalwertüberschreitungen wurden die Betriebe beraten, auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen.