Verlagerung der Zuständigkeit für das Heimrecht durch die Föderalismusreform

Befürwortet die Landesregierung die Verlagerung der Zuständigkeit für das Heimrecht auf die Länderebene? Wenn ja, mit welchen Argumenten?

Zu Frage 1: Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe a) dd) des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (BR-Drs. 178/06) sieht vor, das Heimrecht aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes vollständig in die Kompetenz der Länder zurückzuführen. Diese Einzelregelung ist Teil einer umfassenden Föderalismusreform.

Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ist nach allgemeiner Auffassung aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte reformbedürftig. Durch die Reform sollen unter anderem demokratie- und effizienzhinderliche Verflechtungen im Zusammenspiel der Zuständigkeiten von Bund und Ländern abgebaut und wieder klare Verantwortlichkeiten geschaffen werden, um so die föderalen Elemente der Solidarität und der Kooperation einerseits und des Wettbewerbs andererseits neu auszubalancieren (BR-Drs. 178/06, S. 15 f.). Dabei soll insbesondere die Eigenstaatlichkeit von Bund und Ländern gestärkt werden (BR-Drs. 178/06, S. 59).

Die saarländische Landesregierung steht der Verlagerung der Zuständigkeit im Heimrecht auf die Länder aufgeschlossen gegenüber. Der allgemein anerkannte Reformbedarf im Heimrecht konnte in den vergangenen Jahren trotz bestehender Bundeskompetenz nicht aufgelöst werden. Demgegenüber ist es im Saarland in den engen Grenzen der landesrechtlichen Möglichkeiten in den vergangenen Jahren gelungen, das Qualitätsniveau in der Pflege spürbar zu steigern. So wurden etwa zur Verbesserung der Versorgungssituation in den Heimen im Rahmen der „Qualitätsoffensive Pflege" in Zusammenarbeit mit den Landesverbänden der Pflegekassen und der Saarländischen Pflegegesellschaft Qualitätsanforderungen für stationäre Pflegeeinrichtungen entwickelt, die neben baulichen Anforderungen insgesamt eine Verbesserung der Strukturqualität, der Prozessqualität und der Ergebnisqualität erreichen konnten. Die Arbeitsgemeinschaft nach § 20 Heimgesetz hat gemeinsame Grundsätze und Maßstäbe zur Beurteilung einer fachlich und quantitativ ausreichenden Personalbesetzung in Pflegeheimen erlassen. Ausgehend hiervon konnte in den letzten beiden Jahren nahezu flächendeckend eine Fachkraftquote von 50 Prozent erreicht werden. Auch die im Saarland eingehaltenen baulichen Standards gehen regelmäßig weit über die Anforderungen der Heimmindestbauverordnung hinaus. Angesichts der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte auf Landesebene ist die saarländische Landesregierung zuversichtlich, dass eine Übertragung der Gesetzgebungskompetenz im Heimrecht auf die Länder gerade dem Saarland die Chance böte, schnell und flexibel auf Veränderungen im Pflegebereich zu reagieren und die Qualität in der Pflege weiter zu verbessern.

Welche Bundesländer sprechen sich für den weiteren Verbleib des Heimrechtes in der Zuständigkeit des Bundes aus? Welches sind deren Gründe?

Zu Frage 2: Die Übertragung der Zuständigkeit des Heimrechts auf die Länder geht auf eine Forderung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder und der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landtage sowie der Fraktionsvorsitzenden der Bank der Landtage in der Bundesstaatskommission zurück.

Die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landtage und Fraktionsvorsitzende der Bank der Landtage in der Bundesstaatskommission haben gefordert, die Länder müssten „Sachverhalte mit regionalem Bezug selbständig gestalten können. Sie können besser örtliche Gegebenheiten berücksichtigen und bessere Problemlösungen hierfür vorsehen. Dies gilt u.a. für Regelungen mit regionalen Besonderheiten wie z.B. das Heimrecht" (Dokumentation S. 435, Kom-Drs. 83, S. 2). In den Beratungen der Föderalismuskommission schloss sich Arens (Schleswig-Holstein) dieser Argumentation an (Dokumentation, S. 435). Auch Simm (SPD) befürwortete die Übertragung auf die Länder (Dokumentation, S. 443; PG5/29.09.2004, Ergebnisvermerk, S. 4). Böhmler (Baden-Württemberg) wies darauf hin, dass sich „vor allem im Hinblick auf Gefahrenabwehr ein regionaler Bezug ergebe" (Dokumentation, S. 443; 6. Sitzung/PG5/ 29.09.2004, Ergebnisvermerk, S. 4). Die Bundesregierung vertritt aktuell den Standpunkt, dass „das Heimgesetz ein Schutzgesetz zu Gunsten der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner ist. An dieser Funktion ändert sich nichts, wenn die Länder künftig die alleinige Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht haben. Es besteht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass die Länder von ihrem Gesetzgebungsrecht verantwortungsbewusst Gebrauch machen werden." (BT-Drs. 16/1298, S. 2). Sie verweist weiter auf die Beratungsergebnisse der Projektgruppe 5 der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, die darauf hingewiesen hatte, dass in der Materie des Heimrechts auch Aspekte der Gefahrenabwehr enthalten seien und dass es gute Argumente für eine Regionalisierung gebe (BT-Drs. 16/2198, S. 2).

Trifft es zu, dass sich einige Bundesländer für eine Verringerung der Fachkraftquote in den stationären Einrichtungen der Altenhilfe aussprechen?

Welche Bundesländer sind dies? Welche Regelungen streben sie an?

Zu Frage 3: Nach dem Kenntnisstand der saarländischen Landesregierung wird die Forderung nach einer Verringerung der Fachkraftquote in den stationären Einrichtungen der Altenhilfe derzeit von keinem Bundesland erhoben.

Sieht die Landesregierung bei einer Verlagerung des Heimrechtes in die Zuständigkeit der Bundesländer die in der Verfassung garantierte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den Bundesländern gefährdet? Falls nein, wieso nicht?

Zu Frage 4: Aus Sicht der Landesregierung wäre bei einer Verlagerung des Heimrechts auf die Länder eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den Bundesländern nur dann gefährdet, wenn sich die Standards des jeweiligen Heimrechts in den Ländern völlig unterschiedlich entwickeln würden. Es gibt jedoch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Länder von ihrem Gesetzgebungsrecht verantwortungsbewusst Gebrauch machen und einen hohen Qualitätsstandard gewährleisten werden. Dies entspricht auch der Einschätzung der Bundesregierung (BT-Drs. 16/2198, S. 2). Auch nach einer Verlagerung der Zuständigkeit werden die Länder über die jeweilige Fachebene unter Einbindung der Heimträger und deren Fachverbände möglichst einheitliche Standards des Heimrechts diskutieren, so dass die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse auf Bundesebene gewahrt wird.

Welche Veränderungen heimrechtlicher Regelungen und Verordnungen sind von Seiten der Landesregierung im Falle einer Zuständigkeitsverlagerung des Heimrechtes auf die Bundesländer geplant?

Zu Frage 5: Die saarländische Landesregierung wird sich nach der Verabschiedung der Föderalismusreform damit befassen, wie die Gestaltungsspielräume einer Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz im Heimrecht auf die Länder im Sinne einer Entbürokratisierung unter gleichzeitiger Verbesserung der Qualitätsstandards genutzt werden können.

Die notwendigen Entscheidungen werden dann in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten im Rahmen der Übergangsfristen zu treffen sein.

Welche Einwände und Bedenken gegen eine Verlagerung des Heimrechts auf die Länderebene wurden der Landesregierung von Pflegefachverbänden, Pflegeexperten und anderen berufsständigen Organisationen vorgetragen?

Zu Frage 6: Es wurde insbesondere vorgetragen, dass

- es zu einer unterschiedlichen Entwicklung des Heimrechts in den Ländern kommen könne, die vor allem für Heimträger, die länderübergreifend tätig sind, Rechtsunsicherheit und Verwaltungsmehraufwand bringe,

- die Gefahr der Standardabsenkung bestehe,

- Schwierigkeiten bei der Anpassung des Heimrechts an die bundesrechtlichen Regelungen des SGB XI, SGB XII, BGB und GG zu besorgen seien.

Liegen der Landesregierung Einschätzungen über die durch die Zuständigkeitsverlagerung zu erwartende Personal- und Kostenentwicklung in den Einrichtungen der stationären Altenhilfe im Saarland durch die Einrichtungs- und Kostenträger vor? Wenn ja, wie sehen sie aus?

Zu Frage 7: Der saarländischen Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.

Wie schätzt die Landesregierung die Möglichkeiten der Bundesregierung ein, auch in Zukunft Modellprojekte für den stationären Altenhilfebereich aufzulegen?

Zu Frage 8: Die Bundesregierung hat zu der Frage, welche Rechtsfolgen eine Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz im Heimrecht auf die Länder hat, ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das ­ soweit bekannt ­ noch nicht vorliegt. Die bisherigen Förderprogramme des Bundes ergingen nicht auf der Grundlage des Heimgesetzes, sondern erfolgten auf freiwilliger Basis im Rahmen der allgemeinen altenpolitischen Zuständigkeit des Bundes, die auch nach der Föderalismusreform fortbestehen wird. Nach Einschätzung der saarländischen Landesregierung bleiben die Möglichkeiten des Bundes zur Förderung von Modellprojekten für den stationären Altenhilfebereich deshalb von einer Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz im Heimrecht unberührt.

Welche finanziellen Einbußen sind im Saarland zu erwarten, falls es in Zukunft keine Bundesförderung mehr für zukunftsweisende Modelle in der stationären Altenhilfe gibt?

Zu Frage 9: Die saarländische Landesregierung erwartet keine finanziellen Einbußen, da die Möglichkeiten der Bundesregierung zur Förderung von Modellprojekten für den stationären Altenhilfebereich von der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz im Heimrecht unberührt bleiben (siehe Antwort zu Frage 8).